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Gemeinsam die digitale Kluft überwinden – der Kanton Freiburg geht neue Wege

14.06.2024 - 3 Min. Lesezeit

Andere

Lisa Stalder

Journalistin

Ein Mann und eine Frau sehen sich etwas am Tablet-Computer an.

Im Kanton Freiburg steht das Thema digitale Inklusion von Menschen in prekären Lebenslagen schon länger auf der politischen Agenda. Um die digitale Kluft zu schliessen, die sich in der Corona-Pandemie weiter vergrössert hatte, setzt das kantonale Sozialamt auch auf die Zusammenarbeit mit Sozialinfo.

In der «Strategie zur digitalen Teilhabe» des Kantonalen Sozialamts Freiburg wird nichts beschönigt: Seit mehreren Jahren dränge sich in verschiedenen Bereichen des Amts «die Frage der digitalen Teilhabe von Menschen in prekären Lebenslagen als Querschnittsthema» auf. Die Covid-Pandemie habe die Entmaterialisierung in den Verwaltungsprozessen noch beschleunigt. Dadurch seien neue Bedürfnisse entstanden, gerade in den bereits geschwächten Bevölkerungsgruppen. Es bestehe die Gefahr, dass sich Ungleichheiten weiter verstärkten und sich das staatsbürgerliche Engagement Betroffener weiter verringere. Damit dies nicht passiert und die digitale Kluft überwunden werden kann, empfiehlt der Staatsrat – die Regierung des Kantons Freiburg – dem Kanton und den Gemeinden, in der laufenden Legislatur verschiedene Massnahmen umzusetzen. Er schlägt beispielsweise einen einfachen Zugang zu den digitalen Dienstleistungen der Verwaltung vor und plädiert dafür, sicherzustellen, dass allen Betroffenen Bildungsangebote für digitale Grundkenntnisse zur Verfügung stehen. 

Vielschichtige Herausforderung 

Beim Kantonalen Sozialamt stösst der Staatsrat mit seinen Empfehlungen auf offene Ohren. «Digitale Inklusion war für uns schon lange ein Thema, bereits vor Corona», sagt Julien Nicolet, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Kantonalen Sozialamt. Doch während der Pandemie sei deutlich geworden, wie gross der Handlungsbedarf tatsächlich sei. Plötzlich hatten die Sozialarbeitenden kaum noch persönlichen Kontakt mit den Klientinnen und Klienten, alles lief über das Telefon oder per Mail. Während ein Teil der Betroffenen gut damit umgehen konnte, waren andere komplett überfordert und zogen sich noch mehr zurück. Und es zeigte sich: Die Herausforderungen waren vielfältiger Natur. So gab es Klientinnen und Klienten, die gar keinen Zugang zu einem Computer hatten oder diesen nicht effektiv zu nutzen wussten. «Sie wussten beispielsweise gar nicht, wie sie nach einer Stelle oder nach einer Wohnung suchen sollten.» Gleichzeitig kamen auch aufseiten der Sozialdienste gewisse Schwächen zum Vorschein. Diese waren oft mit unzureichendem Material ausgestattet. Auch war das Personal nicht immer ausreichend geschult, um Klientinnen und Klienten in Bezug auf digitale Angebote optimal zu unterstützen. «Da entstand die Idee, eine Schulung für die Fachleute anzubieten», sagt Julien Nicolet.  

Für das Sozialamt war von Anfang an klar, dass dies in Zusammenarbeit mit einem externen Partner geschehen soll. An der SKOS-Tagung 2022 – diese fand nach zwei Jahren Pandemie wieder physisch statt – traf Julien Nicolet auf Christine Mühlebach vom Kompetenzzentrum Digitalisierung und Soziale Arbeit von Sozialinfo. An der SKOS-Tagung hielt sie ein Referat zum Thema «Digitale Transformation: Herausforderungen und Perspektiven für die Sozialhilfe». Für Julien Nicolet war klar, dass der Kanton Freiburg seine Schulung gemeinsam mit Sozialinfo entwickeln und durchführen wollte. Gesagt, getan. In den folgenden Monaten stellte Christine Mühlebach gemeinsam mit der Politikwissenschafterin Manuela Honegger, welche die französischsprachigen Schulungen leiten würde, einen Lehrgang für die Sozialdienste des Kantons Freiburg zusammen.

Den Austausch fördern

Die Pilotschulung wurde schliesslich an drei Tagen im April und Mai 2023 durchgeführt und war vollgepackt mit spannenden Themen. So lieferten die beiden Dozentinnen unter anderem Grundlagen zur Digitalisierung im Kontext der gesellschaftlichen Entwicklung. Auch thematisierten sie die Tatsache, dass es sich bei der Sozialen Arbeit und der Informatik nach wie vor um zwei verschiedene Welten handelt und zeigten gleich Möglichkeiten auf, wie die interdisziplinäre Kommunikation verbessert werden kann. Damit nicht genug: Neben dem theoretischen Grundwissen erhielten die gut 30 Teilnehmenden konkrete methodische Werkzeuge mit auf den Weg, um ihre Klientinnen und Klienten besser unterstützen zu können. Auch gingen die Kursleiterinnen auf die Frage ein, wie die Soziale Arbeit den digitalen Wandel mitgestalten kann.  

Die Pilotschulung kam bei den Teilnehmenden sehr gut an, wie die Rückmeldungen zeigten. «Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden es innovativ und sehr hilfreich», sagt Julien Nicolet. Eine Einschätzung, die Christine Mühlebach teilt: «Besonders schätzten die Teilnehmenden den Austausch untereinander.» Es sei immer wertvoll, von anderen zu hören, was bei ihnen funktioniert hat oder welche Pläne sie verfolgen. Bei einem künftigen Kurs plant sie daher auch, noch mehr auf den Austausch zu setzen, sagt die ausgebildete Sozialarbeiterin rückblickend. «Wir werden die Schulung etwas anpassen und modernisieren.». Zum Beispiel, indem die Teilnehmenden ein digitales Dossier mit den theoretischen Grundlagen erhalten, das sie dann lesen können, wenn sie gerade Zeit haben. Bei den physischen Treffen sollen dann der Austausch und die Reflexion im Zentrum stehen.   

Es sind dies Anpassungen, die auch Julien Nicolet begrüssen würde. Es habe sich zudem gezeigt, dass drei ganze Tage zu lang seien. Gerade für die kleineren Sozialdienste mit wenig Personal sei es kaum möglich, so lange auf mehrere Fachpersonen gleichzeitig zu verzichten. Zudem fände er es sinnvoll, wenn noch mehr mit konkreten Beispielen gearbeitet würde. Ein weiterer Punkt: Er sei der Meinung, dass es sich lohnen würde, diese Schulungen zielgruppendefinierter anzubieten. «Eine Sozialarbeiterin, die die Ausbildung vor 25 Jahren absolviert hat, hat andere Bedürfnisse als der junge Berufskollege, der frisch von der Fachhochschule zum Team gestossen ist.» Auch Christine Mühlebach sieht verschiedene Möglichkeiten, das Angebot auszubauen. Sie könnte sich sehr gut vorstellen, dereinst eine Schulung für Leitungspersonen sowie für Politiker*innen und Kommissionsmitglieder zu konzipieren.  

Politischer Support als Voraussetzung

Für Julien Nicolet ist klar, dass das Kantonale Sozialamt Freiburg auch künftig Schulungen zum Thema digitale Inklusion anbieten möchte – «und gerne wieder mit Sozialinfo». Und er kann andere Kantone und Gemeinden nur dazu ermutigen, es dem Kanton Freiburg gleichzutun. «Solche Investitionen zahlen sich langfristig aus.» Eine wichtige Voraussetzung sei die Unterstützung der Politik, die solche Massnahmen zum Beispiel in die Legislaturziele aufnehme. Und es brauche Menschen, die sich dafür einsetzten, dass sie auch tatsächlich realisiert würden. Im Kanton Freiburg ist das auch der für Gesundheits- und Sozialthemen zuständige Staatsrat Philippe Demierre (SVP). In seiner Eröffnungsrede an der 11.  Konferenz für Sozialfragen des Kantons Freiburg im April 2022 betonte Demierre, wie wichtig es sei, sich der digitalen Transformation nicht zu verschliessen. Aber diese dürfe nicht auf Kosten jener gehen, die am Rande der Gesellschaft stehen.  

«Wir dürfen nie vergessen, im Herzen jeder Aktion, jedes sozialen Engagements, steht ein Mensch – ein Mann, eine Frau, ein Kind, eine ältere Person – in einer prekären Situation, mit einer Behinderung, am Rande von unserer Gesellschaft. Digitalisierung des sozialen Handelns, ja. Entmenschlichung, nein.»  (Philippe Demierre)

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