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Digitale Kompetenzen für die Soziale Arbeit

17.07.2024 - 6 Min. Lesezeit

Portrait von Sabine Muff, Sozialinfo.

Sabine Muff

Produktmanagerin Digitalisierung

Eine Frau sitzt an einem Tischchen in einem Park, vor sich einen Laptop und ein Smartphone.

Mit dem digitalen Wandel der Gesellschaft Schritt halten zu können, stellt spezifische Anforderungen an Fachpersonen der Sozialen Arbeit. Ein an der FHNW entwickeltes Kompetenzmodell gibt Aufschluss über die Anforderungen.

Bewegungen sind erkennbar 

Die Digitalisierung ist in den Aus- und Weiterbildungen der Sozialen Arbeit noch nicht vollständig angekommen. Obwohl diese Bereiche in Bewegung sind, werden die Studierenden und Weiterbildungsteilnehmenden bislang nicht mit allen erforderlichen Kompetenzen und Kenntnissen ausgestattet, um sich professionell positionieren und handeln zu können. 

Das an der FHNW entwickelte Kompetenzmodell «Digitalisierung und Soziale Arbeit» gibt einen Überblick darüber, was eine Fachperson der Sozialen Arbeit können und wissen muss, um in ihrem beruflichen Kontext im Hinblick auf Digitalisierung und Digitalität handlungsfähig zu werden oder zu bleiben. 

Es braucht Orientierung

Im einem Bachelorentwicklungsprojekt fand an der Hochschule für Soziale Arbeit der FHNW eine Auseinandersetzung darüber statt, welche Kompetenzen Fachpersonen der Sozialen Arbeit im Kontext der Digitalisierung benötigen. Ein Teilprojekt legte den Fokus auf Digitalisierung & Soziale Arbeit und bearbeitete die Frage, woraufhin die Studierenden ausgebildet werden sollen und wie diese fachlichen Inhalte in der Bachelor- und Masterausbildung untergebracht werden können. 

Ein Kompetenzmodell sollte dabei als Rahmung dienen. Die bisher existierenden Modelle (Beispiele ganz am Schluss) sind unterschiedlich ausdifferenziert und ermöglichen eine allgemeine Verortung. Für die Soziale Arbeit sind diese jedoch zu unspezifisch. Deshalb wurde ein eigenes Modell für die Bachelorausbildung Soziale Arbeit entwickelt, das die Kompetenzanforderungen ganzheitlich, systematisch und mit einem anschlussfähigen theoretischen Hintergrund beschreibt.

Kompetenzmodell für die Soziale Arbeit 

Grundgerüst dieses Kompetenzmodells bildet zum einen das ökosystemische Modell nach Uri Bronfenbrenner. Darin beschreibt er die Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit der Umwelt als interaktionistischen Prozess zwischen Individuum und seiner sozialen Umwelt. Dies geschieht auf verschiedenen, sich gegenseitig beeinflussenden Ebenen (siehe Abbildung 1). Im Kontext von Digitalisierung und Sozialer Arbeit lassen sich auf allen Ebenen unterschiedliche Einflussfaktoren identifizieren, wie beispielsweise die veränderte digitale Lebenswelt der Adressat*innen mit ihren Chancen und Herausforderungen, neue(re) Formen der Dienstleistungserbringung oder Anpassungen im Einsatz von IT in der Administration. 

Zum anderen fusst das Kompetenzmodell auf der Lerntaxonomie nach Benjamin Bloom, welche verschiedene Lernziel-Stufen differenziert. Fachpersonen der Sozialen Arbeit benötigen in ihren jeweiligen Handlungsbezügen angepasste Kompetenzen im Umgang mit der fortschreitenden Digitalisierung, die Anforderungen an die Tiefe und den Umfang sind dabei ebenfalls unterschiedlich. Im vorliegenden Kompetenzmodell «Digitalisierung und Soziale Arbeit» wurden aus dem Modell die Stufen verstehen, bewerten, gestalten und reflektieren integriert.

Grafische Darstellung des Kompetenzmodells Digitalisierung und Soziale Arbeit.

Kompetenzmodell Digitalisierung und Soziale Arbeit | FHNW/Sozialinfo

Abb. 1: Kompetenzmodell «Digitalisierung und Soziale Arbeit» nach dem ökosozialen Modell von Bronfenbrenner (Darstellung nach Weber J., Berger R., Hörmann M., Mühlebach C., 2024)

Basierend auf diesem Kompetenzmodell wurden insgesamt 20 digitale Kompetenzen für Fachpersonen der Sozialen Arbeit abgeleitet.  

Diese Kompetenzen werden den im Bachelor-Studiengang gängigen Kategorien Selbst- und Sozialkompetenz, Fachwissen sowie Fach- und Methodenkompetenz zugeordnet. Dieser Aufbau ermöglicht, für das jeweilige Handlungsfeld und abhängig von Funktion und Aufgabe spezifisch zu definieren, welche Kompetenzen in welchem Ausmass gefordert sind.  

Bei der Betrachtung der Kompetenzen fällt auf, dass technische Aspekte nicht im Vordergrund stehen. Aus gutem Grund: Digitalisierung wird verstanden als vielschichtiger Prozess, bei dem es nicht nur um die Frage geht, womit etwas gemacht wird, sondern – und darauf richtet die Tabelle den Fokus – wie, warum und wozu. 

Tabelle zu den digitalen Kompetenzen für die Soziale Arbeit.

Tabelle Digitalisierung & Soziale Arbeit | FHNW/Sozialinfo

Abb. 2: Digitale Kompetenzen für die Soziale Arbeit (Darstellung nach Weber J., Berger R., Hörmann M., Mühlebach C., 2024)

Das Kompetenzmodell in der Praxis 

Der Umgang mit der Digitalisierung beschäftigt nicht nur die Ausbildungsorganisationen der Sozialen Arbeit. Die Frage nach dem Umfang der dafür geforderten Kompetenzen und nach den Möglichkeiten, diese zu erwerben, stellt sich auch in der sozialarbeiterischen Praxis. Dabei ist zu klären, welche Kompetenzen bei den einzelnen Mitarbeitenden, aber auch der Gesamtorganisation bereits vorhanden sind und wo Entwicklungsbedarf besteht. Werden diese in der Organisation erfasst? Wenn ja, in welcher Form? Wer ist dafür zuständig? Dies ermöglicht, fehlende digitale Kompetenzen systematisch aufzubauen und gleichzeitig einen Überblick über bestehende Ressourcen zu erhalten.   

Je nach Funktion der Person sind andere Anforderungen und Fragestellungen mit den jeweiligen Kompetenzen verbunden. Aufgrund der dynamischen Entwicklung der Digitalisierung ist es angezeigt, die damit verbundenen Anforderungen an digitale Kompetenzen fortlaufend zu erheben. Dieses Thema können Organisationen beispielsweise im Rahmen der Personalentwicklung fest verankern. Auf diese Weise erkennen sie einerseits Entwicklungsbedarfe rechtzeitig, gleichzeitig werden Ressourcen ersichtlich, welche sie team- oder organisationsintern nutzen können. Dies können Jobenrichments sein, etwa in Form von Spezialfunktionen in Digitalisierungsprojekten oder Coachings von anderen Mitarbeitenden.    

Anwendung konkret

Nachfolgend zeigen wir anhand von drei ausgewählten Kompetenzen exemplarisch auf, wie digitale Kompetenzen in der Praxis erfasst werden können. Dafür werden konkrete Fragestellungen verwendet, welche im eigenen Handlungsfeld entstehen können.

Digitalisierungsprozesse in Organisationen (mit-) gestalten 

Die professionelle Rolle im Digitalen reflektieren 

Digitale Lebenswelt(en) der Adressat*innen verstehen und angemessen berücksichtigen

Diese oder weiterer Fragestellungen können als Basis für einen fortlaufenden Austausch zum Thema Digitalisierung sowohl auf individueller wie auch auf organisatorischer Ebene genutzt werden. Dabei können inhaltliche, dem Handlungsfeld und den Kompetenzen entsprechende Schwerpunkte gesetzt werden. Als erster Schritt kann in einem Teammeeting die Übersicht über die Kompetenzen vorgestellt werden. Die Mitarbeitenden wählen ein bis zwei Kompetenzen aus, welche ihnen für ihre tägliche Arbeit wichtig erscheinen. In bilateralen Gesprächen können diese mit der Vorgesetzten besprochen, ein allfälliger Handlungsbedarf erkannt und gegebenenfalls notwendige Schritte in die Wege geleitet werden. Daran kann sowohl in den jährlichen Standortgesprächen wie auch im Austausch mit dem Team gearbeitet werden. Besteht Bedarf, das Thema Digitalisierung mit Fokus auf die Organisation systematisch weiter zu bearbeiten, bietet der DigitalCheck Orientierung.  

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