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Mehrbelastung der IV durch Corona erwartet

April 2021

Infolge der Coronakrise steigen die psychischen Belastungen in der Bevölkerung. Parallel dazu wird es künftig schwieriger werden, psychisch Erkrankte wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies wird die Invalidenversicherung zu spüren bekommen.

Corona erhöht psychischen Stress

Die Coronakrise hat bei vielen Menschen zu erhöhter psychischer Belastung geführt. Nebst der Bedrohung durch das Corona-Virus selbst, leiden manche aufgrund wirtschaftlicher Einschränkungen und unsicheren Zukunftsperspektiven unter Existenzängsten. Die behördlich verfügten Massnahmen zur Pandemiebekämpfung führen zudem zu sozialer Isolation oder Einsamkeit, während ausgleichende Freizeitaktivitäten wie Sport oder das Vereinsleben weggefallen sind.

Die Folgen sind spür- und messbar. Im Rahmen der Swiss Corona Stress Study konnten Forschende der Universität Basel zeigen, dass im Laufe des Jahres 2020 schwere depressive Symptome um mehr als das Fünffache zugenommen haben. Einer Studie aus Deutschland zufolge sind darunter auch viele Menschen mit Vorerkrankungen, die nun Rückfälle erleiden.

Junge besonders betroffen

Nebst Personen, die durch die Coronakrise in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, sind vor allem junge Menschen von schweren Depressionen betroffen. Der Dachverband Offene Kinder- und Jugendarbeit Schweiz (Doj) nimmt diese Lage sehr ernst. Doj-Geschäftsleiter Marcus Casutt weist darauf hin, wie stark sich die Situation auf Jugendliche auswirkt. Sie seien konfrontiert mit dem Wegfallen vieler sinnvoller und fördernder Freizeitangebote, mit durch Homeoffice und Existenzängsten belasteten Situationen daheim, sowie mit der massiven Einschränkung der Möglichkeiten, sich mit Gleichaltrigen zu treffen, insbesondere auch im öffentlichen Raum. Erhöhter Stress, psychisches Leiden oder gar häusliche Gewalt seien die Folgen davon. Doj mahnt deshalb schon länger an, dass den besonderen Bedürfnissen Jugendlicher in der Coronakrise besser Rechnung getragen werden müsse.

Erschwerte Bedingungen für berufliche Eingliederung

Es ist abzusehen, dass diese Entwicklung für die Sozialwerke spürbare Folgen haben wird, so etwa für die Invalidenversicherung (IV). Der neue Bericht «Eingliedern statt ausschliessen» des wirtschaftlichen Think-Tanks Avenir Suisse zeichnet die Rentenentwicklung bei der IV der vergangenen zwanzig Jahre nach. Nach der 4. IV Revision 2003 sanken die Neurenten deutlich, zeitweise auf die Hälfte des Standes von 2003. Die Ausrichtung auf das Prinzip «Eingliederung vor Rente» führte zu mehr Erfolgen bei der Reintegration in den ersten Arbeitsmarkt. Dadurch ist es der Invalidenversicherung gelungen, die Kosten deutlich zu senken. Zwischenzeitlich sind die Neurenten zwar wieder leicht gestiegen, aber blieben insgesamt auf einem tiefen Niveau.

Dies könnte sich nun wieder ändern. Die Folgen der Coronakrise für die psychische Gesundheit der Bevölkerung dürften für die IV zu einer grossen Herausforderung werden. Das Jahr 2020 konnte die IV laut den kürzlich veröffentlichten Eingliederungszahlen zwar noch gut meistern. Dieser Statistik zufolge sank im 2020 die Anzahl Personen, die erfolgreich integriert werden konnten, trotz der Coronakrise lediglich um 3,8 Prozent. Viele Personen werden sich aber wahrscheinlich erst mit einer gewissen Verzögerung bei der IV anmelden, nämlich sobald vorgelagerte Sozialwerke wie die ALV oder auch Corona-Erwerbsersatzleistungen nicht mehr greifen. So rechnet etwa Avenir Suisse in seinem Bericht mit einer Zunahme der IV-Anmeldungen.

Parallel zu der prognostizierten Fallzunahme wird auch die Eingliederung erschwert, weil voraussichtlich viele Arbeitsplätze für Menschen mit eingeschränkten Möglichkeiten wegfallen werden. Stéphane Rossini, Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV), rechnet mit höheren Hürden bei der Reintegration in den ersten Arbeitsmarkt: Es sei «zu befürchten, dass wegen der Krise gerade in Branchen mit weniger hohen Anforderungen viele Stellen wegfallen, die für die Integration besonders wichtig sind», sagte er gegenüber der NZZ.

Offen ist zurzeit, wie sich insbesondere die erhöhte Belastung Jugendlicher langfristig auswirken wird. Es ist zu hoffen, dass die kürzlich vom Bundesrat beschlossenen Lockerungen dazu beitragen, die von Jugendlichen dringend benötigten Freiräume zurückzubringen. Der Dachverband Offene Kinder- und Jugendarbeit Schweiz (Doj) begrüsst den Öffnungsschritt, bekräftigt aber auch seine Forderung nach einer «Sonderstellung für Kinder und Jugendliche bis 25 Jahren».

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