Marianne Dubach arbeitet mit einem Vollzeit-Pensum in der Geschäftsführung von impiega. Sie kommt ursprünglich aus der Lehrlingsausbildung und war in Leitungsfunktionen im Jugendheim, in Beschäftigungsangeboten und bei der Sozialhilfe tätig, bevor sie 2011 in die Arbeitsvermittlung eingestiegen ist. Sie hat einen MAS in Betriebswirtschaftlichem Führen von NPOs.
Dieses Interview wurde im Rahmen des elften Monitor des Stellenmarktes im Sozialwesen der Schweiz zum Thema Stellen in der Arbeitsintegration geführt.
Worauf achten Sie bei der Besetzung von Arbeitsintegrationsstellen? Welche Qualifikationen und Kompetenzen sind Ihnen bei den Bewerbenden wichtig?
Bei impiega sind wir mit der aktiven Direktvermittlung in Lohnarbeit und der Qualifizierung im ersten Arbeitsmarkt in einem speziellen Segment der Arbeitsintegration tätig. Deshalb rekrutieren wir – wenn immer möglich – Job-Coaching-Personen, die ihr Handwerk schon in einer Personalvermittlung erlernt haben oder bereits in der Personalberatung gearbeitet haben. Für uns ist Fachwissen über Vermittlung und Verleih, über GAVs, Arbeitsrecht etc. eine zentrale Voraussetzung, um den Job gut machen zu können. Die eigene Wirtschaftserfahrung erweist sich zudem als wichtiges Kriterium bei unseren Firmenkunden.
Jede personelle Neubesetzung ist eine Herausforderung, da von Seiten auftraggebender Stellen der Fokus zusätzlich auf vorhandene Erfahrungen und die Fachlichkeit in Coaching und Begleitung gelegt wird. Im optimalen Fall finden wir also Personen, die in ihrer beruflichen Laufbahn in der Arbeitsvermittlung tätig waren und eine entsprechende Weiterbildung absolviert haben (z.B. lösungsorientiertes Kurzzeitcoaching). Falls nicht beides vorhanden, muss die Coaching-Weiterbildung berufsbegleitend absolviert werden. Grundsätzlich scheinen mir eine hohe Sozialkompetenz, vertiefte Selbstreflexionsfähigkeit und hohes Engagement wichtig. Und Freude daran, in der Begleitung auch selbst aktiv zu agieren und die Verantwortung für den Prozess zu übernehmen.
In dem mit Abstand grössten Teil der Stelleninserate wird von den Bewerbenden eine berufliche Grundbildung verlangt (49 Prozent). Einen Hochschulabschluss fordern hingegen eher wenige (10 Prozent). Weshalb ist das so?
In Arbeitsprogrammen, bei denen nicht «nur» Coaching oder Beratung angeboten wird, sondern die Fördermassnahmen mit praktischen oder handwerklichen Tätigkeiten verbunden sind, sollten Fertigkeiten und Umsetzung möglichst auch von entsprechend ausgebildetem Fachpersonal vermittelt und angeleitet werden. Zumal Endkunden, welche Produkte oder Leistungen einkaufen, meist auch eine Fachkraft als Ansprechperson verlangen. Ich kann mir vorstellen, dass beispielsweise eine Velowerkstatt mit geschützten Arbeitsplätzen ohne gelernte Mechaniker*innen in der Anleitung der Teilnehmenden eher nicht so gut daherkommt.
Die Anleitungskompetenz respektive entsprechendes Wissen dazu wird oft über berufsbegleitende Weiterbildungen (z.B. in der Arbeitsagogik) erworben. Ein Hochschulabschluss ist bei vielen Tätigkeiten und Aktivitäten in der Begleitung nicht Voraussetzung. Bei Funktionen mit spezialisierteren Aufgaben, wie das begleitende Coaching, werden höhere Abschlüsse erwartet. Diese Art der Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams macht Sinn und begrüsse ich sehr.
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass in der Arbeitsintegration im Vergleich zu anderen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit verhältnismässig mehr Leitungs- und Teamleitungsstellen und weniger Fachmitarbeitsstellen ausgeschrieben werden?
Ein*e Teamleiter*in in der Werkstatt eines Arbeitsintegrationsangebotes leitet hauptsächlich Teilnehmende in Gruppen an und ist nicht unbedingt Vorgesetzte*r von Mitarbeitenden derselben Fachlichkeit, wie z.B. eine Leitungsperson in einem Sozialdienst oder einer Beratungsstelle. Öfters bieten Betriebe in der Arbeitsintegration auch eine breite Palette von Einsatzmöglichkeiten und Dienstleistungen wie Gartenpflege, Gastronomie oder Holzwerkstatt an. Sind diese noch mit einem Förder- oder Bildungsauftrag für die Teilnehmenden verbunden, werden in diesen Bereichen vermehrt Facharbeitende als Leitungspersonen des Fachteams eingesetzt.
