Seit Mitte der 1990er Jahre sei die aktivierende Sozialpolitik Grundlage bedeutsamer Umstrukturierungen in den schweizerischen Sozialversicherungen wie auch in der Sozialhilfe, schreibt Wyer. Um finanzielle Leistungen von der Invalidenversicherung, der Arbeitslosenversicherung oder der Sozialhilfe zu erhalten, sind erwerbslose Personen verpflichtet, eine klar festgelegte Gegenleistung zu erbringen. Im Falle der Sozialversicherungen sei dies gesetzlich vorgeschrieben, im Falle der Sozialhilfe sei dies in den Skos-Richtlinien festgehalten worden. Ergänzen müsste man hier, dass auch die Sozialhilfe gesetzlich geregelt ist und aktivierungspolitische Forderungen auch in diese Gesetzen eingeflossen sind. Allerdings sind es hier die Kantone, welche die Sozialhilfegesetze erlassen. Auf die genauen Gründe, weshalb in den 1990er Jahren die aktivierende Sozialpolitik an Bedeutung gewonnen hat, geht Wyer nicht näher ein.
Die Umstrukturierungen in der Arbeitslosenversicherung und in der Sozialhilfe begannen damit, dass Bund und Kantone ein umfangreiches Angebot an Unterstützungsmassnahmen für erwerbslose Personen entwickelten. Sei dies in Form von Beratungen, Fördermassnahmen und Kursen, Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung, Massnahmen im ersten Arbeitsmarkt, oder in Form von spezifischen Massnahmen für bestimmte Gruppierungen - insbesondere jugendliche Erwerbslose. In der Arbeitslosenversicherung waren damit finanzielle Leistungskürzungen sowie die Verschärfung von Bezugsbedingungen verbunden. Diese Verschärfungen sollen laut Wyer verhindern, dass die sozialen Sicherungssysteme missbraucht werden und die Erwerbslosen motivieren, ihre Situation aktiv zu verändern. Leistungsempfänger dürfen nicht mehr länger "einfach so" Leistungen beanspruchen, sondern müssen eine Gegenleistung erbringen. Der sozialstaatliche Gedanke des gesellschaftlichen Statuserhalts wurde durch die Verpflichtung zur Arbeit ersetzt, fasst Wyer zusammen. All diese Entwicklungen kennzeichnen nach Wyer eine "aktivierungspolitische Wende" in der schweizerischen Sozialpolitik.
Die Durchsetzung und Etablierung dieses "aktivierungspolitschen Paradigmas" in der Schweiz sei gerade deshalb so erfolgreich, weil es sich sowohl in der Arbeitslosenversicherung, in der Invalidenversicherung wie auch in der Sozialhilfe etabliert habe, stellt Wyer fest.
Am Beispiel der Revision der Arbeitslosenversicherung weist Wyer anhand von Zitaten aus bundesrätlichen Botschaften nach, dass Erwerbslose latent abgewertet werden. Eine Verkürzung der Bezugsdauer begründet der Bundesrat beispielsweise damit, dass der Druck auf die Stellensuchenden, die Arbeitssuche zu intensivieren, verstärkt werden müsse. Dies zwinge sie dazu "früher an einer arbeitsmarktlichen Massnahme teilzunehmen" (BBI, 2001). Oder an anderer Stelle stellt der Bundesrat fest, dass das Gesetz vor der Revision, Personen ermöglicht habe "zu lange ausserhalb der Erwerbsarbeit" zu verweilen (BBI, 2008).