Konzernverantwortungsinitiative
Die Konzernverantwortungsinitiative wurde vom ehemaligen FDP-Ständerat und Staatsanwalt Dick Marty zusammen mit einer breiten Koalition von 130 Menschenrechts- und Umweltorganisationen lanciert.
Am 29. November entscheidet das Stimmvolk über die Konzernverantwortungsinitiative (KVI). In einem aufwändigen Abstimmungskampf stehen Verfechter*innen von Menschenrechten und Umweltschutz denjenigen einer neoliberalen Wirtschaft gegenüber.
In Staaten mit schwachen lokalen rechtlichen Strukturen können grosse internationale Unternehmen oft in einem quasi rechtsfreien Raum operieren. Korrupte Behörden oder auch kriegerische Konflikte begünstigen ausbeuterisches und umweltschädliches wirtschaftliches Handeln, da Betroffene kaum Möglichkeiten haben, sich zu wehren.
Diese Lücke zwischen der globalen Ausrichtung dieser Unternehmen und ihrer Verantwortung für lokales Handeln will die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) schliessen. Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sollen für Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards haftbar gemacht werden können, auch wenn sie im Ausland geschehen.
Sowohl das Initiativkomitee als auch die Gegnerschaft führen einen intensiven und aufwändigen Abstimmungskampf. Dabei werfen die Initiant*innen den Gegner*innen vor, auch vor Falschaussagen nicht zurückzuschrecken. Economiesuisse führe eine millionenschwere Kampagne mit einer PR-Agentur, welche mit gezielten Fake-News und getarnter Werbung die öffentliche Meinung manipulieren soll, schreiben die Initiant*innen. Der Vorwurf ist nicht aus der Luft gegriffen. Der Presserat hatte Tamedia für diese Praxis bereits anfangs Juni gerügt und festgestellt, dass der Verlag mit Inhalten zur KVI das Gebot der Trennung von redaktionellem Inhalt und politischer Werbung verletzt habe.
Sogar Bundesrätin Karin Keller-Suter lasse sich zu Falschaussagen hinreissen. So wird etwa ihre Behauptung, die angestrebte Verfassungsänderung würde zu einer Flut von Klagen führen, von Expert*innen des Initiativkomitees, aber auch von unabhängigen Rechtsexpert*innen dementiert.
Das Argument, die Initiative wolle einen Rechtsimperialismus etablieren, weisen die Initiant*innen ebenfalls zurück: Es gehe gar nicht um Schweizerische Rechtsnormen, sondern darum, dass Menschenrechte und internationale Umweltstandards eingefordert werden könnten. Die Rechtsprofessorin Monika Roth gibt zudem zu bedenken: „Warum ist es einerseits legitim, dass ein Schweizer Konzern die Gewinne der ausländischen Tochterfirma in die Schweiz transferiert, aber soll es andererseits nicht legitim sein, dass ein von der Tochterfirma Geschädigter gegen den Konzern in der Schweiz klagen kann?“
Die Initiant*innen entkräften zudem die Befürchtung, die Initiative würde den KMUs schaden: Diese seien im Initiativtext explizit ausgenommen. Je nach gesetzlicher Umsetzung wären 1000 – 3500 Unternehmen von den Änderungen betroffen. Wobei sich für diejenigen, die schon jetzt Menschenrechts- und Umweltstandards einhalten, nichts ändern würde.
Der Bundesrat anerkennt zwar die Anliegen, lehnt aber die Konzernverantwortungsinitiative ab. In einer Mitteilung vom September 2017 schreibt er, dass ihm die Initiative zu weit gehe und er „auf ein international abgestimmtes Vorgehen und auf bereits existierende Instrumente“ setze. Er beantragte im Parlament daher, „die Initiative ohne Gegenentwurf und ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen“.
Das Parlament hat sich jedoch nach langem Ringen auf einen massiv abgeschwächten, indirekten Gegenvorschlag geeinigt. Er sieht keine verbindlichen Verpflichtungen, sondern lediglich eine jährliche Berichterstattung vor. Dieser träte in Kraft, sollte die KVI abgelehnt werden – vorausgesetzt es gibt kein Referendum dagegen.
Unterstützung erfährt die Initiative von Politiker*innen verschiedener Lager, die Initiant*innen konnten aber auch namhafte Unterstützer*innen aus öffentlichen und privaten Organisationen für ihre Anliegen gewinnen.
