35 Prozent der Schweizerischen Wohnbevölkerung betreuen pflegebedürftige Familienangehörige. Frauen sind in dieser Gruppe mit 62 Prozent der geleisteten Stunden deutlich übervertreten. Wer Angehörige pflegt, muss das mit beruflicher Tätigkeit vereinbaren können. Das ist besonders schwierig, wenn Pflegebedürftigkeit aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls plötzlich auftritt. Zudem kann es für die Betreuenden eine hohe zeitliche, emotionale und auch physische Belastung darstellen. Zu verhindern, dass die Pflegenden selber krank werden, ist deshalb ein wichtiges Anliegen.
Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen
Der Bundesrat hat vergangenen Mai nach längerer Vorarbeit die „Botschaft zum Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege“ ans Parlament zur Beratung überwiesen. Darin anerkennt er die Bedeutung der Pflege- und Betreuungsarbeit, die von Angehörigen erbracht wird. Die Gesetzesvorlage beinhaltet vier Verbesserungsvorschläge:
- Lohnfortzahlung bei kurzen Abwesenheiten
- Schaffung eines bezahlten Betreuungsurlaub für Eltern von schwer kranken oder verunfallten Kindern
- Erweiterung der Betreuungsgutschriften in der AHV
- Anpassung der Hilflosenentschädigung.
Zwischenzeitlich hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) die Vorlage beraten. In einer Medienmitteilung begrüsst etwa Procap die Stossrichtung, stellt aber gleichzeitig fest, dass es noch weitere Massnahmen braucht, beispielsweise um die Doppelbelastung von berufstätigen pflegenden Angehörigen zu mindern.
Die „Interessegemeinschaft Angehörigenbetreuung“ (IGAB), die am 29. Mai dieses Jahres zur Stärkung der politischen Stimme pflegender Angehöriger gegründet wurde, hat zu diesen Vorschlägen ebenfalls detailliert Stellung genommen.
Die Geschäftsleitung der IGAB ist dem Arbeitnehmendenverband Travail.Suisse angegliedert ist. Mit info-workcare.ch hat Travail.Suisse zudem ein Informationsportal geschaffen, das sich vor allem an Betroffene richtet und viele Fragen rund um dieses Thema beantwortet.
Noch wenig Sensibilität für „Young Carers“
Es gibt auch Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, für die die pflege Angehöriger zum Alltag gehört. Dieses Phänomen ist unter dem Begriff „Young Carers“ erst seit kurzem ins öffentliche Bewusstsein getreten. Betroffene sind starken Belastungen ausgesetzt, während es an geeigneten Unterstützungsmassnahmen wie auch überhaupt an der Sensibilität für diese Problematik bei Fachleuten noch weitgehend mangelt.
In der Schweiz leistet die Careum Hochschule Gesundheit einen wesentlichen Beitrag dazu, dies zu ändern. Sie bereits verschiedene Forschungsprojekte durchgeführt. Aktuell hat sie sich am Europäischen Forschungsprojekt „Me-We“ beteiligt, das zum Ziel hat, Daten zu dieser Thematik aus 6 Ländern zusammentragen und Strategien zu einem besseren Umgang damit zu entwickeln.