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Verschärfung der Meldepflichten im Kindesschutz

Januar 2019 / Regine Strub / Urs Vogel

Am 1. Januar 2019 sind die neuen Regelungen im Kindesschutz in Kraft getreten. Wir haben die wichtigsten Änderungen zusammengefasst.

So wird die Meldepflicht ausgeweitet, indem künftig nicht nur Personen in amtlicher Tätigkeit verpflichtet sind, bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung Meldung an die Kindesschutzbehörde zu erstatten, sondern alle Fachpersonen, die beruflich regelmässig mit Kindern Kontakt haben. Das heisst, neben Sozialarbeitern und Lehrerinnen sind beispielsweise Kita-Mitarbeiterinnen und professionelle Sporttrainer verpflichtet, eine Gefährdungsmeldung zu machen, sofern sie die Gefährdung nicht selber abwenden können.

Das wichtigste in Kürze:

Neu sind die Art. 314c-e ZGB, geändert wurden Art. 443 Abs. 2 und 3 sowie Art. 448 Abs. 2 ZGB

  • Grundsätzlich kann jede Person der KESB Meldung erstatten, wenn die körperliche, psychische oder physische Integrität einer minderjährigen Person (Kind oder Jugendliche) gefährdet erscheint.
  • Liegt eine Meldung im Interesse des Kindes, so sind auch Personen meldeberechtigt, die dem Berufsgeheimnis nach dem Strafgesetzbuch (StGB) unterstehen. Sie sind zudem berechtigt, aber nicht verpflichtet, der Kindesschutzbehörde bei Abklärungen im Bereich des Kindesschutzes zu helfen, ohne sich vorgängig vom Berufsgeheimnis entbinden lassen zu müssen. Dies unabhängig davon, ob sie vorgängig eine Gefährdungsmeldung gegenüber der Kindesschutzbehörde abgegeben haben. Unter das Berufsgeheimnis nach StGB fallen Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, sowie ihre Hilfspersonen.
  • Hilfspersonen von Personen, die dem Berufsgeheimnis unterstehen, haben kein Melde- und Mitwirkungsrecht. Falls eine Hilfsperson Kenntnis von einer möglichen Kindeswohlgefährdung erhält, soll sie dies den primären Berufsgeheimnisträgerinnen und –trägern melden. Sie hat auch die Möglichkeit, sich vom Berufsgeheimnis von der vorgesetzten Stelle oder der Aufsichtsbehörde entbinden zu lassen.
  • Fachpersonen, die regelmässig mit Kindern oder Jugendlichen Kontakt haben, sind zur Meldung an eine Kindesschutzbehörde verpflichtet, wenn konkrete Hinweise dafür bestehen, dass die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität eines Kindes gefährdet ist. Art. 314d ZGB nennt Fachpersonen aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Pflege, Betreuung, Erziehung, Bildung, Sozialberatung, Religion und Sport. Voraussetzung ist, dass sie beruflich mit Kindern zu tun haben. Die Meldepflicht ist relativ, das heisst, sie müssen nur dann eine Gefährdung melden, wenn sie selber nicht in der Lage sind, dem betreffenden Kind oder Jugendlichen zu helfen bzw. eine Hilfe zu vermitteln. Die Meldepflicht erfüllt auch, wer die Meldung an die vorgesetzte Person richtet.
  • Meldepflichtig sind im Weiteren alle Personen, die in Ausübung einer amtlichen Tätigkeit von einer Kindeswohlgefährdung Kenntnis erhalten und nicht in der Lage sind, im Rahmen ihrer Tätigkeit Abhilfe zu schaffen.
  • Eine Verletzung der Meldepflicht ist grundsätzlich nicht strafbar. Strafbar ist sie erst dann, wenn durch die Meldung hätte verhindert werden können, dass die minderjährige Person eine strafbare Handlung begeht oder dass das Kind/die Jugendliche Opfer einer strafbaren Handlung wird.
  • Mitarbeitende von Opferhilfe-Beratungsstellen unterstehen nicht der Meldepflicht, sind aber weiterhin berechtigt, bei ernsthafter Gefährdung der körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität einer minderjährigen Person oder einer Person unter umfassender Beistandschaft die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde zu informieren oder allenfalls eine Anzeige bei der Strafverfolgungsbehörde zu erstatten.
  • Anwaltsgesetz: Die bisherige Regelung, dass Anwälte nicht verpflichtet werden können, Anvertrautes preiszugeben, auch wenn sie vom Berufsgeheimnis entbunden sind, gilt nach wie vor auch im Kindesschutzverfahren. Eine vorgesehene Änderung wurde durch das Parlament abgelehnt.
  • Die Kantone dürfen zusätzliche Meldepflichten gegenüber der Kindesschutzbehörde vorsehen.

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