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Zusatzversicherung / Komplementär

Veröffentlicht:
13.09.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Eine 31-jährige Frau hat ihre Zusatzversicherung nach VVG seit Jahren bei der Visana, u.a. Komplementär II abgeschlossen. Sie ist seit Jahren in medizinischer Massage Behandlung wegen schmerzhafter Rückenverspannungen/Kopfschmerzen, ebenfalls seit Jahren in Behandlung bei einer Kinesiologin (u.a. Todesfall in der Familie).
Die Visana will ihr nun keinerlei komplementärmedizinische Behandlungen mehr übernehmen.
Folgende Begründungen bringt die Visana:

  • Der Nachweis für die wirksame, zweckmässige und wirtschaftliche komplementärmässige Behandlung fehlt
  • Komplementärmedizinische Behandlungen müssen nach 12 - 15 Sitzungen abgeschlossen sein, in Ausnahmefällen nach 20 - 22 Sitzungen
  • Komplementärmässige Behandlungen können erst wieder übernommen werden, wenn der ärztliche / psychologische Nachweis erbracht wurde, dass in letzter Zeit eine Physiotheraphie stattgefunden hat und eine psychologische/psychiatrische Abklärung unternommen wurde. (Physiotherapie wurde 2x gemacht – Visana ist darüber informiert, Pyschologische Abklärung jedoch nicht, dies ist nach Ermessen der Patientin und des Schreiben des Hausarztes auch nicht notwendig, da sie mit der Kinesiologie die richtige Behandlungsmethode gefunden hat.)
    Hat die Visana wirklich das Recht, der Kundin nichts mehr zu bezahlen über die Komplementärversicherung? Die Visana kann doch nicht entscheiden, ob für die Kundin die Behandlungen gut waren oder nicht, niemand weiss, wie es ohne diese Behandlungen wäre. Nicht einmal Schwangerschaft rechtfertigen eine Komplementär-Theraphie gemäss der Visana. Unverständlich ist auch, dass diese Einschränkung auf Lebzeiten so sein soll. Dies wurde so am Telefon bestätigt.
    Welches Vorgehen empfehlen Sie im vorliegenden Fall? Vielen Dank für Ihre Beratung.

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrter Herr Schmid
Im Bereich der Zusatzversicherungen zur Krankenversicherung richten sich die Versicherungsbedingungen nach den konkreten vertraglichen Vereinbarungen und ergänzend nach dem Versicherungsvertragsgesetz.
Generell bestehen diverse Obliegenheiten der versicherten Person aus dem VVG (Art. 38 VVG) und aus den vertraglichen Vereinbarungen. Für die Visana bestehen Allgemeine Versicherungsbedingungen für alle Zusatzversicherungen und Zusatzbedingungen für spezifische Versicherungen wie die Komplementär-Versicherung. Diese Versicherungsbedingungen sind auf der Homepage der Versicherung verfügbar.
So sieht Ziff. 8.2. der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Visana für Zusatzversicherungen vor, dass die Visana direkt Unterlagen und Auskünfte einfordern darf und sich die/der Versicherte sich zur Abklärung von Versicherungsansprüchen eine Untersuchung durch einen von der Visana Versicherungen AG bezeichneten Arzt zu unterziehen hat. Allgemeine Grenze solcher Verpflichtungen ist gemäss Rechtsprechung und Lehre die Verhältnismässigkeit und Zumutbarkeit.
Für die Komplementärversicherung der Visana ergibt sich aus Ziff. 1.1 der Zusatzbedingungen (ZB) zur Zusatzversicherung Komplementär (Stand ab 2017) weiter, dass Leistungen aus Komplementär nur erbracht werden für wirksame, zweckmässige und wirtschaftliche (WZW) diagnostische und therapeutische Massnahmen/Medikamente auf dem Gebiet der Komplementärmedizin.
Die im vorliegenden Fall bestehende Auslegung dieser Bedingungen seitens der Versicherung lautet, dassss komplementärmedizinische Behandlungen nach 12 - 15 Sitzungen abgeschlossen sein müssten, in Ausnahmefällen aber nach 20 - 22 Sitzungen, und ansonsten nicht als WZW gelten können, ausser wenn der ärztliche / psychologische Nachweis erbracht wurde, dass in letzter Zeit eine Physiotherapie stattgefunden hat und eine psychologische/psychiatrische Abklärung unternommen wurde. Diese Auslegung ist so in den Vertragsbedingungen nirgends explizit verankert.
Immerhin besteht aber wie beschrieben in den AVB eine Grundlage, soweit notwendig und zumutbar eine ärztliche Untersuchung anzuordnen und eine andere Grundlage in den ZB, dass Leistungen nur bei Erfüllen der WZW-Kriterien übernommen werden müssen.
Strittig ist also hier, welche Abklärung notwendig ist, bzw. ob die kinesiologische Behandlung weiterhin wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich ist.
Will man darüber streiten, müsste dies – weil es sich um eine VVG-Zusatzversicherung handelt – auf dem Zivilweg geschehen. Hier trägt die versicherte Person die Beweislast für die WZW der Therapie, aber auch dafür, dass eine ärztliche Abklärung (hier psychologisch/psychiatrisch) unzumutbar ist.
Vor diesem Hintergrund rate ich Ihnen, dass sich die Patientin entweder der noch nicht erfolgten psychologisch-psychiatrischen Abklärungen (in Absprache mit der Versicherung) unterzieht oder aber, dass über den Hausarzt konkret schriftlichausgeführt wird, weswegen dies nicht zumutbar sein soll. Auch bezüglich der Frage der Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit der Behandlung wäre über einen konkreten Bericht des Hausarztes und des behandelnden Kinesiologen die Wirksamkeit und Zweckmässigkeit der langzeitigen Behandlung möglichst glaubhaft zu machen.
Für das Weitere rate ich aber dazu, dass die betroffene Person die Ombudsstelle Krankenversicherung in Luzern um Beratung und Vermittlung bittet. Über diese Stelle könnte auch geprüft werden, ob die hier von der Visana aufgestellten Kriterien für die gewählte Behandlung üblich sind oder nicht. Vgl. https://www.om-kv.ch/
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot