«Sittlich verdorben» – wie Mireille B. versorgt wurde
Aufmüpfig und nicht konform mit der Sexualmoral: Jahrzehntelang wurden Jugendliche zwangsversorgt. Die Odyssee einer jungen Frau.
Auf dieser Seite finden Sie Medienberichte und Informationen, die wir aus sozialarbeiterischer oder sozialpolitischer Sicht interessant finden und für Sie ausgewählt haben.
Aufmüpfig und nicht konform mit der Sexualmoral: Jahrzehntelang wurden Jugendliche zwangsversorgt. Die Odyssee einer jungen Frau.
Bei Wiedergutmachung ohne Reflexion sozialer Kontexte und strukturelle Veränderungen droht die Wiederholung von Heimgeschichten.
Die Schweiz arbeitet eines ihrer dunkelsten Kapitel auf: Die jahrzehntelange Ausbeutung von Kindern als Arbeitssklaven soll durch Entschädigungszahlungen wenigstens teilweise wiedergutgemacht werden.
Kommentar
Die Zahlungen für die Opfer von staatlichen Zwangsmassnahmen sind rechtlich nicht lupenrein. Doch es ist richtig, mit einer pragmatischen Lösung dieses dunkle Kapitel zu bewältigen.
Die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen fordern Geld vom Staat. In anderen Ländern wurden sie längst entschädigt.
Wiedergutmachung
Ehemalige Verdingkinder und andere Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen sollen 20'000 bis 25'000 Franken erhalten. Der Nationalrat hat dem indirekten Gegenvorschlag zur Wiedergutmachungsinitiative am Mittwoch deutlich zugestimmt.Zum Thema: Nationalrat will Verdingkindern 25'000 Franken bezahlen (BZ)
«Nachts um drei Uhr erwachte ich schweissgebadet und sagte mir: Jetzt muss eine Initiative her.»
Guido Fluri, Urheber der Wiedergutmachungsinitiative, spürt Erwartungsdruck von Heimkindern und anderen Opfern fürsorgerischer Zwangsmassnahmen.Ihre Volksinitiative fordert die Wiedergutmachung des Unrechts, das die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen erlitten haben. Was macht Sie so sicher, dass man etwa eine Zwangssterilisation je wiedergutmachen kann?Zum Thema: Kontroverse Entschädigung für Verdingkinder (NZZ)
Eine Woche ist es her, dass der Bayerische Rundfunk eine Reportage über eingesperrte und fixierte behinderte Kinder in bayerischen Heimen sendete – und während das Sozialministerium, das zuvor diese Zustände dementiert hatte, einen Tag später Kontrollen ankündigte, gelingt es nun endlich auch der bayerischen Behindertenbeauftragten Irmgard Badura, sich zu äussern. Zum Thema: Behinderte Kinder hinter verschlossenen Türen (BR)
Verdingkinder
Was lange ein Tabu war, könnte bald möglich werden: Verdingkinder und Opfer von staatlichen Zwangsmassnahmen sollen finanziell entschädigt werden für das Leid, das ihnen angetan wurde. Wie konnte das möglich werden?
Arzneimittelstudien westlicher Pharmaunternehmen in der DDR beruhten laut einer Untersuchung der Berliner Charité auf den gleichen ethischen Standards wie in Westeuropa. Die Wissenschaftler fanden Hinweise auf bis zu 900 klinische Studien, die im Auftrag von Westfirmen zwischen 1961 und 1990 in der DDR gemacht wurden - Vorwürfe von "Menschenversuchen in der DDR" hätten sie dabei nicht entdeckt.
Das Jahr 2016 beginnt politisch und Integras bezieht Stellung: Das Gesetz für eine finanzielle Entschädigung der Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen wurde in der vorberatenden Kommission behandelt und kommt im April in die parlamentarische Debatte. Dank dieser werden die Heime 2016 in den Medien präsent sein: Wie können die Heime diese Öffentlichkeit nutzen?Gleichzeitig wird im Bundesamt für Sozialversicherungen die IV weiterentwickelt: Kinder, Jugendliche und psychisch erkrankte Versicherte sollten frühzeitiger und koordinierter unterstützt werden – die Verbände wurden zur Vernehmlassung eingeladen. Mehr dazu in unserem Newsletter.
Das gestohlene Leben der Lina Zingg
1958 wird Lina Zingg als 18-Jährige in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Einige Monate später vermittelt man sie – mit der Diagnose Schwachsinn versehen – als Hausangestellte an eine Familie. Dort arbeitet die Rheintaler Bauerntochter während über 50 Jahren ohne Frei- und Ferientage im Haushalt, wird sexuell missbraucht und misshandelt. Die Hausherrin drängt auf Entmündigung, macht aus der Dienstmagd einen Betreuungsfall. Die Zürcher Behörden werden erst 2011 aktiv, nachdem die Töchter der Täterin einschreiten und eine Gefährdung melden.Die Geschichte der Lina Zingg (Pseudonym) ist die Geschichte einer Versklavung in gutbürgerlichem Milieu. Ein schockierender Extremfall, der dennoch wesentliche Grundmuster der Schweizer Psychiatrie- und Vormundschaftsgeschichte illustriert.
Die Kommission hat die Volksinitiative zur Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Wiedergutmachungsinitiative, 15.082) beraten. Sie gibt dem indirekten Gegenentwurf des Bundesrates den Vorzug.
Ausgehend vom Film «Lina» zeigt «Kontext» ein Stück Sozialgeschichte der Schweiz auf, in der im 20. Jahrhundert gesellschaftliche Konformität, Disziplin und patriarchale Machtausübung stärker gewichtet wurden als individuelle Selbstbestimmung.
Geschichtsforschung in autoritärer werdenden Zeiten – oder die historische Aufarbeitung der «fürsorgerischen Zwangsmassnahmen».
«Die Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren ist ein wesentliches Element einer demokratisch kontrollierten Justiz», hält der Schweizer Presserat fest. Das Öffentlichkeitsprinzip ist für einen Rechtsstaat zentral. Es erhöht die Transparenz und sorgt etwa dafür, dass das Handeln der Justizbehörden und Gerichte nachvollziehbar wird. Als Teil der Meinungs- und Informationsfreiheit ist es ein Menschenrecht, Einschränkungen müssen entsprechend begründet sein. Während bei der Bundesverwaltung seit rund zehn Jahren das Öffentlichkeitsprinzip gilt (hier finden Sie unseren Artikel dazu), wird die Umsetzung des Prinzips in der Justiz von verschiedenen Seiten kritisiert.
Chancen und Probleme der Zwangsbehandlung von Sexualstraftätern
Sexualstraftaten lassen oft den Ruf nach schärferen Sanktionen und "einfachen" Lösungen laut werden. Einige Staaten bedienen sich deshalb der antihormonellen triebdämpfenden Zwangsmedikation. In Deutschland wird die Triebdämpfung bisher nur auf freiwilliger Basis durchgeführt.Die Bundesgerichte haben jüngst strenge Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Zwangsmedikationen aufgestellt. Die Arbeit ordnet die medikamentöse Triebdämpfung unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung sowie praktischer Erfahrungen in das deutsche Recht ein und untersucht ihre Zulässigkeit.
Menschenrechte und therapeutische Kulturen in der Psychiatrie
Zwangsmassnahmen belasten alle Beteiligten: Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige, Profis. Und doch kommt es im klinischen Alltag immer wieder zu Fixierungen und zu Zwangsmedikation. Massnahmen zur Prävention und zur Reduktion sind also gefragt. Wie Prävention, Reduktion und Alternativen in der Praxis aussehen und wie Konflikte vermieden werden, beschreibt dieses Buch. Die Aufsätze von Experten aus Forschung und Praxis beschäftigen sich u.a. mit folgenden Themen:-Grund- und Ausgangslagen-Menschenrechte und neue Gesetzgebung-Wissen über Zwang und Gewalt-Gewalt und Substanzkonsum-offene Stationstüren in der therapeutischen Arbeit-Konkrete Strategien-Aggressionsmanagement -Alternativen zu Zwangsmassnahmen-Rolle von Angehörigen
Die Anstalt St. Iddazell Fischingen 1879-1978
Öffentlicher Druck war der Auslöser. Weil sich in den Medien ehemalige Heimkinder zu Wort meldeten und berichteten, sie seien sexuell missbraucht worden, beschloss der Verein Kloster Fischingen, die Geschichte der Anstalt von Historikern aufarbeiten zu lassen. Von 1879 bis 1978 war im Thurgauer Kloster das von Geistlichen geführte Kinderheim St. Iddazell untergebracht. Es diente als Waisenhaus und Erziehungsheim. Heute besteht ausserhalb der Mauern das Sonderschulheim Chilberg weiter.Das schön gestaltete Buch der Beratungsstelle für Landesgeschichte bestätigt wenig überraschend die Vermutung, dass es in der abgelegenen Anlage St. Iddazell – wie in vielen anderen Kinderheimen – kalt war, und zwar auch im Sommer.
Massnahmen, welche Patienten in ihrer Freiheit einschränken, dürfen künftig erst angewendet werden, wenn andere Versuche gescheitert sind. Das verlangt die Schweizerische Akademie für Medizinische Wissenschaften. Die neuen Richtlinien sollen auch für mehr Klarheit unter dem Pflegepersonal sorgen.