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Coaching: Erfolgreich in der Arbeitsintegration

Februar 2022

Die lösungsorientierte Beratungsmethode "Coaching" findet Anklang - auch in der Sozialen Arbeit. In der Arbeitsintegration hat sich die neue Berufsbezeichnung des Job Coachs etabliert.

Coaching hat eine steile Karriere gemacht. Dabei ist der Begriff des Coachings etwas diffus geblieben. Für die Soziale Arbeit ist er vor allem von Bedeutung als spezifische Beratungsmethode. Coaching-Pionier Werner Herren zufolge handelt es sich dabei um eine «lösungsorientierte Kurzzeitberatung, bei dem ein Thema/ein Problem im Zentrum steht». Dabei baut Coaching auf Kurzzeittherapie-Konzepten von beispielsweise Paul Watzlawick oder Steve de Shazer auf. Inhaltlich geht es um persönliche Entwicklung, oft in beruflichen Kontexten.

Coaching nimmt dabei in Anspruch, durch die Orientierung an Lösungen statt Problemen und durch die Aktivierung individueller Potenziale und Ressourcen der/s Klient*in besonders effektiv zu sein. Dass dieser Ansatz für die Soziale Arbeit von Interesse ist, ist gut nachvollziehbar. Hier findet er seit einigen Jahren vor allem im Bereich der Arbeitsintegration Anwendung.

Mehr Coaches, tiefere Sozialkosten

Robert Wegener von der Fachhochschule Nordwestschweiz plädierte bereits 2016 dafür, Erwerbslosen einen Coach zur Seite zu stellen, anstatt sie in Weiterbildungsprogramme zu schicken. Die Aussage war unmissverständlich: „Roger Federer hat einen Coach – wieso haben Arbeitslose keinen?“ Der Wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut Beratung, Coaching und Sozialmanagement an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, setzte noch einen drauf: Weiterbildungsprogramme für Erwerbslose seien in vielen Fällen das Geld und die Zeit nicht wert. Dies, weil sie nicht beim eigentlichen Problem ansetzen. Viel sinnvoller sei der Einsatz eines Job Coachs – das sei am Ende auch noch wirtschaftlicher, so Wegeners Überzeugung.

Er führte dies im Artikel in der NZZ am Sonntag (Ausgabe vom 10. Juli 2016) folgendermassen aus: Wenn sich Erwerbslose beruflich integrieren wollen, müsse dies im „Einklang mit den Fähigkeiten, Neigungen, Stärken und Wünschen“ geschehen. Oft würden nämlich genau jene Menschen erwerbslos, die gar nie die Chance hatten, sich ihrem Potenzial entsprechend zu entfalten. Und dann stecke man sie erneut in einen Kurs, der diese Menschen wieder ins selbe Fahrwasser bringe. Ein teurer Kurs in Selbstmarketing, Tabellen mit Excel erstellen, Lebensläufe verfassen – das möge für einige hilfreich sein. Für andere sei das verlorene Zeit. Ein Coach hingegen gehe auf die individuellen Bedürfnisse der Klient*innen ein und helfe dabei „eine passgenaue Lösung“ zu finden.

Diese Aussagen habe er damals bewusst provokativ formuliert, um das Coaching voranzubringen, sagt Robert Wegener auf Anfrage. «Heute würde ich sagen, es braucht in gewissen Fällen zwingend Coaching, aber nicht immer. Manchmal reicht Vermittlung, manchmal reicht es, einem Stellensuchenden ein Unternehmensnetzwerk zur Verfügung zu stellen, oder auch nur den CV aufzupeppen.»

Job Coach als Beruf

«Job Coach» ist seit 2021 vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI als Berufsbezeichnung anerkannt. In der Praxis beinhaltet die Tätigkeit eine breite Palette von Tätigkeiten. Das Coaching im engeren Sinn – Zielorientierung, Aktivierung individueller Potenziale und Ressourcen  - steht dabei nicht immer im Zentrum. Je nach Klient kann es auch eher um Vermittlung von Möglichkeiten im Arbeitsmarkt oder Training der Bewerbungskompetenzen gehen.  

