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Verrechnung von rückwirkend ausbezahlten Prämienverbilligung in der Sozialhilfe

Veröffentlicht:
04.03.2020
Kanton:
Uri
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Mein Klient hat im vergangenen Jahr für einige Monate in der zweiten Jahreshälfte und bis anfangs dieses Jahres Sozialhilfe bezogen. Der Sozialdienst hat für ihn dann für das ganze laufende Jahr 2019 zu 100 % Prämienverbilligung beantragt. Ende Jahr resultierte daraus ein Überschuss (weil der Klient seine KK-Prämie vor dem Bezug der SH immer bezahlt hatte), der von der Krankenkasse in der Folge dem Sozialdienst überwiesen wurde. Dieser Überschuss, der sich somit aus Prämienverbilligungen für Monate zusammensetzte, während derer der Klient noch gar keine Sozialhilfe bezogen hatte, wurde diesem von Seiten des Sozialdienstes als neues/aktuelles Einkommen angerechnet bzw. mit einer fortgesetzten Ausrichtung von Sozialhilfe verrechnet und dem Klienten nach Beendigung seines SH-Bezuges (ca. Ende Januar) nicht vergütet.

Meine Frage: Ist es mit Blick auf die SKOS-Richtlinien korrekt, Rückerstattungen von Krankenkassen im Zusammenhang mit später eintreffenden Prämienverbilligungen KlientInnen von Sozialhilfe als Einkommen anzurechnen?

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Egli

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

Zusammenfassend halte ich fest, dass nach meiner rechtlichen Ansicht die Anrechnung der Nachzahlungen der Prämienverbilligungen als Einnahmen korrekt erscheint.

Dies hat folgende Gründe:

In Art. 28 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes Uri (SHG Uri) wird festgehalten, dass sich die Bemessung der wirtschaftlichen Sozialhilfe grundsätzlich an den Empfehlung der SKOS orientiere. Der Regierungsrat erlasse Richtlinien. Mit Regierungsratsbeschluss vom 31.08.2005 hat der Regierungsrat des Kantons Uri die SKOS-Richtlinien für den Kanton Uri grundätzlich als verbindlich erklärt. In Kapitel A. 4 dieser wird als eines der Grundprinzipien das Subsidiaritätsprinzip genannt. Demnach wird nur dann Sozialhilfe gewährt, wenn die bedürftige Person sich nicht selbst herfen kann und wenn Hilfe von dritter Seite nicht oder nicht rechtzeitig erhältlich ist (dieses Prinzip wird auch in Art. 3 SHG Uri ausdrücklich festgehalten). Es bestehe kein Wahlrecht zwischen vorrangiger Hilfe und der Sozialhilfe. Die Sozialhilfe sei deshalb subsidiär zur Selbsthilfe, Leistungsverpflichtungen Dritter und freiwilligen Leistungen Dritter. In Kapitel E.1 der SKOS-Richtlinien wird in Verdeutlichung dieses Prinzips festgehalten, dass sämtliches verfügbares Einkommen einzubeziehen ist. In der Lehre wird überwiegend die Meinung vertreten, dass als Einkommen bzw. Einnahmen alles anzurechnen ist, das während der Unterstützung zufliesst. Als Konsequenz sind auch Nachzahlungen, auf die ein Anspruch vor Unterstützung entstand, die aber während der Unterstützung zufliessen, als Einnahmen zu qualifizeiren (Guido Wizent, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Zürich/St. Gallen 2014, S. 421).

Nach dem Zuflussprinzip in Verbindung mit dem Subsidiaritätsprinzip dürfen damit auch Prämienverbilligungen, die zwar für eine Zeit vor Unterstützung bestimmt sind, aber während der Unterstützung zufliessen, als Einnahmen angerechnet werden. So wie ich den Sachverhalt verstehe, erfolgte die Anrechnung auch auf korrekte Art, indem die Einnahmen im Folgemonat angerechnet wurden. 

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach 

Guten Morgen Frau Loosli

Ich danke Ihnen vielmals für Ihre ausführliche und gut verständliche Rückmeldung. Dennoch habe ich nun eine Rückfrage: Ich ging immer von einem geltenden Periodizitätsprinzip auch in der Sozialhilfe aus. Hat dieses demzufolge mittlerweile an Gültigkeit verloren bzw. können Sie mir dazu auch noch etwas sagen/schreiben??

Danke vielmals und freundliche Grüsse

Maria Egli

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Egli

Vielen Dank für Ihre Rückfrage. Ich verstehe diese sehr gut.

Die Periodizität der Leistungen ist für die Rückforderung massgebend. Werden Leistungen von der Sozialhilfe bevorschussend erbracht und nachträglich von einem Dritten (z.B. der Invalidenversicherung) für denselben Zeitraum Leistungen erbracht, dann kann die Sozialhilfe grundsätzlich nur für den Zeitraum die Leistungen zurückverlangen, für den sowohl sie wie auch nachträglich der Dritte bezahlt hat. Darüber hinaus können allerdings auch bei der Rückerstattung Beträge zurückgefordert werden, die nicht für eine Zeit ausgerichtet werden, in der die Sozialhilfe unterstützt hat, wenn es sich um einen erheblichen Vermögensanfall handelt.

Erfolgt der Zufluss von Drittmitteln rückwirkend für eine Zeit, in der die Sozialhilfe nicht unterstützt hat, dann können zwar die Leistungen nicht zurückgefordert werden, wenn es sich nicht um einen erheblichen Vermögensanfall handelt, die Leistungen sind aufgrund des Zuflussprinzips (d.h. Zufluss der Leistungen während der Unterstützung) aber als Einnahmen zu berücksichtigen und an die zukünftige Unterstützung anzurechnen. Dies kann bedeuten, dass ein Klient/eine Klientin abgelöst werden muss, weil sie aufgrund des Geldzuflusses nicht mehr bedürftig ist oder im nächsten Monat eine Anrechnung der Einnahmne erfolgt. Dieses Prinzip folgt aus dem Subsidiaritätsprinzip bzw. dem Selbsthilfegrundsatz, das bzw. der - wie ich in meiner ersten Antwort ausgeführt habe - keine Wahl zwischen Sozialhilfe und Drittmitteln lässt. 

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann gemacht werden, wenn die unterstützte Person zwecks Bestreitung des Lebensunterhalts vor der Unterstützung Schulden gemacht hat und diese nun mit den zugeflossenen Gelder zurückbezahlen muss (Guido Wizent, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, Zürich/St. Gallen 2014, S. 423).  Sollte Ihr Kleint also die Krankenkassenprämien vor Unterstützung nicht mit eigenen Mitteln bezahlt haben und dafür von einem Dritten Geld geliehen haben, das er nun zurückbezahlen muss, dann können Sie geltend machen, dass auf die Anrechnung zu verzichten ist (so habe ich den Sachverhalt allerdings nicht verstanden).

Ich hoffe, Ihnen damit weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach