Arbeitsmarkt Fokusartikel

In diesem ergänzenden Beitrag zum 11. Stellenmonitor Sozialwesen, gehen wir der Frage nach, welche Ansätze und Methoden in den Stelleninseraten der Arbeitsintegration erwähnt werden und welche Soft Skills in diesem Bereich gefragt sind. Wir werten die Stelleninserate zudem bezüglich Arbeitspensum und Stellenfunktion aus und beschäftigen uns mit dem Thema der Finanzierung und der Nachhaltigkeit von Angeboten der Arbeitsintegration.

Ansätze und Methoden

Bei Ansätzen und Methoden handelt es sich um "begründete, wissensbasierte Anleitung[en] zum planvollen, strukturierten Vorgehen zur Erreichung eines avisierten Ziels" (Galuske/Müller 2012: 588). Sie erleichtern den Mitarbeitenden den Umgang mit komplexen Alltagssituationen, helfen ihnen, ihr Handeln zu begründen und zu kommunizieren (vgl. ebd.).

Die Frage nach Ansätzen und Methoden ist in der Sozialen Arbeit deshalb von besonderem Interesse, weil seit Jahrzehnten darüber diskutiert wird, ob es sich bei der Sozialen Arbeit um einen Beruf oder eine Profession handelt (z.B. Becker-Lenz et al. 2012). Ein Fass, das an dieser Stelle nicht geöffnet werden soll, da es im vorliegenden Rahmen nur ungenügend behandelt werden könnte.

In den 120 näher betrachteten Stelleninseraten im Bereich der Arbeitsintegration finden sich neun explizite Nennungen von Ansätzen und Methoden. Genannt werden der lösungsorientierte Ansatz, der systemische Ansatz, Empowerment, die KOSS-Methodik und Supported Employment. Dies geschieht meist in der Beschreibung der Organisation.

Unter dem Begriff der systemischen Ansätze wird eine Vielfalt unterschiedlicher Ansätze zusammengefasst, die den Fokus nicht nur auf das einzelne Individuum legen, sondern auf das ganze soziale Umfeld der Adressat*innen (vgl. Nestmann/Sickendiek 2015: 157). Es wird im Umfeld der Adressat*innen geschaut, ob es dort Umstände gibt, die sich negativ auf die Adressat*innen auswirken, ob es in deren Umfeld Personen gibt, die sie in irgendeiner Form unterstützen könnten. Im Rahmen der Arbeitsintegration könnten Personen aus dem Umfeld einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen oder die Möglichkeit bieten, ein Praktikum zu absolvieren.

Beim lösungsorientierten Ansatz handelt es sich um eine Weiterentwicklung des systemischen Ansatzes. Dabei wird auf eine umfassende Analyse verzichtet und sich hauptsächlich auf die Suche nach Veränderungen bzw. Lösungen fokussiert. Die Aufmerksamkeit gilt der Zukunft der Adressat*innen, nicht so sehr der Vergangenheit oder der Gegenwart (vgl. Nestmann/Sickendiek 2015: 157).

Empowerment wird oft mit Ermächtigung übersetzt. Ziel ist es, den Einfluss und die Macht über das eigene Leben zu erhöhen, die erlernte Hilflosigkeit zu überwinden. Dies geschieht mittels Aufbau des sozialen Kapitals (z.B. soziale Netzwerke), durch das Erlernen neuer Handlungskompetenzen und das Entwickeln eines Gefühls der sozialen Zugehörigkeit. Alle diese Punkte dienen letztendlich dazu, das Vertrauen zu steigern, um auf das eigene Leben Einfluss nehmen zu können und so die eigenen Lebensbedingungen zu verbessern. Fachkräfte wirken unterstützend und ermöglichen den Adressat*innen den Zugang zu Ressourcen (vgl. Seckinger 2015: 359f.).

KOSS steht für Kompetenzorientierung im stationären Setting. Dabei handelt es sich um eine umfassende Methode mit Diagnostikphase, Interventionsphase und Austrittsphase. Sie kommt hauptsächlich im Jugendbereich zur Anwendung (vgl. kompetenzhoch3).

Bei Supported Employment handelt es sich um einen Ansatz, der insbesondere bei Menschen mit psychischen oder körperlichen Beeinträchtigungen Anwendung findet. Während die Arbeitsintegration meist dem Prinzip "first train, then place" (zuerst trainieren, dann platzieren) folgt, folgt Supported Employment den Prinzipien "first place, then train" (zuerst platzieren, dann trainieren) und "Learning on the job" (auf der Arbeit lernen). Der Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass für Adressat*innen eine Stelle im 1. Arbeitsmarkt gesucht wird und sie dann in der täglichen Arbeit selbst ausgebildet und unterstützt werden. Adressat*innen erwerben so das Wissen und die Kompetenzen, die sie für die jeweilige Stelle benötigen (vgl. Jenaro et al. 2002: 6).

Während der Unterstützungsauftrag in der Regel mit dem Finden einer Stelle beendet wird und Adressat*innen und Arbeitgebende von da an auf sich alleine gestellt sind, beginnt die Unterstützung bei Supported Employment dann erst richtig. Adressat*innen, Vorgesetzte und Mitarbeitende werden im gemeinsamen Arbeitsalltag von Jobcoaches unterstützt. Die Dauer der Unterstützung ist dabei nicht begrenzt, was deshalb wichtig ist, weil Verläufe bei psychischen Beeinträchtigung meist unberechenbar sind.

Haben herkömmliche "first train, then place"-Programme im Schnitt eine Erfolgsquote von 23% bei der Platzierung von Menschen mit Beeinträchtigung im 1. Arbeitsmarkt, so liegt die Erfolgsquote bei Supported Employment im Schnitt bei 56%. Im Berner Job Coach Projekt waren dies nach zwei Jahren 17%, gegenüber 45% mit Supported Employment (vgl. Hoffmann 2013: 3f.).1

Die Frage, warum so wenig zu Ansätzen und Methoden in den Stelleninseraten steht, lässt sich im vorliegenden Monitor Arbeitsintegration nicht abschliessend beantworten, es bedeutet aber nicht zwingend, dass die übrigen Organisationen nicht mit spezifischen Ansätzen und Methoden arbeiten. Diese könnten vielmehr Gegenstand der Bewerbungsgespräche sein, während der Einarbeitungsphase erlernt werden oder ihre Kenntnis als selbstverständlich vorausgesetzt werden.

Gemäss der Beobachtung von Cornelia Wenger vom Schweizerischen Arbeiterhilfswerk SAH Zentralschweiz sind jedoch tatsächlich verschiedene Ideen und Ansätze, wie beispielsweise Supported Employment oder Motivationsfördernde Gesprächsführung, „noch nicht in allen Betrieben gleichermassen bekannt oder gar in Konzepten verankert".

Ebenso könnte im Zuge der Professionalisierungsdebatte die Frage gestellt werden, ob Ansätze und Methoden überhaupt auf organisationaler Ebene festgesetzt werden sollten oder die Wahl erst fallbezogen im Arbeitsbündnis erfolgen soll.

Soft Skills

Steht in den Stelleninseraten der Arbeitsintegration wenig zu Ansätzen und Methoden, so findet sich zum Thema Soft Skills hingegen sehr viel. Unter dem Begriff Soft Skills werden fachunspezifische Fähigkeiten, soziale Kompetenzen und persönliche Eigenschaften verstanden.

Am häufigsten gewünscht werden in den 120 näher betrachteten Stelleninseraten der Arbeitsintegration:

Selbständiges Arbeiten (61), Flexibilität (57), Belastbarkeit (52), Sozialkompetenzen (48), Kommunikationskompetenzen (42), gute Sprachkenntnisse (41), Teamfähigkeit (36), Verantwortungsbewusstsein (26), ein Flair für administrative Tätigkeiten (24), organisatorische Fähigkeiten (23), Qualitätsbewusstsein (22), Empathie (20), Humor (19), Vernetzungskompetenz (17) und interkulturelle Kompetenzen (17).

Besonders auffällig ist die Vernetzungskompetenz, da sie häufiger als in anderen Arbeitsfeldern gefordert wird. Um Aufträge zu akquirieren oder Praktika zu organisieren, ist es in der Arbeitsintegration von Vorteil, gute Beziehungen zur lokalen Wirtschaft zu pflegen.

Mehr zum Thema Soft Skills in Stelleninseraten des Sozialwesens können Sie im 10. Monitor nachlesen.

Funktion

Wie bereits im 11. Monitor kurz erwähnt, werden im Handlungsfeld der Arbeitsintegration doppelt so viele Teamleitungsstellen ausgeschrieben, als im Durchschnitt der anderen Bereiche der Sozialen Arbeit (s. Grafik). Dies ist zum Teil auf ein anderes Verständnis von Führung zurückzuführen: In der Arbeitsintegration ist mit Teamleitung auch die Anleitung von Programmteilnehmenden gemeint und nicht nur die Leitung von qualifizierten Mitarbeitenden.

Qualifikation

Vertiefter wurde im 11. Monitor auf das Thema Qualifikation im Feld der Arbeitsintegration eingegangen. Dabei wurde erwähnt, dass sich die Anforderungen bezüglich der Qualifikation in der Arbeitsintegration insbesondere bei der Teamleitung von der anderer Felder unterscheidet.

Pensen

Interessant ist auch, dass die Pensen im Bereich der Arbeitsintegration allgemein höher sind als im Durchschnitt der anderen Bereiche der Sozialen Arbeit.

Warum dies so ist, konnten sich die Interviewpartner*innen aus dem Bereich der Arbeitsintegration nicht erklären.

Anstellung

Keinen nennenswerten Unterschied gibt es hingegen in Bezug auf die Art der Anstellung.

Finanzierung und Nachhaltigkeit von Angeboten in der Arbeitsintegration

Marianne Dubach, Geschäftsführerin bei impiega, weist im Interview darauf hin, dass jene Programme am meisten finanzielle Mittel erhalten, „die Klient*innen lange ‚begleiten und fördern’, da immer noch über die Zeitachse abgerechnet wird und nicht über die erzielte Wirkung. Am wenigsten finanzielle Mittel erhält ein Programm, das Menschen in eine Lohnarbeit bringt und sie dort begleitet, obwohl dies ja das eigentliche Ziel wäre." Weiter stellt sie fest: "Mit der Vermittlung endet in der Regel jegliche Unterstützung und die weitere Begleitung durch den Anbieter wird meist nicht mehr finanziert, obwohl aus meiner Erfahrung dann erst die ‚echte Arbeit’ der Reintegration beginnt."

Tatsächlich könnte aufgrund der derzeitigen Finanzierung argumentiert werden, dass ein Anreiz bestehen könnte, Adressat*innen möglichst lange zu halten, statt sie in den 1. Arbeitsmarkt zu integrieren. Andererseits könnte eine Finanzierung auf Erfolgsbasis ebenso problematisch sein, da sie Anreiz geben könnte, Adressat*innen schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ohne darauf zu achten, ob die Stelle auch dem Profil und den Kompetenzen der Adressat*innen entspricht. Stimmen die Anforderungen der Stelle nicht mit dem Profil und den Kompetenzen der Adressat*innen überein, und sind Arbeitgebende nicht in der Lage, die Person zu unterstützen, kann es dazu führen, dass der Arbeitsvertrag eher wieder gekündigt wird.

Eine der Schwierigkeiten im Bereich der Arbeitsintegration ist, dass Angebot und Nachfrage der Arbeitskraft nicht immer übereinstimmen. Zusätzlich bestehen bei den Adressat*innen oft Mehrfachproblematiken. Sie haben nicht nur keine Erwerbsarbeit, sondern oft zusätzlich eine Beeinträchtigung, geringe Bildung, eine Sucht- oder Gewaltproblematik, Schulden, prekäre Wohnsituation, psychische Belastungen etc. Damit Adressat*innen ihr Potential entfalten können, reicht es oft nicht, lediglich eine Erwerbsarbeit zu beschaffen. Die Situation muss als Ganzes betrachtet werden. Erwerbsarbeit ist in diesen Fällen nicht die Lösung aller Probleme, kann sich aber auch insgesamt positiv auf die Situation der Adressat*innen auswirken. Abgesehen von finanziellen Mitteln in Form eines Lohns erfüllt Erwerbsarbeit auch latente Funktionen: sie bietet Struktur für den Tagesablauf, eine Funktion in der Gesellschaft sowie soziale Kontakte, aus denen Unterstützung für Krisensituationen hervorgehen kann (Dooley 2003; Bartley 1994).

Eine kürzlich erschienene Studie von Eser Davolio et al. (2019) hat gezeigt, dass eine Reduktion der Falllast in der Sozialhilfe, wodurch Sozialarbeitende mehr Zeit hatten, sich mit einzelnen Adressat*innen auseinanderzusetzen, zu einer Reduktion der Kosten und zu einer höheren Ablösequote führten. Sprich: Kurzfristig mehr zu investieren, lohnt sich auf lange Sicht.

