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Menschenhandel: ein unterschätztes Problem

November 2019

Menschenhandel gibt es auch in der Schweiz. Die Behörden werden vom Europarat aufgefordert, die Opfer besser zu schützen.

Opfer von Menschenhandel gibt es auch in der Schweiz. Zum einen sind dies Asylsuchende, die bei uns vor Ausbeutung Schutz suchen, die sie in anderen Ländern erlebt haben. Zum anderen werden aber auch hierzulande Menschen zur Prostitution gezwungen oder als billige, rund um die Uhr verfügbare Arbeitskräfte ausgebeutet.

Opfer von Menschenhandel, die Asyl suchen

Betroffene zu erkennen, ist schwierig. Im Fall von im Ausland ausgebeuteten Asylsuchenden zeigt sich, dass das Dublin-Verfahren dies erschwert. Da diese Menschen oft traumatisiert sind, brauchen sie besondere Unterstützung, um ihr Recht auf Schutz geltend machen zu können.

Die Expertengruppe des Europarats (GRETA) hat in ihrem kürzlich publizierten Bericht die Schweizerische Asylpraxis dahingehend kritisiert, dass sie dem Schutz von Opfern von Menschenhandel zu wenig Rechnung trage. Oft würden Betroffene an das Ersteinreiseland überwiesen, bevor ihre Situation genau abgeklärt werden könne und sie als Opfer von Menschenhandel identifiziert werden könnten. Die Zurückweisung in zuständige Dublin-Staaten kann, etwa im Falle von Italien, jedoch dazu führen, dass diese Menschen erneut Menschenhändlern in die Hände fallen. Die Expertengruppe GRETA erinnert die Schweiz daran, dass sie sich mit der Ratifizierung der Europaratskonvention gegen Menschenhandel 2012 für den Schutz dieser Menschen verpflichtet hat.

An der Fachtagung «Opfer von Menschenhandel als Asylsuchende: In der Schweiz endlich in Sicherheit», welche die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) kürzlich durchgeführt hat, wurde diese Einschätzung bekräftigt. Anlässlich dieser Veranstaltung wurde ein Katalog mit fünf konkreten Forderungen verabschiedet und an Vertreter*innen des Staatssekretariats für Migration (SEM) übergeben.

Ausbeutungsformen in der Schweiz

In einer Studie hat das «Swiss Forum for Migration and Population Studies» (SFM) 2016 erörtert, in welchen Formen Arbeitsausbeutung in der Schweiz vorkommt. Dabei wurde klar, dass das Thema Menschenhandel bislang in erster Linie im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung (Prostitution) gesehen wurde. Dass es auch Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung gibt, ist hingegen weniger bekannt und dokumentiert. Die Studie zeigt auf, in welchen Formen Arbeitsausbeutung in der Schweiz existiert. In Branchen wie dem Bau, dem Gastgewerbe, oder auch in privaten Haushalten, etwa bei der Betreuung von pflegebedürftigen Personen oder bei der Reinigung, werden diese Menschen oft in einer Form moderner Sklaverei gehalten. In manchen Fällen sei ein Zusammenhang zu Menschenhandel gegeben, jedoch sei dieser Kontext oft schwierig nachzuweisen. Opfer sind in der Regel «vulnerable Personen in prekären Lebenslagen». Nebst Minderjährigen und Menschen mit leichten Behinderungen sind dies laut Studie in erster Linie Migrant*innen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus. Hier handelt es sich oft um Menschen, die sich für ihre Flucht bei Schleuserorganisationen verschuldet haben und nun zu Prostitution oder Arbeit gezwungen werden.

Frauen werden dabei – nebst dem Bereich der Sexarbeit - vor allem im hauswirtschaftlichen und pflegerischen Bereich ausgebeutet, während bei Männern Branchen wie das Baugewerbe im Vordergrund stehen. Die Strafverfolgung gestaltet sich im Falle von Menschenhandel zwecks Arbeitsausbeutung sehr schwierig. Um bei einem Verdacht die notwendigen Beweise zu erbringen, müssen die Opfer ermutigt werden, sich zu melden und auszusagen, was sie jedoch aufgrund ihrer prekären Lage oft nicht wagen.

Nach wie vor gilt das Problem als «unterschätztes Phänomen». Im vergangenen Jahr wurden von der Fachstelle FIZ und kantonalen Opferberatungsstellen insgesamt 360 Personen beraten, wobei sich zumeist Frauen melden. Spezifische Beratungsangebote für Männer fehlen bislang.

