Alltogether! Wie die digitale Transformation einer Suchtberatungsstelle gelang
Dieser Gastbeitrag zeigt beispielhaft auf, wie ein Weg der digitalen Transformation in sozialen Organisationen aussehen kann.
Ein spannendes Digitalisierungsprojekt durfte die Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule FHNW (HSA FHNW) mit einer Suchtberatungsstelle im Raum Basel umsetzen: Die Stiftung Blaues Kreuz/MUSUB beider Basel (BK/MUSUB) war daran interessiert, ihre Angebote hinsichtlich digitaler Möglichkeiten zu überprüfen und gegebenenfalls auszuweiten. Dabei stand sie vor gängigen Fragen, welche viele andere Organisationen beschäftigt: Was möchten wir genau? Wo fangen wir an? Können wir uns eine digitale Transformation leisten? Woher nehmen wir das benötigte Wissen? Diese und weitere Fragen wurden im Stiftungsrat im Jahr 2019 diskutiert.
Das Projekt – Schlüsselkomponenten zum Erfolg
Die HSA FHNW durfte seither die Beratungsstelle begleiten und die digitale Transformation gemeinsam mit ihr angehen. Bis im Sommer 2021 wird das Projekt abgeschlossen sein. Folgende Erfolgsfaktoren haben sich aus unserer Sicht als zentral erwiesen:
- Das Projekt wurde in zwei Teilen angegangen: in einem ersten Schritt wurde die digital-technische Infrastruktur analysiert, beurteilt und mit einer Kostenschätzung ausgestattet. So konnte der Stiftungsrat entscheiden, ob das Projekt weitergeführt wird oder im Vorfeld Investitionen in die Infrastruktur erfolgen müssen, bevor auf dieser Grundlage aufgebaut werden kann.
- Das Projektteam setzte sich aus Personen der HSA FHNW und der Stiftung BK/MUSUB zusammen, welche mittels Kommunikationsplattform den Projektverlauf dokumentierte und die Diskussionen so für alle Beteiligten transparent und aktuell hielt.
- Im zweiten Teil des Projekts wurden sogenannte «Pitches» formuliert, welche die digitalen Anliegen in Kürze festhielten. Die Pitches wurden seitens der Stiftung BK/MUSUB priorisiert und dann der Reihe nach vom Projektteam abgearbeitet. So entstand ein gutes Instrument zur Projekt- und Kostensteuerung.
- Bei der Ausrichtung der neuen digitalen Angebote wurden die neu zu erschliessenden Zielgruppen in die Angebotsentwicklung mit eingebunden. So wurde gewährleistet, dass die richtigen Angebote und die Angebote richtig konzipiert wurden.
- Seitens des Projektteams HSA FHNW war ein Software-Entwickler involviert. Damit hatte die Organisation sowohl eine kompetente Ansprechperson in digitalen Anliegen als auch eine Vermittlungsperson zwischen Fachpersonen der Sozialen Arbeit und der Informatik zur Stelle.
SARAH BESTGEN
Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, Institut Beratung, Coaching und Sozialmanagement
Dozentin, Programmleiterin MAS Sozialmanagement, Projektverantwortliche in den Bereichen Forschung und Dienstleistung, involviert in verschiedene Projekte im Kontext Digitale Transformation
Die Bestandsaufnahme der digital-technischen Infrastruktur
Zu Beginn wurde eine Inventarisierung und Analyse des technischen Standes an sämtlichen Standorten der Organisation im Detail vorgenommen. Auch die Netz-Infrastruktur wurde auf Sicherheitslücken hin geprüft. Weiter wurde die verwendete Software dokumentiert (Kern-Software sowie Utility-Software und spezifische Software für bestimmte Personengruppen).
Mit dieser Wissensgrundlage wurden Gespräche mit Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Kontexten, technischem Knowhow und Dienstalter durchgeführt. Ziel war es, ein Verständnis für die Schnittstelle Mensch-Maschine zu erhalten. Themen wie der Umgang mit Daten und Datenschutz, Optimierungspotenzial hinsichtlich Arbeitsprozessen und Priorisierung der anstehenden Aufgaben wurden gemeinsam erörtert.
