Qualifikationsanforderungen im Sozialwesen
Neunter Monitor des Stellenmarktes im Sozialwesen der Schweiz
Über die Qualifikationsanforderungen im Sozialwesen wird zurzeit viel diskutiert. Der Berufsverband AvenirSocial hat die Kampagne «Eine Ausbildung bürgt für Qualität» gestartet. Auch die Laufbahn- und Fachkräftestudien von SAVOIRSOCIAL haben sich mit dem Thema Ausbildungen im Sozialwesen beschäftigt.
Die Auswertung der Stelleninserate, die auf dem Stellenportal von sozialinfo.ch ausgeschrieben werden, liefert Antworten auf die Frage, welche Ausbildungsabschlüsse Stellensuchende im Sozialwesen mindestens mitbringen müssen. Insbesondere die Entwicklung der Qualifikationsanforderungen über die Jahre hinweg zeigt spannende Ergebnisse (siehe Grafik 1): Der Anteil Stelleninserate, in denen eine höhere Berufsbildung (zum Beispiel Sozialpädagogik HF, Kindererziehung HF) verlangt wird, macht zwar nach wie vor mit Abstand den grössten Teil aus, ist jedoch seit 2011 gesunken. Auch der Anteil geforderter Hochschulabschlüsse (zum Beispiel Soziale Arbeit FH) hat abgenommen. Angestiegen ist hingegen der Anteil ausgeschriebener Stellen, die eine berufliche Grundbildung (zum Beispiel Fachperson Betreuung EFZ) erfordern. Laut Barbara Beringer, Geschäftsführerin von sozialinfo.ch, sind diese Entwicklungen hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass sich die Ausbildungen im Sozialbereich in den letzten Jahren stark verändert haben. Véréna Keller, Vizepräsidentin von AvenirSocial, teilt diese Einschätzung: Die berufliche Grundbildung im Bereich Soziale Arbeit existiert erst seit etwa zehn Jahren und die Nachfrage nach Personen mit einer solchen Ausbildung sei seither rasant gestiegen. Da die beruflichen Grundausbildungen zu einem grossen Teil in den Organisationen stattfinden, versprechen sie eine weitgehende Passung zwischen der Ausbildung und den Anforderungen am Arbeitsplatz. Ein weiterer Grund für die Veränderungen könnte laut Keller jedoch auch bei den finanziellen Rahmenbedingungen zu finden sein: «In Zeiten von Spardruck sind zahlreiche Betriebe versucht, bei den Löhnen zu sparen und deshalb weniger Personal mit tertiärer Ausbildung anzustellen». Monika Weder, Präsidentin von SAVOIRSOCIAL, sieht den Grund für diese Entwicklungen bei den Qualifikationsanforderungen vor allem im Wachstum einzelner Bereiche der Sozialen Arbeit. Sie stellt fest, dass in den letzten Jahren beispielsweise die Anzahl Kindertagesstätten in der Deutschschweiz stark gestiegen ist: «In diesen bestehen die Teams zum grossen Teil aus Fachfrauen und Fachmännern Betreuung, was zu einem Teil erklärt, weshalb die Anzahl Stelleninserate, in denen eine berufliche Grundbildung verlangt wird, zugenommen hat.»
Arbeitsfelder
Die 6643 Stelleninserate, die im Jahr 2018 auf sozialinfo.ch ausgeschrieben wurden, gewähren einen Einblick in Unterschiede, die zwischen verschiedenen Arbeitsfeldern hinsichtlich der Qualifikationsanforderungen bestehen. So zeigen sie beispielsweise, dass sich die vier Arbeitsfelder mit den meisten Stelleninseraten (Erziehung/Bildung, Sozialhilfe, Jugendarbeit und Behindertenarbeit) stark in ihren Qualifikationsanforderungen unterscheiden (siehe Grafik 2). Während bei der Hälfte der Inserate aus dem Arbeitsfeld der Sozialhilfe ein Hochschulabschluss verlangt wird, trifft dies lediglich auf 16 Prozent der Inserate aus dem Feld Erziehung/Bildung, 21 Prozent der Inserate der Jugendarbeit und 7 Prozent derjenigen der Behindertenarbeit zu. Bei der Erziehung/Bildung und der Jugendarbeit stellen Inserate, in denen eine höhere Berufsbildung gefordert wird, den grössten Anteil dar. In der Behindertenarbeit sind es Stellen, die durch Personen mit einer beruflichen Grundbildung besetzt werden können.
Kaderstellen
Die Analysen der Stelleninserate zeigen weiter, dass es in den Arbeitsfeldern Erziehung/Bildung und Behindertenarbeit auch für Kaderstellen meist genügt, einen Abschluss einer höheren Berufsbildung zu besitzen – im Gegensatz zum Arbeitsfeld der Sozialhilfe, wo mit Abstand am häufigsten ein Hochschulabschluss verlangt wird. Monika Weder erklärt diesen Unterschied damit, dass es im Arbeitsfeld Erziehung/ Bildung für viele Berufe keine einschlägigen Hochschulabschlüsse gibt (zum Beispiel für die Arbeit in Kindertagesstätten und schulergänzenden Betreuungsangeboten): «Im Gegensatz dazu gibt es keinen Abschluss Sozialhilfe auf Stufe Höhere Fachschule. Wenn Arbeitgebende Kaderpersonen mit branchenspezifischer Ausbildung anstellen möchten, beschränkt sich ihre Auswahl auf HochschulabsolventInnen.»
