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Vorgehen Trennung bei Konkubinat mit Kindern bei gemeinsamen Sorgerecht

Veröffentlicht:
28.01.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrte Fachpersonen

Meine Frage (Bereich betriebliche Sozialberatung):

Meine Klientin lebt mit dem Vater ihrer beiden Kinder (5/1) zusammen.  Der Vater ist Ausländer, seit 6 Jahren in der Schweiz, seit längerem mit abgelaufener Aufenthaltsbewilligung L, arbeitet nicht und beteiligt sich gemäss Klientin nicht an der Kinderbetreuung / Haushalt. Die Klientin ist zu 60 % berufstätig - die Familie wird bisher für die Existenzsicherung zusätzlich von den Eltern der Klientin mitunterstützt.

Beim Zivilstandstamt wurde bei Geburt der Kinder die Kindsanerkennung sowie Erklärung gemeinsames Sorgerecht gemacht. Es besteht kein Unterhaltsvertrag / sonstige Vereinbarung zwischen den Konkubinatspartnern / Eltern.

Meine Klientin möchte sich jetzt vom Partner trennen und alleine das Sorgerecht beantragen. Ist es richtig, dass Sie sich dazu beim zuständigen Familiengericht (KESB) melden muss?

Schwierigkeit ist, dass sich der Konkubinatspartner nicht trennen will, die Trennungsabsicht also einseitig von der Klientin her kommt.

Meine Klientin hat Angst vor Kindesentführung des Vaters bei Trennung, möchte den bestmöglichen Schutz der Kinder in der Trennungsangelegenheit gewährleisten.

Haben Sie Kenntnis, wie meine Klientin vorgehen soll? Und ist in diesem Falle auch das Familiengericht (KESB) zuständig?

Nicht ihr Bereich, aber Frage: Hat meine Klientin Meldepflicht i.S. abgelaufener Aufenthaltsbewilligung ihres Konkubinatspartners / Vater der Kinder? Resp. hat das Familiengericht / antragstellende Behörde Meldepflicht dazu? Wenn ja, welche ist die zuständige Behörde?

Danke für Ihre Auskunft und

Beste Grüsse

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrte Frau Dennler

Nach Art. 298d ZGB regelt die KESB auf Begehren eines Elternteils, des Kindes oder von Amtes wegen die Zuteilung der elterlichen Sorge neu, wenn dies wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist. Die Anforderungen an die Zuteilung der Alleinsorge sind allerdings hoch. Kooperationsverweigerung oder Kommunikationsstörungen reichen nicht aus bzw. sie müssen ein Ausmass erreicht haben, das zu einer konkreten Kindeswohlgefährdung führt (vgl. BK-Affolter/Vogel, Art. 298d N 12). Die Mutter hat sich also an die KESB am zivilrechtlichen Wohnsitz des Kindes zu wenden (Art. 315 Abs. 1 ZGB).

Die Mutter kann sich, wenn ernsthafte Hinweise auf eine Entführungsgefahr vorliegen, auch an die KESB wenden bzw. das anlässlich des Antrags auf Neuzuteilung der elterlichen Sorge thematisieren. Die KESB kann eine Reihe von Präventivmassnahmen anordnen, wie bspw. eine Ausreisesperre beantragen oder das Besuchsrecht einschränken (vgl. dazu auch https://www.beobachter.ch/familie/kinder/entfuhrungsgefahr-wie-die-kinder-schutzen).

Auch eine Familienmediation/Trennungsberatung könnte hilfreich sein (vgl. z.B. https://www.kinderimblick.ch/).

Informativ ist der Leitfaden des Internationalen Sozialdiensts (SSI) von 2015 ("Familienkonflikte bewältigen. Ein Leitfaden zur internationalen Familienmediation"), abrufbar auf https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/gesellschaft/kindesentfuehrung/lf-ssi-familienkonflikte-d.pdf.

Im Merkblatt des Bundesamts für Justiz „Bedeutung der neuen Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über die gemeinsame elterliche Sorge bei internationalen Fällen“ kann sich die Mutter einen Überblick über die Rechte und Pflichten verschaffen, abrufbar auf https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/gesellschaft/kindesentfuehrung/mb-elterliche-sorge-und-kindesentfuehrung-d.pdf.

Die Frage mit der Meldepflicht/abgelaufene Bewilligung kann ich nicht beantworten. Eine Ausländerberatungsstelle oder das Migrationsamt kann Ihnen hier vielleicht weiterhelfen.

Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich.

Luzern, 31.1.2020

Karin Anderer