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Herkunftssuche bei Adoption: Wichtiges in Kürze

Dezember 2014 / Christina Baumann (Text)

Die Herkunftssuche für adoptierte Kinder ist in der Schweiz gesetzlich vorgesehen, aber nicht immer zufriedenstellend gelöst. So stehen rechtliche Voraussetzungen und bürokratische Hürden den persönlichen Bedürfnissen gegenüber und können gar unvereinbar sein. Die Revision des Adoptionsrechts ist am Laufen und das Adoptionsgeheimnis soll gelockert werden.

Gründe für die Suche

In der Schweiz werden jährlich rund 400 Kinder adoptiert. Früher oder später wird ein jedes von ihnen mit Fragen konfrontiert: Woher komme ich? Warum haben mich meine leiblichen Eltern weggegeben oder habe ich leibliche Geschwister?

Die Suche nach seinen eigenen Wurzeln und der Wunsch, seine leiblichen Eltern kennenzulernen, können bedeuten, sich auf einen langwierigen Weg zu begeben. Häufig reicht es nicht aus, nur die Identität (Name, Adresse und Wohnort) der biologischen Eltern zu kennen. Vielmehr entsteht das Verlangen, in direktem Kontakt zu stehen und Antworten auf offene Fragen zu erhalten. Vor allem das fehlende Wissen über die Gründe der Weggabe beschäftigt die Suchenden, aber auch nicht genau beschreibbare Gefühle zur Herkunft schwingen mit, die sie zu entschleiern erhoffen durch einen direkten Kontakt.

Vorgehen bei der Herkunftssuche

Eine Herkunftssuche bündelt sämtliche Anstrengungen, die eine Person unternimmt, um an die Zeit vor seiner Adoption anzuknüpfen. Nebst den Identitätsfragen gibt es auch Fragen auf der praktischen Ebene zu klären. Es handelt sich um einen Prozess, der gleichzeitig eine Auseinandersetzung auf der rechtlichen, administrativen, sozialen aber auch psychologischen Ebene bedeutet und der von Drittpersonen und Fachorganisationen unterstützt werden muss. Die Herkunftssuche benötigt Zeit und Geduld. Kein adoptiertes Kind weiss zum Voraus, worauf es sich einlässt bei der Suche. Was geschieht zum Beispiel, wenn die leibliche Mutter bereits verstorben ist? Oder wenn jemand bei der Suche auf Ablehnung stösst? Selbstverständlich betrifft die Suche auch die nähere persönliche Umgebung. Einerseits kann diese stützend Einfluss nehmen, andererseits ist ihre Belastung nicht zu unterschätzen, wenn beispielsweise Adoptiveltern mit Verlustängsten reagieren.   

Rechtliche Voraussetzungen

Eine adoptierte Person kann gemäss Zivilgesetzbuch Art. 268c Abs.1 jederzeit Auskunft über die Personalien ihrer leiblichen Eltern verlangen, sobald sie das 18. Lebensjahr vollendet hat. Vorher kann sie Auskunft anfordern, wenn sie ein schutzwürdiges Interesse hat.

Art. 268c Abs.2 ZGB hält fest: "Bevor die Behörde oder Stelle, welche über die gewünschten Angaben verfügt, Auskunft erteilt, informiert sie wenn möglich die leiblichen Eltern. Lehnen diese den persönlichen Kontakt ab, so ist das Kind darüber zu informieren und auf die Persönlichkeitsrechte der leiblichen Eltern aufmerksam zu machen. "

Art. 268c Abs.3 ZGB definiert: "Die Kantone bezeichnen eine geeignete Stelle, welche das Kind auf Wunsch beratend unterstützt."

Auf der Ebene des internationalen Rechts mit dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes Art. 7 Abs.2 steht: "Das Kind ist unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register einzutragen und hat das Recht auf einen Namen von Geburt an, das Recht, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben, und soweit möglich das Recht, seine Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden."

Hilfe seitens der Behörde

Um Nachforschungen zu betreiben, können in der Schweiz geborene Kinder ihr Gesuch bei ihrem Geburtskanton einreichen. Der Heimatort kann dann Hilfe anbieten, wenn jemand im Ausland geboren wurde und über das Schweizer Bürgerrecht verfügt. Der Wohnkanton wiederum wird zuständig, wenn die Person weder in der Schweiz geboren wurde noch das Schweizer Bürgerrecht besitzt. Die Onlineplattform "ch.ch" ist eine Dienstleistung des Bundes, der Kantone und Gemeinden, die eine aktuelle Liste zu den zentralen Behörden der Kantone im Adoptionswesen zur Verfügungstellt.  

Fachstellen für Adoption

Obwohl die rechtlichen Vorgaben präzise sind, sind Fachorganisationen bei der Herkunftssuche wichtig. Auch dann, wenn eine Kontaktaufnahme ausweglos erscheint. Nicht selten gelingt es ihnen mit entsprechendem Einwirken und Verhandeln, dass sich die Parteien trotz anfänglicher Abwehr annähern können.