Gruppen- und Teamleitungsstellen
Auch die Auswertung von Inseraten für Gruppen- und Teamleitungsstellen zeigt einen grossen Unterschied zwischen den Arbeitsfeldern. So haben Personen mit einer beruflichen Grundbildung in den Arbeitsfeldern Erziehung/Bildung und Behindertenarbeit gemäss den Inseraten verhältnismässig grössere Chancen auf eine Gruppen- oder Teamleitungsstelle als in der Sozialhilfe oder in der Jugendarbeit. Laut Roger Gafner, Projektkoordinator von Terre des Hommes Schweiz, genügt eine berufliche Grundbildung in den Berufsfeldern der Erziehung/Bildung und der Behindertenarbeit meist, um die Arbeit als Gruppen- beziehungsweise Teamleitung gut ausführen zu können. Häufig gebe es Mitarbeitende, die organisationsintern aufsteigen. Während Roger Gafner betont, dass Führungskompetenzen erarbeitet werden können und sich nicht unbedingt an einer höheren Ausbildung festmachen lassen, findet Véréna Keller diese Sachlage nicht unproblematisch: «Gerade im institutionellen Rahmen mit langjährigen Abhängigkeitsverhältnissen von Menschen in fragilen Lebenslagen ist eine hochstehende Ausbildung unabdingbar, um Routinen und Misshandlung vorzubeugen und die Qualität der Leistungen durch ein dynamisches Arbeitsklima zu gewährleisten.» Laut Monika Weder hängen die Qualifikationsanforderungen neben der Teamzusammensetzung und den finanziellen Rahmenbedingungen zu einem grossen Teil von den Aufgaben der Teamleitung ab. So mache es einen Unterschied, ob es sich lediglich um eine personelle oder auch um eine fachliche Leitungsposition handelt.
Passung zwischen Ausbildung und Berufsalltag
Die Laufbahnstudie von SAVOIRSOCIAL hat gezeigt, dass eine mangelhafte Passung zwischen Ausbildung und Berufsalltag mitunter ein Grund dafür sein kann, dass Personen aus dem Sozialwesen aussteigen (EHB 2018, S. 36-37). Auch dass die Nachfrage nach Personen mit einer beruflichen Grundbildung in den Inseraten gestiegen ist, zeigt, dass die Passung zwischen Ausbildung und Tätigkeit wichtig ist. Véréna Keller sieht darin jedoch auch Gefahren: Es könne vorkommen, dass bei der Ausbildung – insbesondere bei Lehren – eher die Interessen der Organisation im Vordergrund stehen als eine qualitativ hochstehende Ausbildung. Um eine «Passung» zwischen Ausbildung und Berufsalltag zu erreichen, reicht es laut Véréna Keller nicht, nur bei der Ausbildung anzusetzen und sie auf «die Praxis» auszurichten: «Tätigkeiten und Einrichtungen sind unterschiedlich, nicht immer optimal und verändern sich im Kontext neuer Problematiken und Strukturen.» Roger Gafner plädiert dafür, dass Ausbildungen und Tätigkeiten noch stärker ineinanderfliessen und sich besser ergänzen sollen: «Es würde die Position von BerufsanfängerInnen aufwerten, da bereits viel Tätigkeitserfahrung vorhanden wäre und umgekehrt wieder neue Erkenntnisse aus der Ausbildung direkt in die Institutionen fliessen würden. Eine solche, symbiotische Beziehung zwischen Alltagswissen und wissenschaftlichem Wissen käme auch den AdressatInnen zugute, was aus Sicht der Sozialen Arbeit und sozialpolitisch sehr viel Sinn macht.»
Die vollständigen Interviews sowie weitere Monitorberichte lesen Sie auf www.monitoring-sozialwesen.ch.
Literatur
EHB Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung: Abgewanderte aus dem Sozialbereich. SAVOIRSOCIAL, Olten 2018.
IWSB Institut für Wirtschaftsstudien Basel: Fachkräfte- und Bildungsbedarf für soziale Berufe in ausgewählten Arbeitsfeldern des Sozialbereichs. SAVOIRSOCIAL, Olten 2016.
Datenquelle und Grafiken: sozialinfo.ch und Hochschule für Soziale Arbeit FHNW
«Eine Ausbildung muss berufliche Mobilität ermöglichen»
Die Qualifikationsanforderungen im Sozialwesen aus Sicht des Berufsverbands AvenirSocial
AvenirSocial setzt sich als Berufsverband der Sozialen Arbeit dafür ein, dass in der Sozialen Arbeit tätige Personen eine gute Ausbildung aufweisen. Wir haben Véréna Keller, die Vizepräsidentin von AvenirSocial, nach ihren Einschätzungen zu den Qualifikationsanforderungen in Stelleninseraten des Sozialwesens gefragt.
Sarah Madörin: Weshalb haben Stelleninserate, in denen eine berufliche Grundbildung gefordert wird, seit 2011 anteilsmässig zugenommen?
