Zum Inhalt oder zum Footer

Verspätete Abgabe der Krankheitszeugnisse an die Einzeltaggeldversicherung, Auswirkung auf die Arbeitslosenkasse

Veröffentlicht:
22.09.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Ich wende mich bezüglich eines Klienten an Sie.

Der Klient ist seit April 2021 arbeitslos. Er erhielt bis und mit Juni Taggelder der Arbeitslosenkasse. Teilweise war er während dieser Zeit krankgeschrieben.

Am 23.06.21 machte der Klient einen Übertritt in die Einzeltaggeldversicherung. Er informierte die Arbeitslosenkasse über die abgeschlossene Einzeltaggeldversicherung (Police VVG Krankentaggeldversicherung am 09.07.2021 ausgestellt bekommen).

Der Klient hat die Krankenkasse am 29. Juli über seine 100% Arbeitsunfähigkeit ab 25. Juni 2021 informiert. Ihm war nicht bewusst, dass er der Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeitszeugnisse ab April 2021 zustellen muss. Es lag nicht in seinem Interesse, mutwillig etwas nicht abzugeben.

Aufgrund dieser verspäteten Meldung verweigert die Krankenkasse die Auszahlung von Krankentaggeldern vor dem 29. Juli 2021. Zudem gewährt die Krankenkasse erst dann die Auszahlung der Taggelder, wenn der Klient alle bis dahin noch offenen Prämienrechnungen begleicht. Dies ist für den Klienten aktuell nicht möglich, da er kein Einkommen und kein Vermögen hat.

Die Arbeitslosenkasse teilt mit, dass auch sie keine Taggelder ausbezahlt, da sie nicht für Leistungen der Krankentaggeldversicherung einspringen könne, welche der Versicherte aus eigenem Verschulden nicht beziehen könne. Dies ist für den Klienten nicht verständlich, da er seit 17. August 2021 wieder in einem Arbeitsmarktprogramm des regionalen Arbeitslosenvermittlungszentrums arbeitet.

Weil er seine Krankheitszeugnisse zu spät an die Einzeltaggeldversicherung abgab, hat er nun eine Einkommenslücke bei der Krankentaggeldversicherung und Rückzahlungsforderungen in der Arbeitslosenkasse für die Zeit der «verspäteten Anmeldung der Krankentaggeldversicherung». Aufgrund dieser Unstimmigkeit zahlt aktuell die Krankentaggeldversicherung keine Leistungen seiner 50%igen Arbeitsunfähigkeit und sie informierten ihn über eine vertrauensärztliche Abklärung, vor einer allfälligen Auszahlung. Die Arbeitslosenkasse zahlten ihm für Juli und August 2021 keine Leistungen und machten eine Verrechnung mit der Krankentaggeldversicherung, weil er dort auf Leistungen verzichtet hat. Der Klient hat somit kein Einkommen.

Der Klient ist psychisch sehr stark angeschlagen. Zu seiner psychischen Erkrankung kam auch noch der Verdacht auf Krebs auf, bei dem erst Ende Juli 2021 Entwarnung gegeben wurde. Zudem ist am 29. Mai 2021 sein Vater verstorben und er konnte nicht an die Beerdigung gehen.

Nun stellt sich uns die Frage, ob die Entscheidung der Krankentaggeldversicherung angefochten werden kann, weil er psychisch angeschlagen war und Vorgehen hinsichtlich Abgabe von Arztzeugnisse nicht wusste? Wie soll der Klient vorgehen, wenn bereits ein Klärungsversuch mit der Krankenktaggeldversicherung scheiterte. Macht es auch Sinn, wenn der Klient gegen die Verfügung der Arbeitslosenkasse einspricht? (mit welchen Argumenten).

Besten Dank für Ihre Hilfe

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Lieber U.

Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass zwei verschiedene Verfahren mit je unterschiedlichen Grundlagen und Regeln parallel bestehen: Bei der Krankentaggeldversicherung ein privatrechtliches Verfahren, bei der Arbeitslosenversicherung das öffentlichrechtliche Verfahren nach ATSG und AVIG. 

a) Im Verfahren gegenüber der Krankentaggeldversicherung liegt ein privatrechtliches Verfahren vor, weil es sich um eine Taggeldversicherung nach VVG (Versicherungsvertragsgesetz) handelt. Mögliche Rechtsnachteile wegen der verspäteten Abgaben von Unterlagen müssten begründet werden können nach dem Reglement der Taggeldversicherung. 

Im Regelfall zulässig ist es aber, dass die Frage der Auszahlung von versicherungseigenen Abklärungen der Arbeitsunfähigkeit gemacht wird. In aller Regel finden sich in den AVB der Versicherung Grundlagen für den Vorbehalt vertrauensärztlicher Abklärungen. 

In aller Regel müsste hier die Nachlieferung der entsprechenden Unterlagen (also der entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbelege) und eventuell weitere Abklärungen der Versicherung zur Arbeitsunfähigkeit (AUF) genügen, dass die Leistungen noch gewährt werden, wenn die AUF ausgewiesen erscheint. Zumal die Ansprüche ja nicht verjährt sind.

Wenn sich die KTV weigert, so ist eine Klage anzudrohen und nach den entsprechenden Rechtsgrundlagen in den anwendbaren Versicherungsbedingungen nachzufragen.

Auf der Basis einer konkreten Durchsicht der Akten, der Korrespondenz mit der Versicherung und der AVB der Versicherung (Allgemeine Versicherungsbedingungen) kann entschieden werden, ob eine Klage sich hier lohnt. Dafür rate ich Euch, juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aus dieser konkreten Durchsicht der Unterlagen entscheidet sich auch , welchen Einfluss auf die Prozesschancen insoweit die Tatsache hat, dass den Betroffenen kein Verschulden am Versäumnis trifft.

b) Gute Chancen sehe ich mit einer Einsprache bei der Arbeitslosenversicherung. Hier ist zu beachten, dass solche Verrechnungen abhängig sind von einem eigentlichen Verzicht auf Leistungen. Und davon kann in casu keine Rede sein. 

Ein solches Vorgehen basiert auf Art. 30 Abs. 1 lit. b AVIG (analog). Es ist allerdings nur zulässig, soweit den Versicherten tatsächlich ein Verschulden trifft.

Die Einsprache ist also damit zu begründen, dass hier kein bewusster Verzicht vorliegt, und dass am Wegfall bzw. der Verzögerung der Leistungen der KTV kein (bzw. nur ein sehr geringes) Verschulden vorliegt. Dies ist nicht nur mit der Ahnungslosigkeit zu belegen. Sondern vor allem auch mit medizinischen Zeugnissen, die den im Fallbeschrieb dargelegten Schwächezustand belegen. 

Nach meiner Erfahrung bestehen gute Chancen, damit hier mit einer Einsprache gegen die Rückforderung erfolgreich zu sein. 

Ich hoffe, das dient Euch.

Beste Grüsse

Peter Mösch Payot