Guten Tag
Ein Patient wohnt seit einigen Jahren zusammen mit seiner Ehefrau in Hallwil, Kanton AG. Zuvor waren sie über Jahrzente im Kanton Luzern wohnhaft und haben dort auch immer noch ihr soziales Umfeld. Der damalige Umzug in den Kanton AG erfolgte aus privaten Gründen.
Der Patient ist nun schwer pflegebedürftig und muss ins Pflegeheim. Die Ehefrau möchte zurück in die Innerschweiz nach Horw, wo es auch ein Pflegeheim gibt. Die Wohngemeinde Hallwil verweigert die Kostegutsprache für eine ausserkantonale Heimplatzierung, weshalb der Patient im Kanton Aargau bleiben muss, während seine Ehefrau wieder in den Kanton Luzern ziehen wird.
Was hat das Ehepaar für rechtliche Möglichkeiten, gegen den Entscheid der Gemeinde vorzugehen? Kann die Ehefrau während der Zeit des Rehaaufenthaltes ihres Ehemannes die Schriften noch schnell in den Kanton Luzern zügeln, bevor der Eintritt ins Pflegeheim stattfindet (z.B. wenn sie ihre neue Wohnung schon beziehen kann und den Ehemann dort ebenfalls anmeldet)?
Ich danke für eine Rückmeldung und die Bemühungen.
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrter Herr Bertschinger
1) Um eine präzise Antwort zu geben benötige ich noch eine Information: Worau bezieht sich die Verweigerung der Kostengutsprache? Auf die Finanzierung der Restpflege (also der Pflegekosten, die über den Krankenkassenbeitrag und über den Selbstbehalt bzgl. Pflege gehen? Oder auf die Sozialhilfe? Und liegt bereits eine Verfügung vor?
Ich mache hier einmal Ausführungen zu den Regeln, wenn es um die Pflegefinanzierung geht. Sollte es um andere Aspekte gehen, bitte ich Sie, eine Nachfrage zu stellen.
2) Gemäss Art. 25a Abs. 5 KVG ist der Kanton zuständig, in dem die Person den Wohnsitz hat. Der Aufenthalt in einem Pflegeheim begründet keine neue Zuständigkeit. Kann der Person zum Zeitpunkt des Heimeintritts kein Pflegeheimplatz in geografischer Nähe im Wohnkanton zur Verfügung gestellt werden, müssen auch ausserkantonle Kosten übernommen werden nach den Regeln des Standortkantons des Leistungserbringers.
3) Das heisst auch, dass für den Fall, dass ein Pflegeheimplatz in der Nähe des Wohnortes angeboten werden kann, die Kostenübernahme auf die Tarife im Wohnkanton (vor dem Heimeintritt) beschränkt werden können. So auch § 14a Pflegegesetz Kanton Aargau (https://gesetzessammlungen.ag.ch/app/de/texts_of_law/301.200/versions/2163).
Im Zweifel kann es sinnvoll sein, im vorliegenden Fall eine begründete Verfügung zu verlangen, um eine Grundlage für die Prüfung einer möglichen Anpassung zu erlangen.
Da der Betroffene wohl zivilrechtlichen Wohnsitz im Kanton Aargau hat, müssten aber wohl zumindest für die nicht von der Krankenkasse getragenen Pflegekosten in Luzern auch die Kosten getragen werden, die auch im Aargau übernommen worden wären/würden (abzüglich Selbstbehalt).
4) Ein sehr kurzfristiger Wechsel der Wohnung nach Luzern dürfte wohl für einen Wohnsitz- und somit einen Lebensmittelpunktwechsel vor dem Heimeintritt kaum genügen. Anders wäre es aber, wenn die Wohnsitznahme mehrere Monate erfolgen würde vor dem Heimeintritt. Dann dürfte praxisgemäss kaum abgelehnt werden können, dass jemand den Aufenthalt mit der Absicht des dauernden Verbleibes gewechselt hat.
5) Wenn es um die Kosten für die Hotelerie und Betreuung geht, so ist die Finanzierung aus eigenen Mittel, bzw. in aller Regel aus der EL zu gewähren. Dafür zuständig ist ebenfalls die EL-Stelle des Wohnkantons vor dem Heimeintritt (Art. 4 Abs. 1 ELG; Art. 21 ELG).
6) Im Weiteren als ergänzende Information zur Klärung mit Blick auf die Möglichkeit der Finanzierung des Pflegebedarfs: Wurden hier schon Hilflosenentschädigungen nach AHVG geltend gemacht; bzw. Ergänzungsleistungen inkl. Krankheits- und Behinderungskosten beantragt. Dabei gilt, dass eine Hilflosenentschädigung der AHV geltend gemacht werden kann, wenn eine Person in leichtem, mittelschwerem oder schwerem Grad hilflos ist. Die Hilflosigkeit muss ununterbrochen mindestens ein Jahr gedauert haben und es darf kein Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der obligatorischen Unfallversicherung oder der Militärversicherung bestehen. Hilflos ist dabei, wer für alltägliche Lebensverrichtungen (Ankleiden, Körperpflege, Essen usw.) dauernd auf die Hilfe Dritter angewiesen ist, bzw. dauernder Pflege oder persönlicher Überwachung bedürfen.
Die Entschädigung beträgt bei einer Hilflosigkeit: bei leichtem Grad 239 Franken; bei mittlerem Grad 598 Franken, bei schwerem Grad 956 Franken. Der Anspruch auf die Hilflosenentschädigung leichten Grades der AHV besteht allerdings nur bei einem Aufenthalt zu Hause. Die Hilflosenentschädigung ist von Einkommen und Vermögen unabhängig. Wenn bis vor Erreichen des Rentenalters eine Hilflosenentschädigung der IV bezogen wurde, so wird weiterhin eder Betrag in gleicher Höhe von der AHV gewährt. (Art. 43bis AHVG)
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot