Zunächst gilt es den Begriff der Partizipation genauer zu beleuchten. Laut Dr. phil. Annette Cina (Hotz, Rz. 3.3) bedeutet Partizipation wörtlich übersetzt «Teilhabe», kann aber auch als Beteiligung, Mitwirkung oder Mitbestimmung umschrieben werden. Gemäss SKMR und dem internationalen Verständnis wird Partizipation als Prozess und als Haltung zwischen Kind und Entscheidungstragenden verstanden. Als Prozess werde die Partizipation deshalb verstanden, weil dem Kind während des ganzen Kindesschutzverfahrens Partizipationsmöglichkeiten gegeben werden sollen und nicht nur im Rahmen der Kindesanhörung vor dem Gericht oder der Behörde.
Aus psychologischer Sicht kann das Recht auf Partizipation unterschiedliche Partizipationsintensitäten umfassen, deshalb werden unterschiedliche Konzepte für die Partizipationsformen festgehalten. Im Rahmen dieses Dossiers wird zur Veranschaulichung, angelehnt an das Buch von PD Dr. iur., RA Sandra Hotz «Handbuch Kinder im Verfahren», das Konzept der Partizipationsleiter von Hart verwendet. Diese Partizipationsleiter zeichnet sich durch unterschiedliche Partizipationsintensitäten aus, welche sich wiederum in «scheinbare» Partizipationsformen und «echte» Partizipationsformen einteilen lassen.
Verschiedene Grade einer Beteiligung (gem. Roger Hart, zu finden in: Hotz, Rz. 3.4 f.):
- 1. Stufe: Fremdbestimmung/Manipulation: «Sowohl Inhalte als auch Arbeitsformen und Ergebnisse von Projekten sind fremdbestimmt. Kinder und Jugendliche haben keinen Einfluss auf die Inhalte des Angebots, sondern setzen die Zielsetzungen von erwachsenen Personen um.»
- 2. Stufe: Dekoration: «Kinder wirken mit, ohne zu wissen, worum es eigentlich geht.»
- 3. Stufe: Alibi-Teilnahme: «Kinder wirken mit und können auch selbst entscheiden, ob sie teilnehmen wollen. Was sie sagen, wird jedoch nicht berücksichtigt.»
- 4. Stufe: Zugewiesen, informiert: «Erwachsene bereiten die Aktivitäten vor, die Kinder sind informiert und verstehen, worum es geht und was das Ziel der Aktivität ist. Sie können freiwillig daran teilnehmen.»
- 5. Stufe: Mitwirkung: «Kinder können auf Aktivitäten indirekt Einfluss nehmen (durch Anhörung, Einbezug der Ansichten des Kindes), sie haben jedoch keine Entscheidungsmöglichkeit»
- 6. Stufe: Mitbestimmung: «Die Kinder werden in die Entscheidungen einbezogen. Die Projekte kommen von den Erwachsenen, aber alle Entscheidungen werden mit den Kindern gemeinsam und demokratisch getroffen»
- 7. Stufe: Selbstbestimmung: «Die Initiative kommt von den Kindern, die Kinder fällen die Entscheidungen, die Erwachsenen sind beteiligt und tragen die Entscheidungen mit»
- 8. Stufe: Selbstverwaltung: «Die Kinder haben die völlige Entscheidungsfreiheit und die Entscheidungen werden den Erwachsenen lediglich mitgeteilt.»
Die Partizipationsleiter soll so verstanden werden, dass bei den Stufen 1-3 von einer Nichtbeteiligung bzw. Scheinbeteiligung gesprochen werden kann. Demgegenüber legen die Stufen 4-8 verschiedene Grade einer Beteiligung fest. Die echte Partizipation im Sinne einer Mitsprache oder Mitwirkung nehme mit den Stufen 5-6 zu (Hotz, Rz. 3.5).
Echte Partizipation gemäss Cina: «… von einer wahren Partizipation kann erst dann gesprochen werden, wenn Kinder und Jugendliche nicht nur informiert werden, sondern auch die Möglichkeit erhalten, mitwirken und mitbestimmen zu können.» (Hotz, Rz. 3.8)
Gemäss Cina soll die Partizipation als relatives Konzept verstanden werden. Jede Beteiligung des Kindes soll auf die konkrete Situation, sein Alter, seinen Entwicklungsstand und das konkrete Ziel der Massnahmen angepasst sein. Wie von Cina angeführt, konnten einige psychologische Studien aufzeigen, dass es für Kinder wichtiger ist, gehört zu werden, als dass ihr Wille effektiv als Entscheidungsgrundlage dient. Das Gefühl, gehört zu werden und die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Wünsche des Kindes, führen dazu, dass das Selbstbewusstsein des Kindes sowie das Verständnis für geplante Massnahmen gesteigert werden können. Demgegenüber kann der Anspruch an das Kind, seine Entscheidungen selbst zu treffen, Ängste auslösen, zu Loyalitätskonflikten führen und eine Überforderung zur Folge haben (Hotz, Rz. 3.25 ff.).