Véréna Keller: Dies könnte daran liegen, dass die berufliche Grundbildung im Bereich Soziale Arbeit erst seit 2009, also erst seit kurzem besteht und schnell einen grossen Anteil der jährlich ausgestellten Diplome erreicht hat. Offensichtlich entspricht diese Ausbildung einem Bedarf in der Praxis.
Was zeichnet die beruflichen Grundbildungen im Vergleich zu den anderen Ausbildungen denn aus?
Da bei den beruflichen Grundausbildungen ein grosser Teil der Ausbildung in den Betrieben stattfindet, versprechen diese eine weitgehende Passung zwischen der Ausbildung und den Anforderungen am Arbeitsplatz. Dieser Vorteil birgt allerdings auch Gefahren. Lernende werden oft als unentbehrliche Arbeitskräfte eingesetzt, oftmals wird gar vor der Lehre ein langes Praktikum verlangt. Bei der Ausbildung von Lernenden können also eher die Interessen des Betriebs im Vordergrund stehen als eine qualitativ hochstehende Aus- und Allgemeinbildung.
VÉRÉNA KELLER
ist seit zehn Jahren Vorstandsmitglied und Vizepräsidentin des Berufsverbands Soziale Arbeit Schweiz AvenirSocial (u.a. mit Schwerpunkt Ausbildung). Sie hat ein Diplom in Sozialer Arbeit und einen Master in Erziehungswissenschaften. Sie arbeitete als Sozialarbeiterin in den Bereichen Schulsozialarbeit, Behinderungen und Sozialhilfe und war Professorin an der Fachhochschule für Soziale Arbeit Lausanne.
Was für eine Rolle spielen die finanziellen Rahmenbedingungen bei diesen Entwicklungen?
Diese haben mit Sicherheit auch einen Einfluss: Die Löhne von Angestellten mit Grundausbildung sind tiefer als die Löhne derjenigen mit tertiärer Ausbildung. In Zeiten von Spardruck sind zahlreiche Betriebe versucht, bei den Löhnen zu sparen und deshalb weniger Personal mit tertiärer Ausbildung anzustellen. Damit sparen sie bei der Qualität der Leistungen. AvenirSocial bedauert dies sehr. Das Problem ist nicht nur die Konkurrenz zwischen Ausbildungsniveaus, sondern – viel gravierender – die Tatsache, dass nur die Hälfte aller Fachpersonen, die in einem Beruf der Sozialen Arbeit tätig sind, über eine Ausbildung in Sozialer Arbeit verfügt.
Aus diesem Grund hat AvenirSocial letztes Jahr eine Kampagne gestartet.
Genau. AvenirSocial fordert in der Kampagne „Eine Ausbildung bürgt für Qualität“, dass hundert Prozent aller in der Sozialen Arbeit Tätigen eine Ausbildung in diesem Bereich haben. Menschen, die sich an die Soziale Arbeit wenden, müssen auf hochwertige, verlässliche Leistungen zählen können. Fachpersonen der Sozialen Arbeit erbringen eine anspruchsvolle Arbeit und brauchen das entsprechende Wissen und Können dazu.
Weshalb werden in Kader- und Leitungsstellen der Arbeitsfelder Erziehung/Bildung und Behindertenarbeit so wenige Hochschulabschlüsse gefordert?
Es wäre interessant, die Frage an die Einrichtungen weiterzugeben. Die Angaben aus dem Stellenmonitor erlauben uns kaum, seriöse Hypothesen zu diskutieren, und wir kennen keine Untersuchung zu der Frage. Es könnte mit den Hochschulabschlüssen zu tun haben bzw. mit den Vorstellungen darüber, was ein Hochschulabschluss beinhaltet: zu viel Theorie, zu starke Akademisierung, wird oft moniert. Es ist aber auch möglich, dass in den genannten Bereichen Leitungsstellen eher intern besetzt werden, also dem Ausbildungsstand des Personals entsprochen wird. Konkrete Erfahrung und direkte Betriebskenntnis würden priorisiert. Wir können uns vorstellen, dass neuere Erkenntnisse so weniger in den Betrieb gelangen und Evaluationen und Innovationen vielleicht weniger gefördert werden.
Für Gruppen- und Teamleitungsstellen reicht gemäss den Stelleninseraten in den Arbeitsfeldern Erziehung/Bildung und Behindertenarbeit häufig eine berufliche Grundbildung. Weshalb ist das so?
Die Arbeitsfelder Erziehung/Bildung und Behinderung blicken auf eine lange Institutionsgeschichte zurück. Professionelle Soziale Arbeit, in diesem Fall Sozialpädagogik, hielt relativ spät Einzug. Der Anteil an praktischer Arbeit – Wohnen, Essen, Schlafen, Hygiene – ist im Vergleich zum Sozialdienst und der offenen Jugendarbeit hoch. Es mag die Vorstellung weiterbestehen, dass solche Arbeiten keine besondere Ausbildung bedingen. Dies kritisiert AvenirSocial. Gerade im institutionellen Rahmen mit langjährigen Abhängigkeitsverhältnissen von Menschen in fragilen Lebenslagen ist eine hochstehende Ausbildung unabdingbar, um Routinen und Misshandlung vorzubeugen und die Qualität der Leistungen durch ein dynamisches Arbeitsklima zu gewährleisten.
