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Pädophilie: Bundesrat will Prävention ausbauen

Oktober 2020

Beratungs- und Therapieangebote für Menschen mit einer pädophilen Neigung sind rar. Dabei könnten sie einen wichtigen Beitrag in der Prävention von sexuellen Straftaten an Kindern leisten.

Personen mit einem sexuellen Interesse an Kindern sind in unserer Gesellschaft stark stigmatisiert. Typische Vorurteile sind, dass sie gefährlich, abnormal und amoralisch seien und dass sie ihre sexuellen Interessen selbst gewählt hätten. Die Wissenschaft geht jedoch aktuell davon aus, dass Menschen mit einer pädophilen oder hebephilen Neigung sich das nicht ausgesucht haben.

Pädophil veranlagte Personen sind Personen, die sich von Kindern mit einem vorpubertären Körper sexuell angesprochen fühlen.

Hebephil veranlagte Personen fühlen sich von Kindern und Jugendlichen sexuell angesprochen, deren Körper bereits Merkmale der Pubertät aufweisen.

Pädophilie oder Hebephilie wird als eine Störung in der sexuellen Orientierung angesehen und  ist nicht veränderbar. Aktuelle psychiatrische Klassifikationssysteme definieren sie als anhaltende oder dominierende sexuelle Präferenz für Kinder und somit als Krankheit. Sie kann nicht durch eine Therapie verändert oder umgepolt werden. Einem Teil der Betroffenen gelingt es aber, ihre sexuelle Neigung zu kontrollieren und keine sexuellen Handlungen mit Kindern zu begehen. Oftmals leiden sie aber unter ihrer sexuellen Ausrichtung. 

In der Beratung oder Therapie von Betroffenen geht es deshalb darum, sie darin zu unterstützen, ihre sexuellen Impulse zu kontrollieren. Dabei muss klar sein, dass sexuelle Übergriffe auf Kinder keinesfalls toleriert sind und einen Straftatbestand darstellen.

Pädophilie bei Frauen

Ob auch bei Frauen pädophile Neigungen vorkommen, ist zurzeit wenig erforscht. Es gibt einzelne Hinweise dafür.

Und: Nicht alle Personen, die sich wegen sexuellen Handlungen mit Kindern strafbar machen, sind automatisch auch pädophil oder hebephil. Statistiken zeigen, dass etwa 25 bis 50 Prozent der Täter diese Präferenz haben. Bei den übrigen Tätern stehen andere Motive im Vordergrund. Oft geht es um Ersatzhandlungen, um Machtmissbrauch und darum, dass Kinder leichte Opfer sind.

Gefragt sind Beratung und Behandlung

In der Schweiz gibt es erst wenige Beratungs- und Behandlungsangebote für Betroffene. Dies geht aus einem Bericht hervor, den der Bundesrat in Erfüllung der Postulate von Natalie Rickli (SVP) und Ständerat Daniel Jositsch (SP) erstellen liess. 

Beratungsangebote in der Schweiz

In der Deutschschweiz richtet sich das Forensische Institut Ostschweiz (Forio AG) unter anderem an diese Zielgruppe. Auch die Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel haben ein Therapieangebot.

In der Romandie bietet der Verein „Dis no“ Behandlungsmöglichkeiten an.

Im Tessin befindet sich das Programm „io – NO!“ im Aufbau.

Im Bericht, der im September 2020 präsentiert wurde, empfehlen die Wissenschafter*innen unter anderem, spezialisierte Beratungs- und Behandlungsangebote auszubauen. Denn diese könnten indirekt einen Beitrag in der Prävention von sexuellen Übergriffen auf Kinder leisten. Als Vorbilder nennen sie das Präventionsprogramm „Stop it Now!“, das in den USA, Grossbritannien, Irland und Holland umgesetzt wird sowie das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden" in Deutschland.

Entscheide des Bundesrates

Der Bundesrat will aufgrund der Empfehlungen Beratungs- und Behandlungsangebote in allen Sprachregionen fördern. Er hat deshalb beschlossen, den Kredit „Kinderschutz/Kinderrechte“ zu erhöhen und, subsidiär zu den Kantonen, nationale und sprachregionale Präventionsangebote maximal hälftig zu subventionieren. Zudem richtet er Finanzhilfen für eine gesamtschweizerische Koordination entsprechender Angebote aus. Weiter will er mit den Berufsverbänden von Ärzt*innen sowie Psycholog*innen das Gespräch suchen und über eine stärkere Thematisierung von pädophilen und hebephilen Neigungen in Weiter- und Fortbildungen diskutieren. Denn auch niedergelassene Psychiater*innen oder Psychotherapeut*innen könnten entsprechende Behandlungen anbieten.

Bedeutung für die Soziale Arbeit

Der Bericht des Bundesrates geht zwar nicht explizit auf Beratungsangebote der Sozialen Arbeit ein. Denkbar wäre aber, dass Fachpersonen der Sozialen Arbeit im Bereich von (anonymen) Kurzberatungen, Informationsvermittlung oder Triage Aufgaben übernehmen. Und was für Therapeut*innen gilt, gilt schliesslich auch für Fachpersonen der Sozialen Arbeit. Eine Sensibilisierung für das Thema in Weiterbildungen wäre sicher hilfreich, um mehr Sicherheit im Umgang mit diesen Klient*innen zu gewinnen.

BSV

Bericht zum Präventionsangebot für Personen mit sexuellen Interessen an Kindern

In der Schweiz bestehen Lücken beim Beratungs- und Therapieangebot für Personen mit sexuellen Interessen an Kindern. Dies hält der Bundesrat in einem Bericht fest, den er an seiner Sitzung vom 11. September 2020 verabschiedet hat.


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