Daraus liessen sich bereits erste «Pitches» (kleinere Digitalisierungsmeilensteine) ableiten. Die im Vorfeld zu tätigenden Investitionen in die digital-technische Infrastruktur wurden priorisiert. Es wurden Massnahmen auf drei Ebenen formuliert: Sofortmassnahmen (betrifft z.B. Sicherheitslücken), kurzfristige (z.B. Internetstabilität) sowie langfristige Massnahmen (z.B. Dokumentenablagestruktur). Die ungefähren Kosten und Arbeitsschritte wurden beziffert, sodass ein Entscheid zum weiteren Verlaufe des Projektes gefällt werden konnte.
Die Projektkommunikation
Das Projektteam seitens der Stiftung BK/MUSUB setzte sich aus Personen mit unterschiedlichen Funktionen innerhalb der Organisation zusammen. Dadurch waren die Kommunikationswege kürzer, Kontaktvermittlungen intern weniger häufig notwendig und die Anliegen verschiedener Personengruppen waren im Projekt präsent. Mittels der Software «Basecamp» konnte eine allseitige Kommunikation gewährleistet und der Prozess dokumentiert werden. Diese Transparenz schaffte Vertrauen, Zeitersparnis und eine Bündelung sämtlicher Vereinbarungen, Dokumente und Links.
Die «Pitches»
Mittels formulierter Anliegen konnte die Organisation diese gemeinsam priorisieren und zur Bearbeitung dem Projektteam HSA FHNW übergeben. Die ersten Arbeitspakete betraf die Aufrüstung der Infrastruktur, gefolgt von den damit verbundenen Anliegen hinsichtlich der Schnittstellen (Erkenntnisse aus den Interviews der ersten Projektphase). Der digitale Auftritt war bereits zu Beginn als ein zentrales Anliegen formuliert worden und bildete einen zentralen Pitch im Projekt. Weil für jeden Pitch eine ungefähre Aufwandseinschätzung erfolgen konnte, diente diese Form der Projektstrukturierung und –bearbeitung als effizienterWeg, um das Projekt anzugehen.
Digitaler Auftritt
Eine zentrale Herausforderung der Organisation ist die Erreichbarkeit der jüngeren Generation. Daher wurden Interviews mit der potenziellen Zielgruppe geführt und analysiert. Handlungsleitend für den digitalen Auftritt waren die aus den Interviews herausgearbeiteten Bedürfnisse der Zielgruppe, ihr digitales Verhalten und die relevanten Informationen welche die Zielgruppe benötigt, um sich für oder gegen ein Angebot zu entscheiden.
Auf dieser Grundlage wurde das Web Redesign gestaltet und Überlegungen zum künftigen Social Media-Auftritt erörtert und dokumentiert. Gleichsam wurde auf die Corporate Identity der Organisation Rücksicht genommen und darauf geachtet, dass die bestehenden Zielgruppen den Wiedererkennungseffekt beim Internetauftritt erleben.
Einbezug eines Software-Entwicklers
In digitalen Transformationsprozessen hat das Zusammenspiel zwischen Fachpersonen der Informatik und der Sozialen Arbeit eine wichtige Bedeutung. Das gegenseitige Verständnis kann eine Herausforderung darstellen. Durch den Einbezug eines Software-Entwicklers im Projekt waren die Kompetenzen hinsichtlich Technik und Informatik abgedeckt. Es konnte jeweils nach der einfachsten tragfähigen Lösung gesucht werden unter Einbezug der individuellen Bedürfnisse von Mitarbeitenden der Organisation und der Klientel. Einen weiteren wichtigen Aspekt bildet aber auch die Kommunikation zwischen bestehenden Stakeholdern. Soziale Organisationen sind in der Regel bereits in eine Infrastruktur eingebettet, welche die benötigten Dienstleistungen abdeckt. Es kann hilfreich und verständnisstiftend sein, wenn jemand mit beidseitigem Verständnis als Vermittlungsperson agiert, insbesondere in Transformationsprozessen. Am Ende ist unerlässlich, dass alle dasselbe Ziel vor Augen haben und verfolgen.
Fazit
Die digitale Transformation ist ein Anliegen zahlreicher sozialen Organisationen, wie auch die in Kooperation mit sozialinfo.ch durchgeführte Bestandsaufnahme der digitalen Transformation in der Deutschschweiz zeigt. Die COVID-19-Pandemie dürfte dieses Anliegen allenfalls verstärkt haben. Die digitale Transformation der Stiftung BK/MUSUB ist ein Beispiel, wie diese erfolgreich gelingen kann. Die hier aufgezeigten Learnings könnten richtungsweisend für künftige Vorhaben dieser Art sein.
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