Was ist Ihrer Ansicht nach wichtig, um beim Personal eine gute Passung zwischen Ausbildungund Tätigkeit zu erreichen?
«Passung» bedingt einen Prozess auf zwei Seiten. Man kann nicht nur bei der Ausbildung ansetzen und sie auf «die Praxis» ausrichten. Tätigkeiten und Einrichtungen sind unterschiedlich, nicht immer optimal und verändern sich im Kontext neuer Problematiken und Strukturen. Deswegen ist der Anspruch einer «Passung» auch problematisch. Was in einer Einrichtung passt, passt vielleicht in einer anderen weniger oder es passt in zwei Jahren nicht mehr. Eine Ausbildung muss die Basis legen für Weiterbildungen und Spezialisierung, sie muss berufliche Mobilität ermöglichen. Vielleicht wäre es sinnvoller, statt Passung Lern- oder Denkfähigkeit anzustreben: Die Fähigkeit, Situationen und Resultate im Kontext sich schnell verändernder Abläufe zu analysieren. Sowohl Arbeitsabläufe als auch Ausbildungen müssen immer wieder evaluiert, analysiert und diskutiert werden – und zwar von allen Akteurinnen und Akteuren. Ein interner Tunnelblick schadet immer. Auf der anderen Seite geht es hier aber auch um eine Grundsatzfrage: Unserer Ansicht nach sollte es nicht darum gehen, Leute gemäss den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts auszubilden, sondern darum, dass sie ihre Fähigkeiten, Interessen und ihr Wissen entwickeln können.
Auf was sollten Organisationen im Sozialwesen bei den Qualifikationsanforderungen achten, um eine gute Teamzusammensetzung zu erzielen?
Wie schon erwähnt, sind klare Pflichtenhefte notwendig, wenn verschiedene Qualifikationen in einem Team zusammenkommen. Als Berufsverband wünschen wir den jeweils höchstmöglichen Abschluss entsprechend der auszuführenden Tätigkeit. Auch die Weiter- und Nachholbildung muss gerade im Bereich Soziale Arbeit mit ihrem derart hohen Anteil von Nichtausgebildeten entschieden gefördert werden. Die Investition in Bildung lohnt sich für die Einrichtungen. Es ist nicht mehr zeitgemäss, Personal ohne entsprechende Ausbildung anzustellen. Eine qualifizierte Team- und Einrichtungsleitung sowie Zeit für gut geführte Teamsitzungen und strukturierte Supervision sind weitere zentrale Kriterien für die Qualität der Leistungen und befriedigendes Arbeiten.
Liesse sich Ihrer Ansicht nach etwas am Ausbildungssystem für soziale Berufe verbessern?
Gewiss könnte man einiges am Ausbildungssystem verbessern. Dafür bräuchte es jedoch eine umfassende Analyse der Vorzüge und Grenzen des Ausbildungssystems, und das ist eine komplexe Angelegenheit: Woran würde man messen, ob die Ausbildungen «gut» oder «richtig» sind? Wie oben dargelegt, darf der Massstab dafür nicht unbedingt «die gängige Praxis» sein – diese ist nicht immer optimal, sie ist vielfältig, im Wandel, und auch sie ist enorm schwierig zu erfassen. Das heutige Ausbildungssystem für Berufe der Sozialen Arbeit ist noch sehr jung. Es wurde in den 1990-er Jahren aufgebaut. Das letzte der neuen Diplome besteht erst seit 2012 (Berufsattest). So hat das neue System seine Wirkung noch nicht voll entfaltet. Das heutige Ausbildungssystem bietet aus unserer Sicht wesentliche Fortschritte verglichen mit der Situation vor der Reform: die Ausbildungsgänge sind standardisiert, was die wichtigste Bedingung für ihre Anerkennung ist; das System ist durchlässig: jeder Abschluss ermöglicht den Zugang zu einer nächsten Ausbildungsstufe; Bildungsnachweise und Erfahrung aus andern Bereichen werden in einer neuen Ausbildung angerechnet; berufsbegleitende Ausbildungen sind weiterhin möglich.
Nun fordert AvenirSocial, dass diese Elemente voll genutzt werden. Es gibt heute keinen valablen Grund mehr, in der Sozialen Arbeit Personen ohne spezifische Ausbildung anzustellen und solchen, die ohne Diplom tätig sind, keine entsprechende Ausbildung zu ermöglichen. Es braucht dazu nicht zuletzt substantielle Verbesserungen des Stipendienwesens – vielen Personen bleibt der Zugang zur Bildung verschlossen, weil sie sie nicht finanzieren können.
weitere Interviews
Monika Weder ist Leiterin Geschäftsbereich Bildung und Mitglied der Geschäftsleitung von CURAVIVA (Verband Heime und Institutionen) Schweiz. Zudem ist sie Vorstandsmitglied von SAVOIRSOCIAL. Als Dachorganisation der Arbeitswelt Soziales setzt sich SAVOIRSOCIAL für die Weiterentwicklung und Qualität der Berufsbildung im Sozialbereich ein. Unter anderem engagiert sie sich dafür, dass in den sozialen Berufen genügend Fachkräfte ausgebildet werden.