 

Investitionen lohnen sich

In der Praxis hat sich seit 2016 etliches getan. Immer mehr Gemeinden setzen bei der Arbeitsintegration auf Job Coaches, und zwar nicht nur grosse Städte wie Zürich, Basel und Bern. Ende 2019 teilten der Bezirk Küssnacht und die Gemeinde Arth mit, dass sie einen Job Coach anstellen werden. Dies ganz klar mit dem Ziel, Sozialhilfekosten zu senken. Dass dieses Konzept aufgeht, zeigt sich auch im zürcherischen Illnau-Effretikon, wo die Sozialbehörden seit Jahren eng mit einem Job Coach zusammenarbeiten.

Mit dem Coach zurück in die Arbeitswelt

Gerade in der Arbeitsintegration steht Coaching jedoch vor der Herausforderung, auch mit Unfreiwilligkeit professionell umzugehen. Wenn Managerinnen, Sportler oder Lehrerinnen beschliessen, die Unterstützung eines Coaches oder einer Coachin in Anspruch zu nehmen, tun sie dies meist aus freien Stücken. Anders sieht dies bei den Klient*innen aus, die von Christian Holdener und seinen Teams betreut werden. Holdener ist Leiter Aufnahme und Coaching im Kompetenzzentrum Arbeit KA in der Stadt Bern, das Jugendliche und Erwachsene bei der Integration in die Arbeitswelt unterstützt. „Die meisten, die zu uns kommen, haben gar keine Wahl.“ Es handle sich dabei um Leute aus der Sozialhilfe, die vom Sozialdienst angemeldet würden. Dies mit dem Ziel, dass diese Menschen wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können.

Ein herausforderndes Unterfangen, sind doch diese Leute meist schon mehrere Jahre weg vom Arbeitsmarkt. Für die berufliche Integration haben Holdener und sein Team jeweils 18 Monate Zeit. Die Coaches treffen die Klient*innen rund alle sechs Wochen. Die Coaches begleiten und unterstützen die Klient*innen nicht nur bei der Suche nach einer geeigneten Stelle, sondern organisieren die nötigen Fachkurse, melden sie bei Deutschkursen an und sind dabei stets im Kontakt mit dem Sozialdienst. „Es ist eine Art Mini-Case-Management, das wir hier durchführen.“

Ein Patentrezept, wie die berufliche Integration gelingen kann, gibt es gemäss Holdener denn auch nicht. Das Vorgehen sei jeweils sehr individuell. Das müsse es auch sein, sei doch auch die Klientel äusserst heterogen. „Zu uns kommen Menschen, die kaum ein Wort Deutsch sprechen und noch nie in der Schweiz gearbeitet haben, aber auch solche, die über einen Tertiärabschluss in der Schweiz verfügen.“ In jedem Fall gelte es herauszufinden, welche Fähigkeiten eine Person mitbringe. Es sei nicht sinnvoll, jemanden in einem ihm komplett fremden Bereich integrieren zu wollen.

Eine beachtliche Erfolgsquote

Der Aufwand lohnt sich: Bei rund 30 bis 40 Prozent der Klient*innen gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt. Angesichts der schwierigen Situation, in der sich viele dieser Menschen befinden, sei dies eine hohe Zahl, sagt Holdener. In der Stadt Zürich bewegen sich die Zahlen in einem ähnlichen Bereich, wie es dort auf Anfrage heisst. Ein Grossteil der Personen finden in den Bereichen Reinigung, Gastgewerbe oder Detailhandel eine Stelle, „also dort, wo eine Nachfrage nach niedrig qualifiziertem Personal besteht“. Im Kompetenzzentrum Arbeit KA betreuen derzeit 18 Coach*innen knapp 800 Dossiers. Pro Jahr gebe es ungefähr 400 Neuanmeldungen, sagt Holdener. Im Bereich Berufliche Integration heisst das, dass wer 100 Prozent arbeitet, durchschnittlich 60 Dossiers betreut. In der Sozialen Integration ist die Fallbelastung doppelt so hoch, der Gesprächsrhythmus aber deutlich tiefer.

Coaching in anderen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit

Die Arbeitsintegration ist allerdings nicht das einzige Praxisfeld der Sozialen Arbeit, in dem Coaching einen wichtigen Beitrag leisten kann. Überall, wo es darum geht, Ziele zu erreichen, kann Coaching angewendet werden. So schwebt Robert Wegener etwa eine Coaching-Begleitung von Personen vor, die aus dem Strafvollzug kommen, um mit ihnen zusammen einen nachhaltige Lebensperspektive zu entwickeln.

Wenn man sieht, wie sich Coaching in den vergangenen Jahren in der Arbeitsintegration etablieren konnte, darf man auf die weitere Entwicklung gespannt sein.


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