Arbeitsmarkt Fokusartikel

Die Stellen in der Arbeitsintegration

Februar 2021 / M. Giger, S. Madörin, J. Amstutz, Ch. Mühlebach und P. Zängl

In Krisenzeiten gewinnt die Arbeitsintegration an Bedeutung. Was zeichnet den Stellenmarkt in diesem Feld aus? Die Autor*innen haben Stelleninserate ausgewertet.

Das Arbeitsfeld der Arbeitsintegration umfasst öffent­liche und gemeinnützige Organisationen, die Stellensuchende dabei unterstützen, in den ersten Arbeits­markt einzusteigen oder zurückzukehren, sowie Organisationen, die Stellen im zweiten, sogenannt geschützten Arbeitsmarkt mit entsprechender Betreu­ung anbieten. In der ersten Gruppe finden sich beispielsweise Angebote, die den Teilnehmenden eine Ausbildung ermöglichen, Beschäftigungsangebote, die ihnen eine Tagesstruktur geben und die Möglich­keit bieten, ihre Soft Skills zu trainieren, oder Angebo­te, die Teilnehmende ganz konkret bei der Stellensuche oder dem Verfassen von Bewerbungen unterstützen. In der zweiten Gruppe finden sich insbesondere Werkstätten für Menschen mit Beeinträch­tigung. Die Bezeichnung geschützter Arbeitsmarkt kann allerdings irreführend sein, denn auch diese Angebote sind je länger, je mehr dem Markt ausge­setzt und erbringen vermehrt Dienstleistungen, wie sie auch im ersten Arbeitsmarkt zu finden sind.

Im vorliegenden Artikel wurden 7524 Stelleninse­rate von sozialinfo.ch aus dem Jahr 2019 quantitativ ausgewertet (N=7524), von denen 916 dem Feld der Arbeitsintegration zugeschrieben waren (n1=916). 120 von diesen 916 Inseraten wurden zusätzlich qualitativ ausgewertet (n2=120). Zudem wurden 8 Interviews mit Mitarbeitenden aus dem Bereich der Arbeitsintegra­tion geführt.

Qualifikation

In den Stelleninseraten der Arbeitsintegration steht nicht immer eine Ausbildung im Sozialbereich im Vordergrund, wie eine nähere Betrachtung von 120 Inseraten (n2=120) aufzeigt.

In 38 dieser 120 Stellen (32 Prozent) wird in erster Linie eine berufliche Grundbildung im handwerk­lichen Bereich gefordert und in weiteren 16 Stellen (13 Prozent) eine KV-Ausbildung. Gesucht werden beispielsweise Fachkräfte aus der grünen Branche, der Gastronomie, Hauswirtschaft, Elektrik, Gebäudetech­nik, Schreiner*innen oder Velomechaniker*innen, die Programmteilnehmende ausbilden oder anleiten kön­nen. In 28 der 38 Stellen, in denen eine handwerkliche Grundausbildung im Vordergrund steht, wird eine Weiterbildung im Sozialbereich oder zumindest Erfahrung darin gewünscht.

Die wichtige Rolle der beruflichen Grundbildun­gen in der Arbeitsintegration erklärt zumindest teil­weise, warum die Anforderungen in Bezug auf die Qualifikation in der Arbeitsintegration(n1=916) gene­rell niedriger sind als im Durchschnitt der anderen Felder der Sozialen Arbeit.

Am deutlichsten zeigt sich der Unterschied bei der Teamleitung. Hier reicht in der Arbeitsintegration für 67 Prozent der Stellen eine berufliche Grundbildung. In den anderen Feldern der Sozialen Arbeit ist dies lediglich bei 29 Prozent der ausgeschriebenen Stellen der Fall.

Astrid Bujard, Job Coach und Standortleiterin bei impiega, meint in Bezug auf die Qualifikationsanfor­derungen: «Es ist gut, dass heute mehr Wert auf eine Berufsausbildung und Berufserfahrung, idealerweise in verschiedenen Branchen, gelegt wird. Wer sich bisher vor allem in akademischen Kreisen bewegt hat, findet es häufig schwierig, den Zugang zu Menschen mit Beeinträchtigung oder mit einem deutlich niedri­geren Bildungsstand zu finden.»

Jonas Beetschen, Abteilungsleiter Atelier und stellvertretender Leiter Job Training bei der Stiftung Job Training/Jobfactory hingegen sagt: «Solange es darum geht, Menschen ‹nur› in den Arbeitsprozessen zu begleiten, ist eine berufliche Grundbildung wohl ausreichend. Ich persönlich denke, dass eine Ausbildung im sozialen Bereich auch für solche Tätigkeiten durchaus gewinnbringend ist. Durch den engen und oft ungezwungenen Austausch im Arbeitsprozess können sehr bewusst und qualitativ hochste­hend eine Beziehung und Vertrauen aufgebaut werden. Mittels agogischen Handelns können dann die Selbstständigkeit und der Selbstwert der Klient*innen gefördert werden.»

Ein Teil des grossen Unterschieds in Bezug auf die Anforderungen für die Leitungspositio­nen könnte dadurch erklärt werden, dass in der Arbeitsintegration ein anderes Verständnis von Führung besteht. In der Arbeitsintegration bezieht sich Führung nicht nur auf die Führung von qualifizierten Mitarbeitenden, sondern auch auf die Anleitung von Adressat*innen (z. B. in einer Werkstatt). Dies könnte auch erklären, warum in der Arbeitsintegration doppelt so viele Teamlei­tungsstellen ausgeschrieben werden als in an­ deren Feldern der Sozialen Arbeit1.

Weiter ist den Interviews zu entnehmen, dass es Angebote gibt, die sich lediglich auf das Finden einer Stelle oder auf die Beschäftigung konzentrieren, und solche, die einen ganzheit­licheren Ansatz verfolgen. Hier geht es um die Passung zwischen Adressat*innen und Angebot sowie um die Nachhaltigkeit. Je anspruchsvoller und komplexer die Begleitung, desto eher braucht es einen Hochschulabschluss in Sozialer Arbeit. Jonas Beetschen: «Bei einem grossen Teil der Jugendlichen, die wir begleiten, geht es nicht nur um eine fehlende Stelle, sondern um mannigfaltige Themen, die für einen erfolgreichen Berufseinstieg bearbeitet werden müs­sen.»

Ein Blick in die Zukunft

Auf die Frage, was sie sich als Beschäftigte in der Arbeitsintegration für ihr Arbeitsfeld wünscht, antwortet Astrid Bujard: «Ich wünsche mir vor allem, dass der Stellenwert der Arbeitsin­tegration noch breitere Anerkennung in Gesell­schaft, Unternehmen und in der Politik findet. Noch immer kämpfen wir häufig gegen Vorur­teile gegenüber Personen, die aus verschiede­nen Gründen längere Zeit ohne Anstellung wa­ren. Sie stellen für unsere Wirtschaft ein grosses ungenutztes Potenzial dar. Ich wünsche mir, dass wir für diese Personengruppe in Zukunft noch mehr Anerkennung und Vertrauen gewinnen können.»

Fussnoten

Mehr Stelleninserate könnten auch auf eine höhere Fluktuation hindeuten.

Datenquelle und Grafiken: sozialinfo.ch und Hochschule für Soziale Arbeit FHNW



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