Für Kinder, die in der Schweiz oder im Ausland geboren wurden, bestehen bereits heute spezialisierte Suchdienste. Diese beraten im Bereich der rechtlichen Situation, arbeiten mit den zuständigen Fachinstanzen der Kantone zusammen und informieren über die Persönlichkeitsrechte der biologischen Eltern. Personensuchdienste bieten zum Beispiel das Rote Kreuz, die Heilsarmee, der Internationale Sozialdienst, die Stiftung Terre des hommes, der Verein Espace Adoption und die PACH - Pflege- und Adoptivkinder Schweiz an. Letztere hilft Suchenden mit Geburtsort Schweiz, ihre leiblichen Angehörigen zu finden und vermittelt auf Wunsch zwischen den Betroffenen. Ergänzend begleiten sie die Betroffenen in ihrem Prozess, auch dann, wenn es zu einer Kontaktablehnung kommt.

Kinder, die im Ausland zur Welt gekommen sind, können sich etwa an die Schweizerische Stiftung des internationalen Sozialdienstes SSI wenden. Die SSI berät Interessierte über das rechtliche und praktische Vorgehen im In- und Ausland und verfügt über ein eigenes Informations- und Dokumentationszentrum zum Thema internationale Adoption und Kinder ohne Angehörige. Nach Absprache mit den Beteiligten können sie helfen, den rechtlichen Kontext zu erklären und einen ersten Kontakt herzustellen. Auch die SSI bietet eine weiterführende persönliche Begleitung an.

Adoptionsgeheimnis

Das Gesetz hält Möglichkeiten und Grenzen der Herkunftssuche für adoptierte Kinder fest. Wie steht es um die Rechte der biologischen Eltern und wie unantastbar soll das Adoptionsgeheimnis bleiben? Am 29. November 2013 schickte der Bundesrat die Revision des Adoptionsrechts in die Vernehmlassung. In der Medienmitteilung vom 29.11.2013 steht geschrieben: "Weiter soll das Adoptionsgeheimnis für leibliche Eltern, die Informationen über das zur Adoption freigegebene Kind erhalten möchten oder dieses Kind suchen, gelockert werden. Die Personalien des adoptierten Kindes sollen künftig den leiblichen Eltern bekannt gegeben werden dürfen, sofern das volljährige Kind der Bekanntgabe zustimmt. Demgegenüber steht dem adoptierten Kind heute schon ein absoluter Anspruch auf Kenntnis seiner Abstammung zu, ohne dass die leiblichen Eltern der Bekanntgabe der Informationen vorgängig zustimmen müssen. Wenn der Kontakt zu den gesuchten Personen – den leiblichen Eltern oder dem einst zur Adoption freigegebene Kind – nicht einfach hergestellt werden kann, können spezialisierte Personensuchdienste damit beauftragt werden."

Eine Revision des Adoptionsrechts würde eine Änderung des Zivilgesetzbuches und anderer Erlasse erwirken. Der erläuternde Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuches und die Vorschläge der Rechtssätze liegen bereits vor. In der Einleitung zum Bericht steht: "(….)So sollen die leiblichen Eltern Auskunft über die Identität des volljährigen Kindes erhalten, sofern dieses zugestimmt hat. Schliesslich soll ihnen unabhängig vom Alter des Kindes und auch ohne dessen Zustimmung ein Anspruch auf Kenntnisgabe nichtidentifizierender Informationen über das Adoptionsverhältnis eingeräumt werden, sofern dadurch die Interessen des Kindes nicht verletzt werden. Der gleiche Anspruch soll umgekehrt auch dem minderjährigen Kind im Hinblick auf seine leiblichen Eltern eingeräumt werden."

Familienleben

Wenn das Adoptivkind nach den leiblichen Eltern sucht

Wenn ein Kind zur Adoption freigegeben wird, bricht der Kontakt zu den leiblichen Eltern in der Regel ab. Einige Vermittlungsstellen bieten aber einen anonymen Briefverkehr an, bei dem die Mütter in unregelmässigen Abständen schreiben können. Aus den Adoptionserfahrungen der letzten Jahrzehnte hat man gelernt, dass die kulturellen und sozialen Wurzeln des Kindes nie verschwinden werden. 

EJPD

Stiefkindadoption soll künftig nicht mehr nur für Ehepaare möglich sein

Der Bundesrat will die Stiefkindadoption einem weiteren Kreis von Paaren öffnen: In Zukunft soll diese Möglichkeit nicht nur Ehepaaren, sondern auch Paaren in einer eingetragenen Partnerschaft oder – als Variante – zusätzlich Paaren in einer faktischen Lebensgemeinschaft offenstehen. Zudem stellt der Bundesrat eine Lockerung der Adoptionsvoraussetzungen und des Adoptionsgeheimnisses zur Diskussion. Er hat am Freitag entsprechende Vorschläge in die Vernehmlassung geschickt.


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