So treten etwa NGOs wie Amnesty Schweiz, Public Eye oder Greenpeace dezidiert für die KVI ein. Auch kirchliche Organisationen positionieren sich klar im Pro-Lager, was ihnen von bürgerlicher Seite den Vorwurf der Einmischung ins politische Alltagsgeschäft eingebracht hat.
Auch wenn Economiesuisse die KVI vehement bekämpft, ist die Wirtschaft durchaus nicht geeint gegen die KVI. Seitens der der Unternehmer*innen hat sich sogar ein "Bürgerliches Komitee für Konzernverantwortung" gebildet, das die Initiative unterstützt. Auch die liberale "Operation Libero" engagiert sich für die Initiative.
In der Bevölkerung geniesst die KVI ebenfalls hohen Zuspruch. Gemäss aktuellen Umfragen hat die Vorlage gute Chancen, angenommen zu werden.
Die Konzernverantwortungsinitiative wurde vom ehemaligen FDP-Ständerat und Staatsanwalt Dick Marty zusammen mit einer breiten Koalition von 130 Menschenrechts- und Umweltorganisationen lanciert.
Giftige Abfälle, die die Umwelt verseuchen und schwere Krankheiten verursachen, unmenschliche Arbeitsbedingungen in Textilfabriken, Kinderarbeit in Kakaoplantagen... Auch Schweizer Konzerne werden der Missachtung von Menschenrechten und Umweltschäden beschuldigt.
Klarer Handlungsbedarf: Seit Jahrzehnten sind unzählige Fälle dokumentiert, wie Schweizer Unternehmen Menschenrechte verletzen und die Umwelt zerstören. Public Eye hat mit eigenen Recherchen viele solche Fälle aufgedeckt.
Ja zur Konzernverantwortungs-Initative: Wer die Umwelt verschmutzt, muss dafür gerade stehen
Der gesetzliche Schutz von Mensch und Umwelt hat mit der wirtschaftlichen Globalisierung nicht Schritt gehalten. Auch Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sind in Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung weltweit verwickelt.
Die Landesregierung anerkennt zwar das Kernanliegen der Konzernverantwortungsinitiative, das Begehren von Hilfswerken, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen geht ihr aber zu weit.Zum Thema: Gunvor im Kongo (Public Eye)
Nun steht es quasi fest: Die Konzernverantwortungs-Initiative kommt mit einem indirekten Gegenvorschlag zur Abstimmung. Es fehlt nur noch die Schlussabstimmung bei diesem Geschäft. Nach Zustimmung beider Räte dürfte diese eine Formsache sein. Das bedeutet: Wenn bei der Abstimmung über die Konzernverantwortungs-Initiative der Volksvorschlag abgelehnt wird, tritt der indirekte Gegenvorschlag in Kraft. Um diesen haben die Parlamentskammern während dreier Jahre gerungen.
Die Unternehmensverantwortungs-Initiative fordert zusätzliche Haftungsbestimmungen für Unternehmen, die international anerkannte Menschenrechte und internationale Umweltstandards verletzt haben. Diese Regeln wären weltweit die strengsten und führten zu weitreichenden rechtlichen, politischen, aber auch wirtschaftlichen Problemen.
“Unser Recht” hat Dick Marty um die Erklärung wichtiger rechtlicher Aspekte der Konzernverantwortungs-Initiative (KVI) gebeten. Der Autor war Staatsanwalt und FDP-Ständerat des Kantons Tessin. Er ist Mitglied des Vereins “Unser Recht”.
Wirtschaft zittert vor Konzerninitiative
Vor der Abstimmung wird auf beiden Seiten mit harten Bandagen gekämpft. Interne Unterlagen zeigen, wie akribisch sich die Wirtschaftsverbände vorbereitet haben – und wie nervös sie sind.
Ein Gastbeitrag von Dick Marty
Die Initiative für Konzernverantwortung bietet den Opfern von Umweltverbrechen echte Hilfe.
Das Thema Konzernverantwortungsinitiative ist um ein Kapitel reicher. Bürgerliche PolitikerInnen sträuben sich, wider den internationalen Trend, gegen jegliche Regeln zur Haftung. Die Konzerne frohlocken.
Kommentar
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