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„Kleine Verwahrung“ – umstrittener Umgang mit gefährlichen Straftätern

November 2019

Gefährliche Straftäter*innen sind für die Gesellschaft eine Herausforderung. Die Justiz muss eine Balance finden zwischen dem individuellen Recht auf Freiheit und dem Bedürfnis der Gesellschaft nach Sicherheit.

Täter*innen mit schweren psychischen Störungen, die im Zusammenhang mit dem Verbrechen gesehen werden, können stationäre therapeutische Massnahmen verordnet werden. Unter dem gängigen Begriff der „kleinen Verwahrung“ werden damit auf fünf Jahre angelegte Behandlungsmassnahmen verhängt, die nach Ablauf jeweils um weitere fünf Jahre verlängert werden können.

Instrumente im Umgang mit gefährlichen Täter*innen

Eine ordentliche Verwahrung kann angeordnet werden, wenn  davon auszugehen ist, dass ein_e Täter*in erneut ein ähnliches Delikt begehen wird. Die Verwahrung dient „im Gegensatz zur Strafe nicht der Schuldabgeltung, sondern der öffentlichen Sicherheit und hat einen präventiven Charakter.“ Die Verwahrungsgründe werden periodisch überprüft, womit eine Chance auf Freilassung besteht. (Quelle: SKMR)

Wird jemand als besonders gefährlich und als nicht therapierbar eingestuft, so kann auch eine lebenslange Verwahrung angeordnet werden. Der Täter bzw. die Täterin wird nach Abbüssung der Strafe weiterhin im Freiheitsentzug behalten. Da davon ausgegangen wird, dass keine Aussicht auf Resozialisierung besteht, wird das Bedürfnis der Gesellschaft nach Schutz höher gewichtet. Eine Überprüfung der Verwahrung ist nur bei Vorliegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse vorgesehen, die eine Chance auf Therapierbarkeit beinhalten. Diese Regelung geht auf die „Verwahrungsinitiative“ aus dem Jahr 2003 zurück. (Quelle: Humanrights.ch)

Stationäre therapeutische Massnahmen ("kleine Verwahrung") werden angeordnet bei Täter*innen mit schweren psychischen Störungen, die im Zusammenhang mit dem Verbrechen gesehen werden. Damit werden auf fünf Jahre angelegte Behandlungsmassnahmen verhängt, die nach Ablauf jeweils um weitere fünf Jahre verlängert werden können. (Quelle: Humanrights.ch)

Die Praxis der „kleinen Verwahrung“ wird von Fachleuten des Strafrechts immer wieder kritisiert. Die luzernische Kantonsrichterin Marianne Heer etwa glaubt, dass eine stationäre therapeutische Massnahme aufgrund der Verlängerbarkeit für viele Betroffene eine Sackgasse ist. In einem Beitrag des SRF wird sie folgendermassen zitiert: „Betroffene, die einmal als gefährlich eingestuft worden sind, sind stigmatisiert.“ Entlassungen würden „äusserst restriktiv gehandhabt“. Der Unterschied zu einer ordentlichen Verwahrung sei nicht gross.

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichts dürfte die Kritik verschärfen. In der bisherigen Praxis wurde für die Anordnung einer „kleinen Verwahrung“ vorausgesetzt, dass eine schwere psychische Störung diagnostiziert worden war, die sich an einem anerkannten Klassifikationssystem orientierte. Nun hat das Bundesgericht einen Entscheid gefällt, der diese Hürde deutlich senkt. Im betreffenden Fall (Urteil 6B_933/2018 vom 3. Oktober 2019) erachtet das Bundesgericht eine ambulante Massnahme für rechtens, obwohl „keine psychischen Störungen im engeren Sinne“ festgestellt werden. Vielmehr lägen "deliktrelevante Persönlichkeitsmerkmale mit Krankheitswert" vor, die sich therapeutisch behandeln liessen. Da für ambulante Massnahmen und „kleine Verwahrung“ analoge Voraussetzungen gelten, wird befürchtet, dass eine vermehrte Anordnung von kleinen Verwahrungen die Folge sein könnte.

Die Balance zu finden zwischen individuellen Freiheitsrechten und dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach Schutz, ist oft anspruchsvoll. Dies zeigt auch ein anders gelagerter aktueller Fall, bei dem die Behörden einen Straftäter, der seine Strafe abgesessen hatte, aufgrund des Rückfallrisikos nicht in die Freiheit entlassen wollten. Da die Voraussetzungen für eine Verwahrung nicht gegeben waren, wurde eine fürsorgerische Unterbringung angestrebt. Das Bundesgericht hat hier allerdings Einhalt geboten mit der Begründung, dass die fürsorgerische Unterbringung nicht dazu diene, eine Person von weiteren Straftaten abzuhalten.


Schweiz am Wochenende

Parallelen zum Fall «Carlos»: Ein Verwahrter erzählt, weshalb er die Therapie verweigert

Wenn sich Brian K. alias Carlos nicht behandeln lässt, droht ihm ein Leben hinter Gittern. Was passiert, wenn man sich dem Psychiater verweigert, zeigt die Geschichte von Maik B. Er sitzt deshalb in der Verwahrung. Der Räuber, Erpresser und Waffennarr erzählt, warum er lieber eingesperrt bleibt als mit den Behörden zu kooperieren.


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