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Positive Kesb-Bilanz nach den ersten vier Jahren

Oktober 2016 / Martin Heiniger

Per 1. Januar 2013 wurde das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (KESR) eingeführt. Damit ging auch eine institutionelle Reform einher. Die 146 neu geschaffenen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) ersetzten die 1415 bisherigen Vormundschaftsbehörden. Dieser Systemwechsel hat immer wieder Kritik provoziert; anhand von problematischen Einzelfällen wurde das ganze System in Frage gestellt. Am 8. September zog die Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (Kokes) nun eine positive Bilanz dieser ersten vier Jahre, zeigte aber auch einige Verbesserungspotenziale auf.

Vier Jahre KESB – die KOKES zieht Bilanz

Erste gesamtschweizerische Fallzahlen und aktuelle Herausforderungen

Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht ist seit knapp vier Jahren in Kraft. Die KOKES zieht Bilanz und informierte im Rahmen einer Medienkonferenz über die gesamtschweizerischen Fallzahlen und über aktuelle Herausforderungen bezüglich des Umgangs der KESB mit Eltern von behinderten Kindern, der Kommunikation mit Betroffenen, der Idee einer nicht staatlichen Anlaufstelle sowie der verstärkten Kontaktpflege mit den Gemeinden.Zum Thema:- «Die Kesb kommt erst, wenn es brennt» (SRF)- Bei den Kindern gibt es mit den Kesb weniger Fälle als früher (BZ)- Die Dauerkritik bringt die Kesb in Personalnot (Der Bund)- «Die Kesb hört betroffene Eltern oft nicht an» (BZ)- Kesb: Seit vier Jahren unter genauer Beobachtung (BZ)

Stellungnahme Guido Marbet, Präsident KOKES, Präsident Obergericht AG

Die KESB startete 2013 im Wissen, dass die Herausforderungen gross sein werden. Während früher 1415 Vormundschaftsbehörden - in der Deutschschweiz grösstenteils kommunale Laienbehörden - tätig waren, haben die KESB deren Aufgaben mit nur noch 146 Fachbehörden übernommen. Schweizweit mussten rund 70 000 Fälle auf neue Behörden übertragen werden und 80 000 Fälle mussten bis Ende 2015 ins neue Recht umgewandelt werden. Dies selbstverständlich neben der ordentlichen Arbeit der KESB und der Aufbauarbeit der neuen Behörden.

Weniger Personen mit Schutzmassnahmen im neuen Regime

KritikerInnen äusserten unter anderem die Befürchtung, das neue Kesb-System würde mehr Massnahmen nach sich ziehen. Nun wurden erstmals die Fallzahlen erhoben und präsentiert. Zu Beginn lagen die Gefährdungsmeldungen zahlenmässig über den Erwartungen. Die Massnahmen selbst haben jedoch gemäss den veröffentlichten Zahlen abgenommen, und zwar sowohl beim Kindes- als auch beim Erwachsenenschutz: "seit und mit der Kesb gibt es weniger Personen mit einer Schutzmassnahme als früher – das ist eine zentrale Aussage!", so der Kokes-Präsident Guido Marbet.

Verbesserungspotentiale

Mit der Präsentation der Fallzahlen konnte die Kokes einen wichtigen Kritikpunkt widerlegen. Schwerer wiegt der Vorwurf, mit der Kesb sei eine neue Form der Behördenwillkür entstanden. Anhand von konkreten Einzelfällen wurde argumentiert, dass die Kesb ungerechtfertigt gegen den Willen Betroffener eingreife und Massnahmen anordne. Die Kokes glaubt, dass das System grundsätzlich sehr gut funktioniere, was sich auch "anhand der schweizweit sehr guten Beschwerdebilanz" zeige. Allerdings ortet sie in drei Bereichen Verbesserungspotenzial, wie Guido Marbet ausführt:

  • In Bezug auf die Kontrolle von Eltern erwachsener behinderter Kinder will die Kokes bis Ende Jahr Empfehlungen erarbeiten, die gesamtschweizerisch gültig sein sollen
  • Die " Kommunikation und Beziehungsgestaltung im Spannungsfeld zwischen Schutz und Selbstbestimmung" soll verbessert werden. In diesem Zusammenhang wird die Schaffung von Anlaufstellen für Betroffene diskutiert
  • Im Kontakt mit Gemeinden soll deren Einbindung gestärkt werden, ohne die Autonomie der KESB zu schmälern, wie Christoph Brutschin erklärt.

Negatives Image erschwert die Personalrekrutierung

Die wiederkehrende öffentliche Kritik hat dem Ansehen des neuen Kesb-Systems geschadet; so konstatiert auch Kokes-Vorstandsmitglied Christoph Brutschin ein "Imageproblem". Dies hat auch der Attraktivität der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden als Arbeitgeber geschadet, was zu vermehrten Kündigungen geführt hat, so Kokes-Generalsekretärin Diana Wider im "Bund". Sie setzt darauf, dass nun, nachdem die Aufbauphase weitgehend abgeschlossen ist, mehr Zeit für die öffentliche Kommunikation zur Verfügung steht und damit das Image der Kesb verbessert werden kann.

Weitere Informationen zur KESB auf sozialinfo.ch

Auf unserem Portal finden Sie weitere Themenschwerpunkte sowie einen laufend aktualisierten Medienspiegel zum Thema Kindes- und Erwachsenenschutzrecht.   


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