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Berufseinsteigende auf dem Sozialdienst: Strategien für einen gelungenen Start

08.01.2025 - 4 Min. Lesezeit

Sozialhilfe
Portrait von Susan von Gunten

Susan von Gunten

Sozialarbeiterin MSc, Stv. Bereichsleitung KES Sozialdienst Zulg / Steffisburg

Zwei Frauen sitzen vor dem Computer und unterhalten sich.

Eine gezielte Einarbeitung von Berufseinsteiger*innen bringt zahlreiche Vorteile für Sozialdienste. Sie erleichtert Nachwuchskräften den Einstieg in das herausfordernde Arbeitsumfeld und hilft, die hohe Fluktuation in sozialen Organisationen zu reduzieren, die häufig zu Fachkräftemangel führt. Die Autorin gibt praxisnahe Empfehlungen für Arbeitgebende, die weit über den Sozialdienst hinaus relevant sind.

Der Einstieg in die Soziale Arbeit auf einem Sozialdienst ist für Berufseinsteigende ein intensiver, facettenreicher und herausfordernder Prozess. Sie finden sich in einem Arbeitsfeld wieder, das geprägt ist von komplexen Aufgaben, Dilemma-Situationen und fordernden Rahmenbedingungen. Neben einer Vielzahl an administrativen Tätigkeiten und organisatorischen Abläufen müssen Berufseinsteiger*innen Beziehungen zu Klient*innen und Kolleg*innen aufbauen sowie eine professionelle Haltung entwickeln. Dabei bleibt wenig Zeit, um in Ruhe anzukommen. Ein schneller Lernprozess ist unerlässlich, um die vielen Aufgaben bewältigen zu können.  Mit zunehmender Erfahrung entwickeln die Berufseinsteigenden Kompetenzen, Selbstbewusstsein sowie eine berufliche Identität. Diese Faktoren begünstigen dann eine zunehmende Freude am Arbeitsfeld. Eine Schlüsselfrage ist, wie Arbeitgebende den Einstieg in diesen anspruchsvollen Beruf so gestalten können, dass Berufseinsteigende die Motivation behalten und sie langfristig im Handlungsfeld der Sozialdienste tätig bleiben. 

Die Bedeutung von Teams und Leitung

Berufseinsteigende profitieren stark von einem offenen und unterstützenden Teamklima, in dem sie Fragen stellen und Unsicherheiten thematisieren können. Diese zentralen Elemente wurden bereits in einer Forschungsarbeit von Sozialinfo und der FHNW als Bleibegründe für Mitarbeitende herausgearbeitet. 

Masterarbeit zum Berufseinstieg

Zwischen Februar und Juli 2024 verfasste die Autorin Susan von Gunten im Rahmen des kooperativen Masterstudiengangs der Sozialen Arbeit von Bern, Luzern und St. Gallen eine Masterarbeit, die sich mit dem Berufseinstieg von Sozialarbeitenden auf Sozialdiensten beschäftigte. Über den Zugang von qualitativen Leitfadeninterviews befragte sie Berufsabgänger*innen auf kommunalen und städtischen Sozialdiensten zu ihrem Berufseinstieg, um daraus Handlungsempfehlungen für die Praxis abzuleiten. Die folgenden Ausführungen stellen die Ergebnisse dieser Masterarbeit dar. 

Das Team dient nicht nur als Wissensquelle. Teammitglieder dienen ebenfalls als Vorbilder, die zeigen, wie sie mit Herausforderungen im Alltag umgehen. Besonders wertvoll ist es für Neueinsteigende, zu erkennen, dass auch erfahrene Kolleg*innen nicht immer sofort eine Lösung für jedes Problem aufzeigen können. 

Eine wichtige Aufgabe von Leitungspersonen ist es, Unsicherheiten und Ängste aufzufangen. Die Soziale Arbeit ist von ihrer Natur her eine Tätigkeit, in der Emotionsarbeit sehr wichtig ist, da Fachpersonen ständig in Interaktion mit anderen Menschen stehen. Daher ist gerade die Regulation und der Umgang mit den eigenen Emotionen essentiell. Themen wie emotionale Abgrenzung, Stressbewältigung und der Umgang mit Arbeitsbelastungen sollten somit aktiv von Leitungspersonen angesprochen werden.   

In den ersten Monaten hilft es, wenn die Einarbeitung engmaschig begleitet wird. Regelmäßige Gespräche, Feedback sowie das Angebot, in komplexen Situationen Rat einzuholen, sind grundlegend. Eine transparente und strukturierte Einführung – etwa durch klare Einarbeitungspläne, die Inhalte und Zeitrahmen vorgeben – gibt den neuen Mitarbeitenden Orientierung und Sicherheit.   

Zwischen Begeisterung und Überforderung 

Die Rückmeldungen der Berufseinsteigenden widerspiegeln ein ambivalentes Bild. Einerseits schätzen sie die Abwechslung und die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit. Der direkte Kontakt mit Klient*innen sowie das Gefühl, durch eigenes Handeln etwas bewirken zu können, stärkt das Selbstbewusstsein und fördert das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Andererseits erleben viele die hohe Arbeitsbelastung und die Vielzahl an Erwartungen als Überforderung.  

Ein zentraler Punkt ist die emotionale Belastung, die oft ins Privatleben überschwappt. Die Berufseinsteigenden berichten von Schwierigkeiten, nach Feierabend abzuschalten. Freizeit wird häufig darauf ausgerichtet, die für die Arbeit benötigte Energie zu erhalten. Der Übergang von der Rolle als Studierende oder Praktikant*innen hin zu eigenverantwortlich handelnden Fachkräften ist ein einschneidender Prozess, der Zeit und Unterstützung erfordert. 

Struktur und Flexibilität im Einarbeitungsprozess 

Ein durchdachter Einarbeitungsplan bildet die Grundlage für einen erfolgreichen Start. Dieser sollte klare Orientierungspunkte wie die Einführung in verschiedene Arbeitsbereiche, feste Termine zur Wissensvermittlung und die Möglichkeit für regelmäßige Feedbackgespräche beinhalten. Gleichzeitig muss der Prozess flexibel genug sein, um auf die individuellen Bedürfnisse der neuen Mitarbeitenden einzugehen.  

Während einige schnell Fachwissen aufnehmen, aber Probleme bei der emotionalen Abgrenzung haben, benötigen andere Unterstützung in organisatorischen Abläufen. Hilfreich ist es, wenn mehrere Teammitglieder die Einarbeitung begleiten, sodass die Verantwortung nicht allein auf den Schultern der Führungskraft liegt. Im bereits erwähnten Artikel von Olivier Rode ist diese Verteilung der Arbeitsbelastung ein wichtiger Faktor, um die Mitarbeitenden zu entlasten und weiter zu motivieren.  

Regelmäßige Reflexionen über Fortschritte und Herausforderungen helfen den jungen Fachkräften, ihren Lernprozess und die eigene Entwicklung bewusst wahrzunehmen.

Herausforderungen durch Arbeitsbelastung und Personalfluktuation 

Ungünstige Rahmenbedingungen können den Einstieg erschweren. Berufseinsteigende berichten von Unsicherheiten, wenn grundlegende Informationen fehlen oder Prozesse unklar sind. Wissen sammeln zu müssen ist zeitaufwendig und frustriert. Hier können gut strukturierte schriftliche Leitfäden helfen, die Fakten zugänglich machen und Orientierung bieten.  

Die Realität vieler Sozialdienste ist zudem von hoher Arbeitsbelastung und Personalfluktuation geprägt. Gerade in dieser Situation ist es wichtig, Berufseinsteigende nicht zusätzlich zu belasten. Die Einarbeitung sollte trotz äußerer Umstände priorisiert werden, um Überforderung und Frustration zu vermeiden. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die neuen Mitarbeitenden längerfristig gehalten werden können.

Handlungsempfehlungen für einen erfolgreichen Berufs- und Arbeitseinstieg 

Für eine gelungene Einarbeitung empfehlen sich somit folgende Maßnahmen: 

  • Klare Rahmenbedingungen schaffen: Ein zentral gelegener Büroplatz, reduzierte Stellenprozente zu Beginn und die Möglichkeit, kognitiv anstrengende Arbeiten im Homeoffice zu erledigen, können den Einstieg erleichtern. 
  • Struktur und Orientierung bieten: Ein Einarbeitungsplan mit klaren Zeitrahmen und Inhalten sollte administrative Abläufe und Fachthemen berücksichtigen. Das Lernen am konkreten Fall ist meist am hilfreichsten, um Fachthemen zu begreifen. Fachthemen immer wieder hervorholen und anschauen. Zudem hilft die Vernetzung mit Angeboten im Sozialraum der Klient*innen, um in der täglichen Fallarbeit handlungsfähiger zu werden. 
  • Individuelle Begleitung sicherstellen: Die Einarbeitung sollte auf die persönlichen Vorerfahrungen und Bedürfnisse der Berufseinsteigenden abgestimmt werden. Regelmäßige Reflexionsgespräche helfen, sich der eigenen Entwicklung bewusst zu werden. 
  • Team einbeziehen: Erfahrene Mitarbeitende oder sogar das ganze Team in die Einarbeitung einzubinden, entlastet nicht nur die Leitung, sondern stärkt zudem den Teamzusammenhalt. 
  • Emotionale Belastung thematisieren: Die Themen Emotionsarbeit und Abgrenzung müssen aktiv in die Einarbeitung integriert werden. Eine benannte Ansprechperson kann den Prozess begleiten und den Berufseinsteigenden Strategien auf den Weg mitgeben. In dieser Zeit ein Tagebuch zu führen, kann hilfreich sein. 
  • Gesunde Fehlerkultur fördern: Fehler als Lernchance zu sehen, gibt den Berufseinsteigenden Sicherheit, fördert ihre Entwicklung und hilft, Unsicherheiten abzubauen. 
  • Langfristige Perspektive berücksichtigen: Leitungspersonen sollten sich bewusst sein, dass der Lernprozess oft ein bis zwei Jahre dauert und regelmäßige Unterstützung erfordert. Zu Beginn benötigen Berufseinsteigende eine sehr engmaschige Begleitung.
  • Ressourcen schaffen: Arbeitgeber*innen sollten ausreichende Ressourcen bereitstellen – sei es durch reduzierte Stellenprozente in der Anfangszeit oder durch regelmäßige Weiterbildungsangebote. Diese müssen möglicherweise bei politischen Gremien eingefordert werden. 

Fazit: Der Schlüssel zum Erfolg liegt im gemeinsamen Start 

Die Einarbeitung von Berufseinsteigenden in Sozialdiensten erfordert Zeit, Geduld und gezielte Unterstützung. Ein strukturierter Einarbeitungsprozess entscheidet über einen erfolgreichen Start in die Soziale Arbeit. Der Aufwand lohnt sich: Zufriedene, gut integrierte Mitarbeitende bleiben langfristig im Team und tragen zu einer stabilen und wohlwollenden Arbeitsumgebung bei. 

Neben der Verantwortung, die Leitungspersonen und das Team für die Einarbeitung tragen, müssen Berufseinsteigende aktiv an ihrer Entwicklung arbeiten und sich bewusst mit ihrer Rolle und den Herausforderungen im Alltag auseinandersetzen. Nur so bietet sich ihnen die Möglichkeit, einen erfüllenden und sinnstiftenden Beruf auszuüben. 

Autor*in