Der Bund engagiert sich zurzeit mit einem zweiten «Aktionsplan gegen Menschenhandel 2017 – 2020». Er stützt sich dabei auf die vier Säulen Prävention, Strafverfolgung, Opferschutz und Partnerschaft (Zusammenarbeit inländischer und ausländischer Akteure). Bei den geplanten Aktionen ist für die Soziale Arbeit vor allem der Bereich der Sensibilisierung von Bedeutung. Opfer von Menschenhandel können aufgrund ihrer Zwangslage oft nicht von sich aus Hilfe holen. Daher ist es umso wichtiger, dass Berufsgruppen, die allenfalls mit ihnen in Berührung kommen, für die Problematik sensibilisiert sind und die Opfer erkennen, ansprechen und an geeignete Hilfsangebote verweisen können. Dazu gehört neben den Gesundheitsberufen auch die Soziale Arbeit.

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Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH

Europarat: Die Schweiz muss von Menschenhandel betroffene Asylsuchende schützen

Der Europarat hat in einem neuen Bericht beurteilt, wie die Schweiz die Europaratskonvention gegen Menschenhandel umsetzt. Er erinnert die Schweizer Behörden an ihre Pflicht, alle anwesenden Opfer von Menschenhandel angemessen zu schützen und zu unterstützen – auch betroffene Asylsuchende. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) wird aufgefordert, seine Praxis bei Dublin-Verfahren von Opfern von Menschenhandel zu überdenken.

FIZ

Europarat und Zivilgesellschaft fordern mehr Engagement der Schweiz für Menschenhandelsopfer im Asylbereich

Anlässlich der von der FIZ Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration organisierten Fachtagung "Opfer von Menschenhandel als Asylsuchende: In der Schweiz endlich in Sicherheit?“ vom 18. Oktober in Bern hat eine zivilgesellschaftliche Allianz ihre konkreten Forderungen an das SEM übergeben. Darin steht vor allem der Opferschutz der Betroffenen im Asylbereich im Vordergrund.

fedpol

Zweiter Nationaler Aktionsplan gegen Menschenhandel verabschiedet

fedpol veröffentlicht heute den zweiten Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Menschenhandel. Der neue Aktionsplan legt die strategischen Schwerpunkte für die Jahre 2017–2020 fest und schlägt 28 konkrete und gezielte Massnahmen zur Bekämpfung dieses menschenverachtenden Verbrechens vor. Ziel des Aktionsplans ist es, die Öffentlichkeit und die Fachleute für die Problematik zu sensibilisieren, die Strafverfolgung zu verstärken, die Opferidentifizierung zu verbessern und die Zusammenarbeit der Schweiz mit dem Ausland zu intensivieren.

Humanrights.ch

Europaratskonvention gegen Menschenhandel: Ständerat beschliesst Ratifikation

Die Schweiz erhält im Zuge der Ratifizierung der Menschenhandelskonvention des Europarates eine gesetzliche Grundlage für ausserprozessuale Zeugenschutzprogramme und für die Errichtung einer nationalen Zeugenschutzstelle. Dies hat der Ständerat am 7. Juni 2011 als Erstrat einstimmig entschieden und den Bundesbeschluss über die Genehmigung des Übereinkommens gegen Menschenhandel sowie das neue Bundesgesetz über den ausserprozessualen Zeugenschutz einstimmig angenommen.

SFM

Arbeitsausbeutung im Kontext von Menschenhandel

Eine Standortbestimmung für die Schweiz

Die wirtschaftliche Globalisierung, die zunehmende Zahl an Kommunikations- und Transportmöglichkeiten und die europäische Integration: All dies hat weltweite Auswirkungen auf die Arbeitsformen und -beziehungen. Das Wohlstandsgefälle zwischen Ländern und Regionen in aller Welt klafft immer weiter auseinander. In der Folge haben sich neue und längst vergessen geglaubte Möglichkeiten aufgetan, die Arbeitskraft von Menschen auszubeuten. Einige Formen dieser Ausbeutung gehen bisweilen Hand in Hand mit Menschenhandel. 

fedpol

Menschenhandel ist moderne Sklaverei: Eine Kampagne sensibilisiert das medizinische Fachpersonal in der Schweiz

Menschen werden unter Zwang in der Prostitution, als Arbeitskraft oder in der Bettelei ausgebeutet. Menschenhandel ist traurige Realität, auch in der Schweiz. Die Identifizierung von Opfern bleibt die grösste Herausforderung für die Strafverfolgung. Die Sensibilisierung von Fachpersonen ist eine wichtige Massnahme für die Identifizierung von Opfern und die Verurteilung von Tätern. fedpol hat eine Kampagne lanciert, die sich gezielt an das medizinische Fachpersonal in der Schweiz richtet. 

Gewerkschaft Unia

Betreuerinnen brauchen Schutz des Arbeitsgesetzes

Frauen, die in Privathaushalten rund um die Uhr betagte Personen betreuen und dort wohnen, brauchen geregelte Arbeitsbedingungen und mehr Schutz. Das vom Bund vorgeschlagene Instrument der kantonalen Normalarbeitsverträge (NAV) hat versagt. Die Unia fordert deshalb den Schutz durch das Arbeitsgesetz und einen Branchen-Gesamtarbeitsvertrag (GAV).


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