Kairos
Augenblicke der Chancen in der Niederschwelligen Sozialen Arbeit
Die Erfahrungen der Sozialarbeitenden der Niederschwelligen Sozialen Arbeit zeigen, dass in ihrem Berufsalltag immer wieder besondere Momente in der Begegnung mit Menschen entstehen, sei es, indem plötzlich eine Intensität spürbar ist, Themen ausgesprochen werden, die bis anhin tabu waren, oder eine Aussage Betroffenheit auslöst und berührt. Es handelt sich um kurze unmittelbare affektiv geladene Erlebnisse, die intersubjektiv geteilt werden und durch die neues Erfahrungswissen entsteht, und somit die Möglichkeit, neue Muster des Verhaltens zu entwickeln - um Kairoi, Augenblicke der Chance. In dieser Arbeit wird zuerst ein Perspektivenwechsel vorgenommen und die Aufmerksamkeit der Mikroebene des Kairos zugewandt. Doch durch die Lupe der Mikroanalyse erkennt man 'die Welt in einem Sandkorn' und wird wieder zurückgeworfen auf die grossen Fragen der Sozialen Arbeit nach Gerechtigkeit und Legitimation, nach Haltungen und der Ästhetik. Es wurde der Frage nachgegangen, wie es zu Kairos-Momenten im Handlungszusammenhang der Niederschwelligen Sozialen Arbeit kommt. Dazu wurden die Darstellungen und Konzepte dieses Arbeitsfeldes in Theorie und Praxis untersucht und sich mit der Systemtheorie nach Luhmann, der Lebensweltorientierung nach Thiersch, der Risikogesellschaft nach Beck, dem kommunikativen Handeln nach Habermas und den Konzepten Mündigkeit und soziale Anerkennung nach Graf auseinandergesetzt. Sechs Experteninterviews und ein Gruppengespräch wurden durchgeführt und anhand einer qualitativen tiefenhermeneutischen Auswertung analysiert. Als Ergebnis wurde ein Konzept ‚Niederschwelliger Sozialer Arbeit’ entwickelt, welches das übergeordnete Ziel der Mündigkeit und sozialen Anerkennung beinhaltet, sich auf Legitimation statt auf Professionalität bezieht und sich am kommunikativen Handeln und an der Ästhetik der menschlichen Begegnung orientiert.