Sarah Madörin: Weshalb haben Stelleninserate, in denen eine berufliche Grundbildung gefordert wird, seit 2011 zugenommen, während die anderen anteilsmässig zurückgegangen sind?
Monika Weder: Für Veränderungen bei der Nachfrage nach Fachkräften beziehungsweise deren Qualifikationsniveaus gibt es ganz verschiedene Gründe. Die Zahlen des Stellenmonitors beziehen sich ja auf Stellenausschreibungen, womit sich allgemeine Tendenzen der Branchenentwicklung nicht erklären lassen. Dazu müsste man auch Variablen wie die Entwicklung der Anzahl Betriebe, Aufträge und Dienstleistungen mit einbeziehen. So ist in den letzten Jahren beispielsweise die Anzahl Kindertagesstätten in der Deutschschweiz stark gestiegen. In diesen bestehen die Teams zum grossen Teil aus Fachfrauen und Fachmännern Betreuung, was zu einem Teil erklärt, weshalb die Anzahl Stelleninserate, in denen eine berufliche Grundbildung verlangt wird, zugenommen hat. Das bedeutet jedoch nicht, dass im Sozialwesen generell weniger AkademikerInnen angestellt werden. Entsprechende Analysen würden sich für alle Bereichen lohnen.
Weshalb werden in Kader- und Leitungsstellen der Arbeitsfelder Erziehung/Bildung und Behindertenarbeit so wenige Hochschulabschlüsse gefordert?
Für die Arbeit in den Kindertagesstätten und den schulergänzenden Betreuungsangeboten gibt es beispielsweise keinen einschlägigen Hochschulabschluss; die Ausbildung KindererzieherIn der Höheren Fachschule ist der höchste bereichsspezifische Abschluss. Die Arbeitgebenden in Behinderteninstitutionen können wiederum aufgrund der Anforderungen entscheiden, ob sie einen Abschluss der Höheren Fachschule oder einer Hochschule verlangen.
Ganz im Gegensatz dazu gibt es keinen Abschluss Sozialhilfe auf Stufe Höhere Fachschule. Das bedeutet: Wenn Arbeitgebende Kader- und Leitungspersonen mit branchenspezifischer Ausbildung anstellen möchten, beschränkt sich ihre Auswahl auf HochschulabsolventInnen des Bereichs Soziale Arbeit.
Für Gruppen- und Teamleitungsstellen reicht in den Arbeitsfeldern Erziehung/Bildung und Behindertenarbeit häufig eine berufliche Grundbildung. Weshalb ist das so?
Auch hier muss beachtet werden, dass es in einigen Bereichen keine einschlägige berufliche Grundbildung gibt, in anderen jedoch schon. Zudem stellt sich die Frage, wie die Aufgaben der Teamleitung aussehen, also ob es sich lediglich um eine personelle oder auch um eine fachliche Leitungsposition handelt. Die Teamzusammensetzung und die finanziellen Rahmenbedingungen können ebenfalls ausschlaggebend sein.
Nicht zu vernachlässigen sind zudem regionale Traditionen: So gibt es beispielsweise in der Deutschschweiz nur wenige ausgebildete KindererzieherInnen HF - ganz im Gegensatz zur Romandie, wo der Grossteil der ausgebildeten Mitarbeitenden eine Ausbildung auf Tertiärstufe absolviert hat.
Was ist Ihrer Ansicht nach wichtig, um beim Personal eine gute Passung zwischen Ausbildung und Tätigkeit zu erreichen?
Sowohl Unterforderung als auch Überforderung sind gleichermassen zu vermeiden, da sie zu Unzufriedenheit von Seiten der Arbeitnehmenden sowie der Arbeitgebenden führen. Es braucht eine sorgfältige Analyse von Aufgaben und Anforderungen und dann einen Vergleich mit den Ausbildungen. Im sozialen Bereich reicht dies jedoch nicht, sehr wichtig ist auch eine gute Übereinstimmung in Bezug auf Haltungen und Werte, die in den Institutionen vertreten und in den Ausbildungen gelehrt werden.
Auf was sollten Organisationen im Sozialwesen bei den Qualifikationsanforderungen achten, um eine gute Teamzusammensetzung zu erzielen?
In einer idealen Welt könnten Arbeitgebende aufgrund der Zielgruppen und ihrer Dienstleistungen die Zusammensetzung und das Ausbildungsniveau ihrer Mitarbeitenden bestimmen. Dazu wäre es notwendig, dass sie die Qualifikationsprofile der Berufe kennen und frei in der Entscheidung wären, welche Anforderungsprofile sie definieren. Letzteres ist je nach Aufgabengebiet mehr oder weniger möglich: Grenzen setzen insbesondere Vorgaben von Behörden zum Stellenschlüssel und finanzielle Rahmenbedingungen.
Was für eine Rolle könnte die Fluktuation Ihrer Ansicht nach bei unseren Ergebnissen spielen? Mehr Stelleninserate mit einer bestimmten Qualifikationsanforderung in einem Arbeitsfeld/bei einer Funktion müssen ja nicht zwingend heissen, dass es mehr dieser Stellen gibt, sondern könnten auch auf eine höhere Fluktuation in diesem Arbeits- und Qualifikationsbereich hinweisen.
Die steigende Zahl an Stellenausschreibungen im Sozialwesen weist meiner Ansicht nach nicht unbedingt auf eine hohe Fluktuation hin, sondern hängt zu einem grossen Teil damit zusammen, dass der Sozialbereich tatsächlich wächst. Wie alle Branchen ist jedoch auch der Sozialbereich angehalten, genau hinzuschauen und zu analysieren, ob es auch mehr Stelleninserate aufgrund hoher Fluktuation gibt und dann gegebenenfalls Massnahmen zur Verbesserung einzuleiten. So zeigte sich in der Fachkräfte- und Laufbahnstudie von SAVOIRSOCIAL beispielsweise bei SozialpädagogInnen in Behinderteninstitutionen der Deutschschweiz eine höhere Fluktuation als in anderen Arbeitsfeldern.
Liesse sich Ihrer Ansicht nach etwas am Ausbildungssystem für soziale Berufe verbessern?
Ja, das ist eine wichtige Frage. Die Fachkräftestudie von SAVOIRSOCIAL zeigt, dass einige Anstrengungen unternommen werden müssten, damit auch künftig genügend Fachpersonal für die Branche ausgebildet wird.1 SAVOIRSOCIAL hat verschiedene Handlungsfelder identifiziert, wie etwa die Verbesserung des direkten Zugangs zur beruflichen Grundbildung, Berufsmarketing für alle Ausbildungsniveaus und bei Bedarf Entwicklung von neuen Abschlüssen, die attraktive Laufbahnen ermöglichen.
Unbedingt verbessert werden muss die Ausbildungsfinanzierung der höheren Fachschulen im Sozialbereich: Gemäss der interkantonalen Vereinbarung über Beiträge an die Bildungsgänge der höheren Fachschulen (HFSV) liegen diese zurzeit zwischen 50 und 90 Prozent. Im Vergleich zu den Beiträgen an Hochschlussabschlüsse fallen diese deutlich tiefer aus. Alle zwei Jahre werden die Ansätze neu diskutiert. Tiefe Beträge stellen die Betriebe und die Studierenden vor grössere Probleme und werden zu geringen Absolvierendenzahlen führen.
1 https://savoirsocial.ch/de/projekte/abgeschlossene-projekte#accordeon/fachkraftestudie
Roger Gafner ist als Projektkoordinator bei terre des hommes schweiz in Basel tätig. Er engagiert sich im Pilotprojekt «Freiform», der neuen Studienform der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW. An mindestens 2 Tagen in der Woche ist er zu Hause für die Kinderbetreuung zuständig.
Sarah Madörin: Weshalb haben Stelleninserate, in denen eine berufliche Grundbildung gefordert wird, seit 2011 zugenommen, während die anderen anteilsmässig zurückgegangen sind?
Roger Gafner: Ich denke, dass dies zwei Gründe haben könnte: Erstens sind viele Institutionen in der Sozialen Arbeit auf öffentliche Gelder (die zum Teil sogar gesetzlich limitiert sind) oder private GeldgeberInnen angewiesen. Da jeweils ein Jahresbudget eingehalten werden muss, birgt dies die Gefahr, dass im Rahmen einer kurzsichtigen Planung bei den Personalkosten gespart wird. Das sagt aber nichts darüber aus, wie sich eine Institution in den nächsten fünf Jahren entwickeln will und kann.
Zweitens nehmen die Arbeitsbelastung und die damit einhergehende Fluktuation in der Sozialen Arbeit auf Grund von finanzieller und zeitlicher Knappheit stetig zu. Dadurch wird der Fokus in den Institutionen immer mehr auf die Erledigung der alltäglichen Arbeiten und weniger auf die Betreuung der AdressatInnen gelegt. Ich kann mir vorstellen, dass deswegen die Eintrittsschwelle für Berufe in der Sozialen Arbeit niedriger wird. Darunter leidet jedoch die Qualität der Arbeit. Wenn viele in der Sozialen Arbeit Tätigen weniger Zeit für die Betreuung der AdressatInnen haben, verbleiben diese länger in Betreuungssituationen, da keine Langzeitverbesserung erreicht wird. Hier wären politische Entscheide und grundsätzliche Überlegungen darüber nötig, wie wir das gesamte System verbessern könnten.
Weshalb werden in Kader- und Leitungsstellen der Arbeitsfelder Erziehung/Bildung und Behindertenarbeit so wenige Hochschulabschlüsse gefordert?
Es könnte damit zusammenhängen, dass in diesen Arbeitsfeldern die Arbeitszeiten teilweise sehr belastend sind, der Arbeitsaufwand hoch, und die psychische und physische Belastung der Angestellten höher ist als beispielsweise in einem Sozialdienst. Wie in vielen anderen Arbeitsbereichen, ist dies dann aber nicht im Lohn abgebildet. Ich vermute also, dass es in diesen Arbeitsfeldern wiederum schwieriger ist, gut ausgebildetes Personal für Leitungsstellen zu finden. Und um diese aus den eigenen Reihen rekrutieren zu können, bräuchte es neue Wege, wie bereits Angestellte Weiterbildungen oder ein Studium neben der Arbeit absolvieren könnten und dies auch finanzierbar bleibt.
Für Gruppen- und Teamleitungsstellen reicht in den Arbeitsfeldern Erziehung/Bildung und Behindertenarbeit häufig eine berufliche Grundbildung. Weshalb ist das so?
In der Regel reichen diese Ausbildungen aus, um die Arbeit gut ausführen zu können. Ebenso gibt es oft interne Aufstiege, die es Mitarbeitenden ermöglicht, eine Leitungsposition zu besetzen. Meiner Meinung nach hängt die Qualität der Arbeit nicht nur von der Ausbildung einer Person ab, sondern zu einem grossen Teil von deren Persönlichkeit. In einer Ausbildung, egal auf welcher Stufe, werden nur Werkzeuge erarbeitet, die in falschen Händen wertlos sein können. Führungserfahrung kann man sich erarbeiten. Und Hierarchiestufen sollten, gemäss neuen Modellen von modernen Zusammenarbeitsformen, sowieso aufgelöst oder überdenkt werden. So macht es Sinn, dass alle ihre Expertise einbringen. Und wenn jemand mit einer Grundausbildung sehr gut andere Fachkräfte führen kann, macht es doch Sinn, dass diese Person die Teamleitung übernimmt.
Was ist Ihrer Ansicht nach wichtig, um beim Personal eine gute Passung zwischen Ausbildung und Tätigkeit zu erreichen?
Ich denke, es sollte sich noch mehr dahin entwickeln, dass die Tätigkeiten nicht von den Ausbildungen getrennt sind, sondern stärker ineinanderfliessen und sich besser ergänzen. Es würde die Position von BerufsanfängerInnen aufwerten, da bereits viel Tätigkeitserfahrung vorhanden wäre und umgekehrt wieder neue Erkenntnisse aus der Ausbildung direkt in die Institutionen fliessen würden. Alltagswissen und wissenschaftliches Wissen würden so zu einer Symbiose im Dienste der AdressatInnen, was aus Sicht der Sozialen Arbeit und sozialpolitisch sehr viel Sinn macht.
Auf was sollten Organisationen im Sozialwesen bei den Qualifikationsanforderungen achten, um eine gute Teamzusammensetzung zu erzielen?
Es kann Sinn machen, dass verschieden ausgebildete Personen in einem Team zusammenarbeiten und autonome Entscheidungen treffen können. Natürlich immer im Sinne der Ziele der Institution oder der sozialen Arbeit. Die Qualifikation sollte dabei nicht an erster Stelle stehen, sondern ob und wie das Team gut funktionieren kann. Qualifikationen sagen oft nur etwas darüber aus, dass die Person die Anforderungen in einem bestimmten Kontext erfüllen konnte. Es sagt aber noch nicht viel über die Qualität der Personen im Tätigkeitsfeld aus.
Was für eine Rolle könnte die Fluktuation Ihrer Ansicht nach bei unseren Ergebnissen spielen? Mehr Stelleninserate mit einer bestimmten Qualifikationsanforderung in einem Arbeitsfeld/bei einer Funktion müssen ja nicht zwingend heissen, dass es mehr dieser Stellen gibt, sondern könnten auch auf eine höhere Fluktuation in diesem Arbeits- und Qualifikationsbereich hinweisen.
Die Interpretation, dass es sich um eine höhere Fluktuation handelt, könnte stimmen. Ich denke, die Anzahl der Stellen in gewissen Bereichen ist relativ konstant beziehungsweise wird aufgrund des Spardrucks sicherlich nicht ausgebaut. Stellen mit bestimmten Qualifikationsanforderungen können zum Teil interessant sein auf dem Weg in eine «gefestigtere» Anstellung oder sind interessanter für den aktuellen Lebenswandel. Diese Stellen weisen demnach eine höhere Fluktuation auf, weil sie vielleicht anspruchsvoller sind, was die Zeitressourcen betrifft und die Belastbarkeit der Angestellten fordert. Ich denke, dass heutzutage die Arbeitsstelle eher zum Leben passen muss als dass man sein Leben nach der Anstellung ausrichtet.
Liesse sich Ihrer Ansicht nach etwas am Ausbildungssystem für soziale Berufe verbessern?
Wenn das System durchlässiger würde und die Wissensmacht nicht bei einigen wenigen liegen würde, könnte ein echter Dialog zwischen allen AktuerInnen in den sozialen Berufen stattfinden. Dann ist es vielleicht nicht mehr so wichtig, welche Ausbildung die jeweiligen Personen haben, sondern was für eine Expertise sie mitbringen. Wenn die Ausbildungen offener gestaltet werden, würden sich die Identifizierung und die Teilhabe daran merklich erhöhen. Wenn also nicht nur nach Bewertung und Noten gesucht würde, sondern nach echten Lösungen im sozialen Bereich, könnten sich Innovation und Fortschritt Bahn brechen. Diese braucht es, damit nicht politische Gremien über die Entwicklung bestimmen, sondern Fachpersonen im Diskurs aktiv Änderungen bewirken können.
Barbara Beringer ist Sozialarbeiterin FH und Web Projekt Managerin. Sie ist Initiantin und Geschäftsführerin des Vereins sozialinfo.ch.
Sarah Madörin: Weshalb haben Stelleninserate, in denen eine berufliche Grundbildung gefordert wird, seit 2011 zugenommen, während die anderen anteilsmässig zurückgegangen sind?
Barbara Beringer: Die Ausbildung im Sozialbereich hat sich in den letzten 20 Jahren stark verändert. Vor der Bologna Reform von 1999 war die Ausbildung als dipl. Sozialarbeiter/dipl. Sozialarbeiterin sehr generalistisch, beinhaltete teilweise auch die Sozialpädagogik und wurde an jeder Schule in der Schweiz unterschiedlich gelehrt. Nach der Reform hat sich die Ausbildung akademisiert und gesamtschweizerisch vereinheitlicht. Damit wurde das Bedürfnis des Sozialbereichs nach einer umfassenden Qualifizierung berücksichtigt. Ausserdem wurde daraufhin den unterschiedlichen Aufgaben im Arbeitsmarkt Rechnung getragen, die Ausbildungen segmentiert und ein Zugang zu niederschwelligeren Ausbildungen für Abgängerinnen und Abgänger der Sekundarstufe II ermöglicht. So gibt es seit 2005 die Ausbildung zum Fachmann/zur Fachfrau Betreuung EFZ und seit 2012 die zweijährige Attestausbildung Soziales.
Die Entwicklungen in unserem Stellenmarkt müssen vor diesem historischen Hintergrund betrachtet werden. Die Stelleninserate bilden die unterschiedlichen Anforderungen ab, die sich durch die Verknüpfung bestimmter Tätigkeiten mit den entsprechenden Abschlüssen ergeben. Die Abnahme in der Nachfrage nach Personen mit einem Hochschulabschluss oder einer höheren Berufsbildung und die gleichzeitige Zunahme in der beruflichen Grundbildung erkläre ich mir also mit den neu geschaffenen Ausbildungsgängen und Qualifikationen.
Weshalb werden in Kader- und Leitungsstellen der Arbeitsfelder Erziehung/Bildung und Behindertenarbeit so wenige Hochschulabschlüsse gefordert?
Die Arbeitsfelder Erziehung/Bildung wie auch die Behindertenarbeit sind viel weniger spezifisch als der Arbeitsbereich Sozialhilfe. Ein Vergleich ist schwierig.
Erstere beinhalten neben hohen fachlichen Kompetenzen auch viel Betreuungsarbeit, welche mit den differenzierten Bildungsgängen auf EFZ-Stufe gut erlernt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es gut möglich, bei entsprechender Erfahrung auch eine Kaderposition einnehmen zu können.
Für Gruppen- und Teamleitungsstellen reicht in den Arbeitsfeldern Erziehung/Bildung und Behindertenarbeit häufig eine berufliche Grundbildung. Weshalb ist das so?
In vielen Institutionen dieser beiden Arbeitsfelder ist eine handlungsorientierte Mitarbeit gefragt, welche nicht auf den akademisierten Standards anderer Arbeitsfelder aufbaut. Bei genügender Erfahrung und Qualifikation reicht in diesen Feldern somit eine berufliche Grundbildung auch für Gruppen- und Teamleitungsstellen.
Was ist Ihrer Ansicht nach wichtig, um beim Personal eine gute Passung zwischen Ausbildung und Tätigkeit zu erreichen?
Eine gute Passung wird aus meiner Sicht erreicht, wenn die Tätigkeit in der Institution der Ausbildung und den Wünschen der Mitarbeitenden entspricht. Das setzt eine gute Abstimmung zwischen einer handlungsorientierten und einer akademisierten Tätigkeit und klare Stellenprofile voraus.
Auf was sollten Organisationen im Sozialwesen bei den Qualifikationsanforderungen achten, um eine gute Teamzusammensetzung zu erzielen?
Die Frage der Teamarbeit und der Zusammenführung unterschiedlicher Kompetenzen stellt sich immer mehr; aber auch in jeder Institution unterschiedlich. Faktoren dabei sind beispielsweise ein breiter Spannungsbogen an Berufsrichtungen, an Ausbildungsstufen sowie auch bezüglich Alter und Geschlecht.
Die Sozialkompetenz spielt bei der Teamzusammensetzung eine grosse Rolle. Diese ist schwer messbar und somit auch nicht standardisierbar und macht die Rekrutierung von Personal im Allgemeinen zu einer sehr herausfordernden und intuitiven Aufgabe.
Liesse sich Ihrer Ansicht nach etwas am Ausbildungssystem für soziale Berufe verbessern?
Die Reformen in den letzten 20 Jahren waren wichtig und nötig. Das bis dahin geltende generalistische Berufsbild des „Sozialarbeiters“ war nicht mehr zeitgemäss für die hohen Anforderungen, die dieses Berufsbild beinhaltet. Ich könnte mir vorstellen, dass es in Zukunft noch mehr Spezialisierung in einzelnen Arbeitsfeldern braucht, damit gesellschaftlich und politisch auf die gesetzten Herausforderungen geantwortet werden kann.
In der fachlichen Ausbildung erachte ich im heutigen globalisierten Kontext den Austausch über die Landesgrenzen als wichtig. Das teilen von Wissen, Erfahrung und Kompetenz nimmt einen immer grösseren Stellenwert ein.
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