Inwiefern unterscheidet sich in der Arbeitsintegration die Aufgabe der Leitung und Teamleitung von derjenigen der qualifizierten Mitarbeit?
Themen der Unternehmensführung und -entwicklung, die nicht mit der direkten «Klient*innenarbeit» zu tun haben, werden analog einer KMU von Leitungspositionen abgedeckt. Generell können die Kunden- und Auftragsverhältnisse dabei mit drei Anspruchsgruppen – den Teilnehmenden, den zuweisenden Stellen und den Kund*innen, die ein Produkt oder eine Dienstleistung kaufen – etwas komplexer sein.
Qualifizierte Mitarbeitende arbeiten meist selbst an einem Auftrag mit oder leiten die Teilnehmenden an.
Wie kommt es, dass der Anteil hoher Arbeitspensen (80 bis 100%) in der Arbeitsintegration grösser ist als in anderen Arbeitsfeldern?
Hier kann ich nur spekulieren: Ob in den oft handwerklichen Arbeitsfeldern der Arbeitsintegration mehr Männer arbeiten als im – eher klassisch als «Frauenberuf» besetzten – Feld der Beratung und der Betreuungsaufgaben? Ich habe leider keine Ahnung. Das ist aber eine spannende Frage.
Wie schätzen Sie den Stellenmarkt im Arbeitsfeld Arbeitsintegration ein?
Eine Spezialität des Stellenmarktes der Arbeitsintegration liegt für mich in den doppelten, oft gleichermassen verlangten Anforderungen von «Kompetenzen und Wissen in der Sozialarbeit» und «erprobter Berufserfahrung». Es wird zu Recht ein hohes Mass an sozialen und personalen Kompetenzen erwartet. Dazu kommen dann noch die Erwartungen an Berufserfahrung und Fachkompetenzen.
Eine Eigenheit ist sicher auch die Unternehmensform. Arbeitsintegrationsanbieter sind in meiner Wahrnehmung hauptsächlich staatliche Institutionen oder Non-Profit-Unternehmen. Dies wirkt sich unweigerlich auf die Finanzierung und Leistungserbringung sowie auf die Haltung und Kultur der Unternehmen aus.
In Bezug auf den Stellenmarkt in der Arbeitsintegration: Was finden Sie gut, was beunruhigt Sie? Gibt es in unseren Auswertungen etwas, das Sie überrascht, beschäftigt oder das Ihnen fehlt?
Mich beunruhigt ein wenig, dass zunehmend Qualifikationen wie ein Hochschulabschluss oder eine höhere Berufsbildung gefordert werden, was seitens der zuweisenden Stellen mit der Erfüllung von Qualitätsstandards und Zertifizierungsansprüchen begründet wird. Sozialarbeitende, die in einer Institution ein personenorientiertes Coaching ausführen, sind nicht per se auch gleichzeitig erfolgreiche Job-Coaches mit Verkaufs- und Vermittlungstalent. Auch macht es für mich gerade in der Arbeitsagogik Sinn, wenn die Anleitung und Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt durch Personen erfolgt, die ein Handwerk von Grund auf erlernt haben und nicht allein auf schulisches und universitäres Wissen zurückgreifen. Es scheint mir wichtig, dass praktische und theoretische Erfahrungen in der Förderung und Begleitung von Menschen in einer Unternehmung gleichermassen vorliegen. Auch Fachinputs und lebenslanges Lernen sind wichtige Anhaltspunkte.
Was wünschen Sie sich für die zukünftige Entwicklung des Arbeitsfelds der Arbeitsintegration?
Anerkennung und dass die Institutionen dieser Branche nicht nur als Kostenträger, sondern als soziale Unternehmen erkannt werden, welche die Teilnehmenden fördern und ihnen ermöglichen ihr Potential einzubringen. Das wäre ein Gewinn für Wirtschaft und Gesellschaft.
Im sogenannten zweiten Arbeitsmarkt sind viele Menschen mit hohem Potential «geparkt», weil bestimmte Bilder in den Köpfen existieren. Der Umgang mit Stellenlosigkeit und die Massnahmen, um wieder zu einer Arbeit zu kommen, werden in unserer Gesellschaft noch immer sehr defizitorientiert angegangen. Das betrifft auch die Finanzierung der Programme und Unterstützungsangebote. Am meisten finanzielle Mittel erhalten Programme, die Klient*innen lange «begleiten und fördern», da immer noch über die Zeitachse abgerechnet wird und nicht über die erzielte Wirkung. Am wenigsten finanzielle Mittel erhält ein Programm, das Menschen in eine Lohnarbeit bringt und sie dort begleitet, obwohl dies ja das eigentliche Ziel wäre. Mit der Vermittlung endet in der Regel jegliche Unterstützung und die weitere Begleitung durch den Anbieter wird meist nicht mehr finanziert, obwohl aus meiner Erfahrung dann erst die «echte Arbeit» der Reintegration beginnt.