Mit Blick auf die Nachhaltigkeit der Integration wäre es aufgrund der oben erwähnten Mehrfachproblematiken sinnvoll, dass Adressat*innen und Arbeitgebende eine Ansprechperson hätten, deren Zuständigkeit und Finanzierung nicht mit Stellenantritt enden würden. Dies gilt allerdings für alle Unterstützungsangebote der Sozialen Arbeit, die häufig abrupt enden. Adressat*innen werden so auf sich alleine gestellt und müssen sich einmal mehr auf die Suche nach der für sie neu zuständige Stelle machen. Hinzu kommt, dass sich bei vielen Angeboten die zuständigen Ansprechpersonen häufig ändern. In beiden Fällen müssen Adressat*innen ihren Fall wiederholt von Neuem erläutern und erneut eine Arbeitsbündnis mit den Fachpersonen etablieren. Ganzheitlichere Ansätze wie Supported Employment sind deshalb von Vorteil, da Adressat*innen eine Vertrauensperson haben, an die sie sich bei Bedarf wenden können, die gegebenenfalls weitere Fachkräfte hinzuziehen kann und die Unterstützung koordiniert.

Quellenangaben

Bartley, Mel (1994). Unemployment and ill health: Understanding the relationship. In: Journal of Epidemiology and community health. 48 Jg. S. 333-337.
https://jech.bmj.com/content/jech/48/4/333.full.pdf

Becker-Lenz, Roland/Busse, Stefan/Ehlert, Grudrun/Müller-Hermann, Silke (Hrsg.) (2012). Professionalität in der Sozialen Arbeit. Standpunkte, Kontroversen, Perspektiven. Wiesbaden: Springer VS.

Dooley, David (2003). Unemployment, Underemployment, and Mental Health: Conceptualizing employment status as a continuum. In: American Journal of Common Psychology. 32 Jg. S. 9-20.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1023/A:1025634504740

Eser Davolio, Miryam/Strohmeier Navarro Smith, Rahel/Gehrig, Milena/Steiner, Isabelle (2019). Auswirkungen der Falllastreduktion in der Sozialhilfe auf Ablösequote und Fallkosten. Entschleunigung zahlt sich aus. In: Schweizerische Zeitschrift für Soziale Arbeit / Revue suisse de travail social. 25. S. 31-51.
https://szsa.ch/ojs/index.php/szsa-rsts/article/view/199

Galuske, Michael/Müller Wolfgang (2012). Handlungsformen in der Sozialen Arbeit – Geschichte und Entwicklung. In: Werner Thole (Hrsg.). Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch (4. Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag. S. 587-610.

Hoffmann, Holger (2013). Was macht Supported Employment so überlegen? In: Psychiatrie. 2.
https://www.jobcoachplacement.ch/images/geschichte/2013_JCP_Psychiatrie.pdf

Jenaro, Cristina/Mank, David/Bottomley, John/Doose, Stefan/Tuckerman, Phil (2002). Supported employment in the international context: An analysis of processes and outcomes. In: Journal of Vocational Rehabilitation. 17. S. 5-21.

kompetenzhoch3. Institut für wirksame Jugendhilfe.
https://kompetenzhoch3.ch/methodiken/koss/

Nestmann, Frank/Sickendiek, Ursel (2015). Beratung. In: Otto, Hans-Uwe/Thiersch, Hans (Hrsg.). Handbuch Soziale Arbeit (5. Aufl.). München: Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG. S. 153-163.

Seckinger, Mike (2015). Empowerment. In: Otto, Hans-Uwe/Thiersch, Hans (Hrsg.). Handbuch Soziale Arbeit (5. Aufl.). München: Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG. S. 357-363.

Fussnoten

Zur Wirksamkeit von Supported Employment wurden bereits viele Untersuchungen durchgeführt: Z.B. Hoffmann/Dirke (2018) https://doi.org/10.4414/sanp.2018.00601 oder Marshall et al. (2014) https://doi.org/10.1176/appi.ps.201300262. Weitere Informationen zu Supported Employment finden Sie auch hier: https://blog.insos.ch/de/supported-employment-2-se-kurz-erklaert