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Neues Kompetenzzentrum: Sozialinfo fördert digitales Empowerment

16.09.2021 - 4 Min. Lesezeit

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Portrait von Martin Heiniger

Martin Heiniger

Fachredaktion Sozialinfo

Mit der Digitalisierung erweitert der Verein Sozialinfo seine Angebote und Leistungen um einen neuen Kompetenzbereich. Damit soll das «digitale Empowerment» des Sozialwesens gestärkt und eine pro-aktive Gestaltung der digitalen Transformation gefördert werden.

Zu den Leistungen des neuen Kompetenzzentrums gehören sowohl inhaltliche Beiträge zur Digitalisierung im Sozialwesen als auch Dienstleistungen (bspw. Beratung/Begleitung, Referate, Workshops), die von sozialen Organisationen, aber auch von Bildungsinstitutionen oder IT-Unternehmen in Anspruch genommen werden können. Als grundlegendes Prinzip, um eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen, steht das «digitale Empowerment» der verschiedenen Akteur*innen im Zentrum.

Wissensvermittlung und Transfer in den Sozialbereich

Dabei spielt es keine Rolle, ob spezifische IT-Kenntnisse bereits vorhanden sind oder nicht. Das Kompetenzzentrum hat den Anspruch, die Interessierten dort abzuholen, wo sie in ihrer Entwicklung gerade stehen sowie zwischen den Fachbereichen der Sozialen Arbeit und der Informatik zu vermitteln und – wo nötig – Übersetzungshilfe zu leisten. Aktuell verfügbare Informationen und Grundlagen sind oft auf den privatwirtschaftlichen Sektor ausgerichtet und müssen in den Kontext des Sozialwesens erst noch transferiert werden. Hier setzt Sozialinfo einen Schwerpunkt.

Ein Beispiel für einen solchen Transfer ist der Digital-Check, das Analysemodell für die digitale Transformation im Sozialwesen. Für die Privatwirtschaft gibt es eine ganze Palette von Modellen. Diese sind für soziale Organisationen jedoch nur bedingt nützlich, denn im Sozialwesen gelten andere Rahmendbedingungen, beispielsweise was die Finanzierung, das Verhältnis zur Öffentlichkeit oder die Beziehungen zu den Adressat*innen anbelangt. Der Digital-Check von Sozialinfo unterstützt soziale Organisationen darin, Entwicklungsbedarf zu erheben und für die digitale Transformation sinnvolle Massnahmen zu planen.

Eine andere Form von Wissensvermittlung und -transfer sind die inhaltlichen Beiträge auf der Website von Sozialinfo. In der bekannten Dossier-Form werden Themen der Digitalisierung aus der Perspektive des Sozialwesens beleuchtet und so niederschwellig Wissen für Fach- und Leitungspersonen vermittelt.

Digitalisierung: Neu in der Navigation

Alle Informationen zum neuen Kompetenzbereich von Sozialinfo befinden sich in der Hauptnavigation unter Digitalisierung.

Umgang mit knappen Ressourcen

In vielen sozialen Organisationen sind wenig finanzielle und personelle Mittel vorhanden, um sich mit der Digitalisierung zu befassen. Eine zusätzliche Herausforderung sind die, nicht umfassend vorhandenen Kompetenzen und Erfahrungen in der Lösung von konkreten, praktischen Problemen (beispielsweise in der Angebotsentwicklung). Hier vertritt das Kompetenzzentrum die Haltung, dass eine brancheninterne Vernetzung grosse Chancen für die Praxis bietet. Die Förderung von institutionsübergreifender Zusammenarbeit ist deshalb ein weiteres Element der Angebotspalette des Kompetenzzentrums Digitalisierung & Soziale Arbeit.

Es braucht die fachliche Perspektive der Soziale Arbeit

Sozialinfo/Martin Heiniger: Du bist Verantwortliche für das neue Kompetenzzentrum Digitalisierung & Soziale Arbeit. Warum ist dieses Thema so wichtig?

Christine Mühlebach: Wenn es nicht gelingt, die fachliche Perspektive in die Digitalisierung einzubringen, besteht ein ähnliches Risiko wie beim sogenannten Aktivierungsparadigma. Dort waren es politische Entscheide, die dazu geführt haben, dass die Fachpersonen in gewissen Systemen der sozialen Sicherung nach dem Prinzip «Fordern und Fördern» arbeiten müssen, selbst wenn dies aus fachlicher Sicht nicht immer adäquat ist. Somit wurden die Bedingungen unter denen professionell gehandelt wird, von aussen diktiert. Bei der Digitalisierung im Sozialwesen sehe ich gewisse Parallelen: Fehlt die fachliche Stimme des Sozialwesens, wird an anderer Stelle darüber entschieden werden, unter welchen ‘digitalen Bedingungen’ soziale Dienstleistungen erbracht werden. Deshalb soll sich die Soziale Arbeit aktiv in die Gestaltung einbringen können. Dazu will unser Kompetenzzentrum einen Beitrag leisten.

« Wir wollen die verschiedenen Akteur*innen – primär Fach- und Leitungspersonen des Sozialwesens – dazu befähigen, in den verschiedenen Themen der Digitalisierung selbst handlungsfähig zu werden und zu bleiben. »

Portrait von Christine Mühlebach

Christine Mühlebach

Was ist mit «digitalem Empowerment» genau gemeint?

Der Begriff des Empowerments meint grundsätzlich die Befähigung zum eigenmächtigen, autonomen Handeln und wird üblicherweise in der Zusammenarbeit mit Adressat*innen verwendet. Manchmal vergessen wir als Fachpersonen der Sozialen Arbeit aber, dass wir solche Handlungsprinzipien auch für die eigene Weiterentwicklung nutzen können. Nach dem Verständnis unseres Kompetenzzentrums geht es also nicht darum, die Klient*innen zu befähigen oder dem Sozialwesen fixfertige, technische Lösungen bereitzustellen. Wir wollen die verschiedenen Akteur*innen – primär Fach- und Leitungspersonen des Sozialwesens – dazu befähigen, in den verschiedenen Themen der Digitalisierung selbst handlungsfähig zu werden und zu bleiben.

Fachpersonen im Sozialwesen wird im Allgemeinen unterstellt, sie würden sich nur mit Widerstand auf die Digitalisierung einlassen. Wie siehst Du das?

Einerseits ist Widerstand ganz grundsätzlich eine natürliche Reaktion auf Veränderung. Andererseits überschätzt der Mensch oft die Vorteile der technologischen Entwicklung und unterschätzt die Nachteile. Berücksichtigt man diese beiden Aspekte, ist eine gewisse Zurückhaltung verständlich. Und der Widerstand kann auch als Chance gesehen werden. Mindestens dann, wenn die Ursachen des Widerstandes ernstgenommen und auch bearbeitet werden. Da die Digitalisierung sowieso weiter voranschreiten wird, können wir es uns eigentlich nicht leisten, uns dem Thema komplett zu verschliessen.

« Eine Haltung der kritisch reflektierten Offenheit halte ich für am sinnvollsten, um sich auf der Ebene der Organisationen, der Fachpersonen und der Adressat*innen mit der Digitalisierung auseinander zu setzen. »

Portrait von Christine Mühlebach

Christine Mühlebach

Würde das heissen, dass die Sozialen Arbeit «technischer» werden muss, damit sie nicht den Anschluss verliert?

Viele nicht IT-affine Fach- und Leitungspersonen haben die Vorstellung, dass Digitalisierung primär technische Kenntnisse erfordere. Das halte ich für ein grosses Missverständnis. Natürlich ist ein gewisses Grundverständnis erforderlich, aber man muss weder selbst einen PC zusammenbauen können, noch Programmierkenntnisse haben. Eine Perspektive, die meiner Meinung nach viel wichtiger ist und noch zu wenig diskutiert wird, ist: Die Soziale Arbeit verfügt über eine reiche Palette an Fach- und Methodenkompetenzen, welche für die Gestaltung der Digitalisierung nutzbar gemacht werden. Ich denke dabei an Kompetenzen im Bereich Kommunikations- und Interaktionsgestaltung, Partizipation, Kulturentwicklung, Interdisziplinarität, Integration usw. So gesehen bringt die Soziale Arbeit bereits vieles mit, um mit der Digitalisierung umzugehen.

Was wäre denn von Seiten der Organisationen wünschenswert?

Eine Haltung der kritisch reflektierten Offenheit halte ich für am sinnvollsten, um sich auf der Ebene der Organisationen, der Fachpersonen und der Adressat*innen mit der Digitalisierung auseinander zu setzen. Damit wir hier Unterstützung bieten können, sind wir darauf angewiesen, dass die Praxis resp. die Verantwortlichen in den Organisationen bereit sind, mit uns über ihre aktuellen Probleme und Herausforderungen zu sprechen.

Welche Expertise bringst Du in das Kompetenzzentrum ein?

Vor dem Bachelor- und Master-Studium in Sozialer Arbeit habe ich rund 10 Jahre in der IT-Branche gearbeitet. In dieser Zeit habe ich - etwas salopp ausgedrückt – alles gemacht, ausser Softwareprogrammierung: von Entwicklungskonzepten über Hotline/Support bis hin zu Schulungen und Projektleitungen. Ein wichtiger Tätigkeitsbereich war auch die Integration von technischen Lösungen in die jeweilige Organisationsstruktur und -kultur. Somit bringe ich Kenntnisse aus der Sozialen Arbeit und der Informatik mit. Ich kann beide Perspektiven einnehmen, die Fachbereiche miteinander verbinden und dazwischen vermitteln oder übersetzen.

Autor*in

Portrait von Thomas Brunner

Thomas Brunner

Seit seiner Gründung ist der Verein Sozialinfo Pionier im Thema «Digitalisierung im Sozialwesen» – beispielsweise mit dem Online-Stellenportal oder der Rechtsberatung. Nicht erst seit der Pandemie hat das Thema Digitalisierung an Bedeutung zugenommen. Mit unserer aktuellen strategischen Ausrichtung rückt das Thema bei Sozialinfo noch stärker in den Vordergrund:

Nach einer intensiven Aufbauphase lancieren wir das Kompetenzzentrum Digitalisierung & Soziale Arbeit. Wer sich für unsere neuen Angebote und Leistungen interessiert, findet alle Informationen im neuen Bereich Digitalisierung auf unserer Website.

Die Verantwortliche für das Kompetenzzentrum Digitalisierung & Soziale Arbeit, Christine Mühlebach, gibt im aktuellen Dossier Einblick in dessen Ausrichtung und in das fachliche Verständnis, welches für das Kompetenzzentrum wesentlich ist.