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Vermögensanfall durch Erbschaft

Veröffentlicht:
21.07.2022
Kanton:
Solothurn
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Wir unterstützen einen Klienten, welcher im April/Mai 2022 eine Erbschaft von CHF 40'000.00 erhalten hat (genaue Unterlagen liegen leider nicht vor). Er hat die Erbschaft nicht gemeldet und mit den CHF 40'000.00 eine GmbH gegründet. Nun hat er noch einen Strafbefehl erhalten und muss eine Busse von CHF 10'000.00 zahlen. Diese Busse will er mit seinem Erbe begleichen. Nun hat er die CHF 40'000.00 an seine Mutter überwiesen, dass diese sein Erbe verwaltet. 

Gemäss Handbuch vom Kanton Solothurn wird bei einem Vermögensanfall ein Freibetrag von CHF 30'000.00 gewährt. Diese CHF 10'000 müsste er an den Sozialdienst abtreten? Oder kann er mit dem Vermögen seine Busse zahlen? Wir werden das Sozialhilfedossier per 31.07.2022 schliessen. Dieses Vorgehen ist richtig? 

Ich danke für die Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich bedanke mich für Ihre Frage und beantworte diese gerne wie folgt:

Meiner Ansicht nach gibt es zwei Fragen zu klären:

  1. Kann der Klient aufgrund der Erbschaft abgelöst werden und falls ja, auf welchen Zeitpunkt?
  2. Sind die Voraussetzungen für eine Rückerstattungsforderung gegeben und wenn ja in welcher Höhe?

Zu 1.: Nach § 147 Abs. 1 des Sozialgesetzes des Kantons Solothurn (SG) sind die Einwohnergemeinden zu wirksamer Hilfe an alle Personen verpflichtet, die sich in einer Notlage befinden. Nach § 10 SG und SKOS-RL C.2 (die SKOS-RL gelangen im Kanton Solothurn für die Bemessung der Bedürftigkeit zur Anwendung gelangen [§ 152 Abs. 1 SG]) hat Anspruch auf finanzielle Unterstützung, wer nicht oder nicht rechtzeitig in der Lage ist, die materielle Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Ansprüchen zu decken.

Fazit: Ab Auszahlung der Erbschaft (April/Mai 2022) in der Höhe von Fr. 40'000.-- konnte der Klient seinen Lebensunterhalt selbst finanzieren und war nicht mehr bedürftig. Weil er dies nicht umgehend gemeldet hat, wurde er bis jetzt weiter unterstützt. Da das Geld offenbar noch vorhanden und er damit nach wie vor nicht bedürftig ist, kann er auf den nächstmöglichen Zeitpunkt abgelöst werden.

Zu 2.: Betreffend Rückerstattung geht es meiner Ansicht nach um 2 Konstellationen:

  • Rückerstattung rechtmässig bezogener Sozialhilfeleistungen

Ich gehe davon aus, dass der Klient die Unterstützungsleistungen vor Auszahlung der Erbschaft im April/Mai 2022 rechtmässig erhalten hat. Rechtmässig bezogene Unterstützungsleistungen sind nach § 14 Abs. 1 lit. c SG in Folge von Einkünften aus einer Erbschaft zurückzuerstatten, wenn günstige finanzielle Verhältnisse gemäss SKOS-Richtlinien entstanden sind. Nach SKOS-RL E.2.1 bestehen implizit dann günstige finanzielle Verhältnisse, wenn der Vermögensanfall bei einer Einzelperson höher als Fr. 30‘000.-- ist, da dies der Freibetrag für eine Einzelperson ist.

Fazit: Daraus folgt, dass die Sozialhilfe die vor Auszahlung der Erbschaft (April/Mai 2022; der genaue Zeitpunkt müsste noch geklärt werden) erbrachten Unterstützungsleistungen im Umfang von maximal Fr. 10‘000.-- (Fr. 40‘000.-- abzüglich Fr. 30‘000.-- Freibetrag) zurückfordern kann, sobald der Klient abgelöst ist. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Klient im Umfang von Fr. 10‘000.-- auch eine Busse bezahlen muss. Ausschlaggebend ist nur, dass der Klient durch die Erbschaft in günstige Verhältnisse nach SKOS-RL gekommen ist.

  • Rückerstattung unrechtmässig bezogener Sozialhilfeleistungen

Ab dem Zeitpunkt der Auszahlung der Erbschaft war der Klient nicht mehr bedürftig (§ 147 SG, SKOS-RL C.2) und hätte abgelöst werden können. Da er die Erbschaft aber zunächst verschwiegen hat, wurde er weiter unterstützt. Die ab Auszahlungszeitpunkt erbrachten Unterstützungsleistungen erfolgten deshalb unrechtmässig.

Unrechtmässig bezogene Unterstützungsleistungen sind dann zurückzuerstatten, wenn aufgrund einer Auskunfts- oder Meldepflichtverletzung erwirkt worden sind (§ 164 Abs. 1 SG). Dabei ist kein Freibetrag zu beachten. Alle ab Anfall der Erbschaft (aktuell scheint nicht genau geklärt zu sein, wann die Erbschaft ausbezahlt worden) bis zur Einstellung der Unterstützungsleistungen ausbezahlten Sozialhilfeleistungen sind deshalb unrechtmässig bezogen worden und müssen zurückerstattet werden. Auch diesbezüglich kann keine Rolle spielen, dass der Klient noch eine Busse zu bezahlen hat.

Ergänzend sei ausgeführt, dass wenn der Klient nach Ablösung die Busse von Fr. 10‘000.-- bezahlt und die Erbschaft auch sonst aufgebraucht ist (sei dies durch die Finanzierung des Lebensunterhalts oder die Begleichung der Rückerstattungsschulden gegenüber der Sozialhilfe), die Unterstützung wieder aufgenommen werden muss, wenn die Prüfung der finanziellen Verhältnisse ergibt, dass der Klient wieder bedürftig ist. Dies ist deshalb so, weil Sozialhilfe ursachenunabhängig zu bezahlen ist (SKOS-RL A.3) und eine nicht mehr unterstützte Person abgesehen von allfälligen Rückerstattungsverpflichtungen keine Pflichten gegenüber der Sozialhilfe hat.  

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können. 

Freundliche Grüsse