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Verwandtenunterstützung

Veröffentlicht:
07.05.2020
Kanton:
Nidwalden
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

 

Im Rahmen der WSH beschäftige ich mich aktuell mit folgendem Fall:

Frau X hat Anspruch auf WSH im Rahmen der Heimtaxdifferenz. Sie hat keinen Anspruch auf EL. Im September 2012 wurde das Haus von Frau X an ihre Tochter und deren Ehemann verkauft. Im März 2020 haben die Tochter von Frau X und deren Ehemann das Haus, nach einer Renovation, veräussert. Das Haus wurde an eine Familie (nicht verwandtschaftlich) verkauft. Die Tochter und der Ehemann von Frau X sind somit zu Vermögen gekommen.

Gemäss den Empfehlungen der SKOS ist die Verwandtenunterstützungspflicht anhand der Steuerdaten zu prüfen. Nun ist die Veräusserung des Hauses ja aber erst im März 2020 vorgenommen wurden und daher der Vermögensanfall noch nicht in der Steuererklärung 2019 ersichtlich.
Welches Vorgehen ist in solch einem Fall zu verfolgen? Ist es überhaupt möglich, bereits zum jetzigen Zeitpunkt die Verwandtenuntersützung zu prüfen? Wenn ja; welche Dokumente/ Belege sind für die Prüfung der Verwandtenunterstützung einzuholen?

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Käslin

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

Wie Sie richtig schreiben, sind im Kanton Nidwalden für die Bemessung der Unterstützungsleistungen die SKOS-Richtlinien massgebend (Verweis in § 8 SHV). In diesen wird in Kapitel F.4 festgehalten, wer nach Art. 328 und 329 ZGB unterstützungspflichtig ist: auf- und absteigende Linie (KInder - Eltern - Grosseltern) und dass diese in günstigen Verhältnissen leben müssen. Die SKOS geht davon aus, dass verheiratete Personen nur dann in günstigen Verhältnissen leben, wenn sie ein steuerbares Einkommen von mindestens Fr. 180'000.-- haben. Das Einkommen setzt sich aus dem effektiven Einkommen und einem Vermögensverzehr zusammen (Kapitel H.4 SKOS-Richtlinien). Dieser Vermögensverzehr wird folgendermassen berechnet: Steuerbares Vermögen abzüglich Fr. 500'000.-- Freibetrag (bei Verheirateten). Der verbleibende Betrag wird je nach Alter der pflichtigen Person umgewandelt (die Berechnung lässt sich dem Kapitel H.4 entnehmen. Ich kann nicht mehr sagen, da ich das Alter der Tochter nicht kenne). Diesem Einkommen wird eine Pauschale für gehobene Lebensführung gegenüber gestellt (Fr. 15'000.--). Als Verwandtenunterstützungsbeitrag gilt die Hälfte der ermittelten Differenz zwischen dem anrechenbaren Einkommen und der Pauschale. Bei Ehepaaren ist der Überschuss durch zwei zu teilen und dann zu halbieren.

Die SKOS-Richtlinien besagen nicht, gestützt auf welche Grundlagen das Einkommen und die Vermögenswerte zu berechnen sind. Allerdings wird vom "steuerbaren Vermögen" und vom "steuerbaren Einkommen" gesprochen. Wie hoch das steuerbare Vermögen und Einkommen ist, ist aber erst bekannt, wenn eine definitive Steuerveranlagung vorliegt. Praxisgemäss stellen deshalb die meisten Kantone auf die letzte definitive Steuerveranlagung ab, um zu berechnen, ob die Limite für die Verwandtenunterstützungspflicht erreicht ist. Ist sie erreicht, werden die Verwandten angeschrieben und wenn möglich der korrekte Betrag gestützt auf die aktuellen Verhältnisse errechnet. Wie die Berechnung aber konkret zu erfolgen hat, hat schussendlich das Zivilgericht zu entscheiden, denn es handelt sich um eine zivilrechtliche Pflicht.  

Immer möglich ist die Leistung freiwilliger Verwandtenunterstützung.

Ich persönlich würde deshalb folgendes raten: Bestellen Sie bei der Steuerbehörde Nidwalden die letzte definitive Steuerveranlagung der Tochter und ihres Mannes. Berechnen Sie, ob die Tochter danach pflichtig wäre (Mindesteinkommen inkl. Berücksichtigung Vermögenquote gestützt auf diese Veranlagung muss Fr. 180'000.-- sein). Falls die Tochter und ihr Mann diese Limite erreichen, nehmen Sie Kontakt mit der Tochter auf und bitten sie um die aktuellen Unterlagen zu ihren finanziellen Verhältnissen (Lohnbelege und Vermögen). Reicht sie die Unterlagen ein, berechnen sie gestützt auf diese die aktuelle Höhe und versuchen Sie dann eine Einigung mit der Tochter zu erzielen. Reicht die Tochter die Unterlagen nicht ein, reichen Sie ein Schlichtungsgesuch ein und fordern mindestens den aufgrund der Steuerveranlagung errechneten Betrag, machen dann aber an der Schlichtungsverhandlung geltend, dass sich das Vermögen der Tochter im Jahre 2020 erhöht habe und dies zu berücksichtigen sei. Das Gericht habe die Unterlagen von der Tochter einzufordern. Wenn die Tochter aufgrund der letzten definitiven Steuerveranlagung nicht pflichtig ist, überlegen Sie, ob sie vorerst auf die Geltendmachung von Verwandtenunterstützung verzichten, die nächste Steuerveranlagung aber erneut prüfen oder ob Sie die Tochter dennoch anschreiben, sie über die Verwandtenunterstützungspflicht aufklären und von ihr die aktuellen Unterlagen (Lohnbelege und sämtliche Vermögensbelege wie insbesondere Kontoauszüge) verlangen bzw. versuchen, eine Einigung zu finden und ob sie beim Scheitern einer Vereinbarung dennoch ein Schlichtungsgesuch einreichen, wobei es dann schwierig ist, eine Unterstützungssumme zu benennen.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach