Supported Education
Lehrbetriebs-Befragung zu unterstützten Berufslehren für Lernende mit psychischer Beeinträchtigung
Berufsbildung findet in der Schweiz in einem dualen System von Lehrbetrieb und Berufsschule statt. Jugendliche mit psychischer Beeinträchtigung können den betrieblichen Teil ihrer Ausbildung in spezialisierten Rehabilitationsbetrieben absolvieren, in denen sie psychosoziale Unterstützung erhalten. In der Regel ist das Ziel dabei, sich nach dem Lehrabschluss in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Jugendlichen stehen dann jedoch gleichzeitig vor einer doppelten Hürde, nämlich dem Schritt vom Lernenden zum Arbeitnehmenden und der Umgewöhnung vom geschützten Rahmen an den ersten Arbeitsmarkt. Das Integrationsmodell “Supported Education“ kann diese beiden Hürden zeitlich entkoppeln. Entsprechend dem Motto “first place, then train“ werden die Lernenden dabei bereits während ihrer Ausbildung in regulären Lehrbetrieben platziert, wobei ein Ausbildungs-Coach aus dem Rehabilitationsbetrieb sie weiter begleitet. Die vorliegende Studie untersuchte in einer Totalerhebung die Ein-schätzung von Ausbildungsverantwortlichen kaufmännischer Lehrbetriebe in vier Ostschweizer Kantonen bezüglich der Möglichkeit, in ihren Betrieben Supported Education durchzuführen. Dazu wurden ihnen in einem Discrete Choice Experiment zufällig konstruierte Fallbeispiele von Lernenden mit psychischer Beeinträchtigung vorgelegt, die sie zur Ausbildung annehmen oder ablehnen konnten. Insgesamt wurden nur 8.6% der vorgeschlagenen Fallbeispiele akzeptiert, wobei bezüglich der Leistungs- und Verhaltensmerkmale von Lernenden mehrere signifikante Einflüsse auf den Auswahlentscheid festgestellt werden konnten. Als besonders Chancen mindernd erwiesen sich Defizite in den Bereichen Regeleinhaltung, Sozialkontaktgestaltung, Zuverlässigkeit bei der Arbeitsausführung und Motivation. Gute Schulnoten oder mehr Arbeitserfahrung durch eine Platzierung zu einem späteren Zeitpunkt der Berufslehre konnten diese Hindernisse nicht kompensieren. Bezüglich betrieblicher Merkmale und Charakteristika der Ausbildungsverantwortlichen konnten praktisch keine signifikanten Einflüsse nachgewiesen werden. Eine markante Ausnahme bilden dabei jedoch Lehrplätze, bei denen die Lernenden direkten Kundenkontakt haben, was sich als hoch signifikantes Hemmnis für die Aufnahme von Lernenden mit psychischer Beeinträchtigung erwiesen hat. Da Kundenkontakt in 97% der befragten Betriebe zu den Rahmenbedingungen für KV-Lernende gehört, muss dieser Aspekt in der Praxis als gewichtiger Einflussfaktor betrachtet werden. Die Studie zeigt ebenfalls auf, dass sich die Ausbildungsverantwortlichen von den Ausbildungs-Coaches vor allem Informationen zur Beeinträchtigung der vorgeschlagenen Person sowie zum Vorgehen im Falle einer Krisensituation wünschen.