Opfer von Menschenhandel gibt es auch in der Schweiz. Zum einen sind dies Asylsuchende, die bei uns vor Ausbeutung Schutz suchen, die sie in anderen Ländern erlebt haben. Zum anderen werden aber auch hierzulande Menschen zur Prostitution gezwungen oder als billige, rund um die Uhr verfügbare Arbeitskräfte ausgebeutet.
Opfer von Menschenhandel, die Asyl suchen
Betroffene zu erkennen, ist schwierig. Im Fall von im Ausland ausgebeuteten Asylsuchenden zeigt sich, dass das Dublin-Verfahren dies erschwert. Da diese Menschen oft traumatisiert sind, brauchen sie besondere Unterstützung, um ihr Recht auf Schutz geltend machen zu können.
Die Expertengruppe des Europarats (GRETA) hat in ihrem kürzlich publizierten Bericht die Schweizerische Asylpraxis dahingehend kritisiert, dass sie dem Schutz von Opfern von Menschenhandel zu wenig Rechnung trage. Oft würden Betroffene an das Ersteinreiseland überwiesen, bevor ihre Situation genau abgeklärt werden könne und sie als Opfer von Menschenhandel identifiziert werden könnten. Die Zurückweisung in zuständige Dublin-Staaten kann, etwa im Falle von Italien, jedoch dazu führen, dass diese Menschen erneut Menschenhändlern in die Hände fallen. Die Expertengruppe GRETA erinnert die Schweiz daran, dass sie sich mit der Ratifizierung der Europaratskonvention gegen Menschenhandel 2012 für den Schutz dieser Menschen verpflichtet hat.
An der Fachtagung «Opfer von Menschenhandel als Asylsuchende: In der Schweiz endlich in Sicherheit», welche die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) kürzlich durchgeführt hat, wurde diese Einschätzung bekräftigt. Anlässlich dieser Veranstaltung wurde ein Katalog mit fünf konkreten Forderungen verabschiedet und an Vertreter*innen des Staatssekretariats für Migration (SEM) übergeben.
Ausbeutungsformen in der Schweiz
In einer Studie hat das «Swiss Forum for Migration and Population Studies» (SFM) 2016 erörtert, in welchen Formen Arbeitsausbeutung in der Schweiz vorkommt. Dabei wurde klar, dass das Thema Menschenhandel bislang in erster Linie im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung (Prostitution) gesehen wurde. Dass es auch Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung gibt, ist hingegen weniger bekannt und dokumentiert. Die Studie zeigt auf, in welchen Formen Arbeitsausbeutung in der Schweiz existiert. In Branchen wie dem Bau, dem Gastgewerbe, oder auch in privaten Haushalten, etwa bei der Betreuung von pflegebedürftigen Personen oder bei der Reinigung, werden diese Menschen oft in einer Form moderner Sklaverei gehalten. In manchen Fällen sei ein Zusammenhang zu Menschenhandel gegeben, jedoch sei dieser Kontext oft schwierig nachzuweisen. Opfer sind in der Regel «vulnerable Personen in prekären Lebenslagen». Nebst Minderjährigen und Menschen mit leichten Behinderungen sind dies laut Studie in erster Linie Migrant*innen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus. Hier handelt es sich oft um Menschen, die sich für ihre Flucht bei Schleuserorganisationen verschuldet haben und nun zu Prostitution oder Arbeit gezwungen werden.
Frauen werden dabei – nebst dem Bereich der Sexarbeit - vor allem im hauswirtschaftlichen und pflegerischen Bereich ausgebeutet, während bei Männern Branchen wie das Baugewerbe im Vordergrund stehen. Die Strafverfolgung gestaltet sich im Falle von Menschenhandel zwecks Arbeitsausbeutung sehr schwierig. Um bei einem Verdacht die notwendigen Beweise zu erbringen, müssen die Opfer ermutigt werden, sich zu melden und auszusagen, was sie jedoch aufgrund ihrer prekären Lage oft nicht wagen.
Nach wie vor gilt das Problem als «unterschätztes Phänomen». Im vergangenen Jahr wurden von der Fachstelle FIZ und kantonalen Opferberatungsstellen insgesamt 360 Personen beraten, wobei sich zumeist Frauen melden. Spezifische Beratungsangebote für Männer fehlen bislang.
Der Bund engagiert sich zurzeit mit einem zweiten «Aktionsplan gegen Menschenhandel 2017 – 2020». Er stützt sich dabei auf die vier Säulen Prävention, Strafverfolgung, Opferschutz und Partnerschaft (Zusammenarbeit inländischer und ausländischer Akteure). Bei den geplanten Aktionen ist für die Soziale Arbeit vor allem der Bereich der Sensibilisierung von Bedeutung. Opfer von Menschenhandel können aufgrund ihrer Zwangslage oft nicht von sich aus Hilfe holen. Daher ist es umso wichtiger, dass Berufsgruppen, die allenfalls mit ihnen in Berührung kommen, für die Problematik sensibilisiert sind und die Opfer erkennen, ansprechen und an geeignete Hilfsangebote verweisen können. Dazu gehört neben den Gesundheitsberufen auch die Soziale Arbeit.