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Vermittlungsfähigkeit ALV bei IV Grad 91%

Veröffentlicht:
23.04.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Liebes Expertenteam
Frau X. hat seit vielen Jahren Anspruch auf eine ganze IV Rente. Der IV Grad beträgt 91%. Frau X. arbeitete bis vor kurzem in einem Büro und konnte dort ihrer Leistungsfähigkeit entsprechende Arbeiten erledigen (1. Arbeitsmarkt). Sie arbeitete in einem 40% Pensum verteilt auf 4 Tage und verdiente rund 1000.- im Monat. Aufgrund von Umstrukturierungen im Betrieb wurde ihr per Ende April gekündigt.
Frau X. hat eine EL Anmeldung vorgenommen. Nun hat man sie aufgefordert ihre Ansprüche aus der ALV geltend zu machen. Laut IV beträgt ihre Restarbeitsfähigkeit 9%. Gilt Frau X. als vermittlungsfähig, da sie in den letzten Jahren ein 40% Pensum inne hatte?
Frau X. sagt, dass sie befürchtet den Pflichten beim RAV nicht nachkommen zu können aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen. Muss Frau X. mit einem hypothetischen Einkommen in der EL rechnen, wenn sie ihre Ansprüche aus der ALV nicht geltend macht?
Vielen Dank für die Beantwortung dieser Fragen.
Freundliche Grüsse
Luzia Schwegler

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Schwegler

  1. Hinsichtlich der EL wird bei Personen mit einer ganzen IV das tatsächliche Einkommen eingerechnet. Aber es wird bei dieser Gruppe der Bezüger einer vollen IV-Rente, anders als bei Teilinvaliden, kein hypothetisches Einkommen gemäss der Pauschale gemäss Art 14a ELV eingerechnet.
    Es ist aber damit zu rechnen, dass auch bei IV-Rentnern mit einer vollen Rente die Grundsätze von Art. 11 Abs. 1. lit. g anwendbar sind, also die Anrechnung von Einkommen, auf das verzichtet worden ist.
    Daraus ist abzuleiten, dass dann, wenn die EL-beziehende Person eine ihr zumutbare Tätigkeit freiwillig aufgegeben hat; oder wenn die EL-beziehende Person eine ihr offenstehende Stelle nicht angetreten hat, bzw. wenn sich die EL-beziehende Person weigert, an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen, eventuell eine Anrechnung erfolgen könnte. Es ist auch nicht auszuschliessen, dass bei einem Verzicht auf mögliche ALV-Taggelder eine Anrechnung von Verzichtseinkommen erfolgen könnte.Eine bundesgerichtliche Praxis hierzu ist mir nicht bekannt.
    2- Dafür müsste aber zunächst überhaupt ein ALV-Taggeldanspruch bestehen, auf der dann "verzichtet" wird. Im vorliegenden Fall liegt ein IV-Grad von 91% vor. Gleichzeitig bestand ein 40%-Pensum, verteilt auf vier Tage mit tiefem Lohn. Der IV-Grad berechnet sich ja aus einem Vergleich von Validen- und Invalideneinkommen und darf daher nicht verwechselt werden mit einer auf die kurzfristige Arbeitstätigkeit sich beziehende Arbeitsfähigkeit. Die hier bestehenden 9% "Validität" beziehen sich auf das erzielbare Einkommen und sein Verhältnis zum Valideneinkommen, das bestehen würde ohne Invalidität. Die Frage der hier interessierenden Arbeitsfähigkeit, bzw. der Vermitltungsfähigkeit sind hingegen eigenständig zu bestimmen.
  2. Für das Bestimmen der Arbeitsfähigkeit ist ein aktuelles Arztzeugnis mit Bezug zum den bisherigen oder nach ein paar Monaten auch auf ähnliche Verweistätigkeiten notwendig, um die Frage der Arbeitsunfähigkeit zu prüfen. Sollte die Klientin davon ausgehen, dass Sie die Anforderungen der ALV nicht prästieren kann, so ist zur raten, sich dies konkret mittels des Arztzeugnisses dies bestätigen zu lassen. Sollte eine entsprechende Arbeitsunfähigkeit, bzw. eine medizinische Unfähigkeit, die Kontrollvorschriften der ALV einzuhalten, bestätigt sein, so kann auch kein Verzichtseinkommen angerechnet werden seitens der EL.
  3. Im Zusammenhang mit der Arbeitslosenversicherung ist vor allem die Anspruchsvoraussetzung der Vermittlungsfähigkeit zu prüfen.
    Kann die versicherte Person nur im Umfang von weniger als 20 % einer Vollzeitbeschäftigung eine Arbeit annehmen, liegt Vermittlungsunfähigkeit vor (vgl. AVIG-Praxis B 218 (Stand 1.1.2018 ); siehe auch EVG C 313/02 vom 15.1.2004). Das gilt allerdings dann nicht, wenn diese Einschränkung nur latent und relativ kurzfristig besteht, etwa bei vorübergehenden Erkrankungen. Die versicherte Person muss ferner bereit sein, eine Arbeit im Umfang von mindestens 20 % einer Vollzeitbeschäftigung anzunehmen.
  4. Eine Vollrente der IV schliesst also eine Vermittlungsfähigkeit nicht vollständig aus, zumal im vorliegenden Fall vor Stellenverlust zu 40% gearbeitet wurde.
    Ich hoffe, das dient Ihnen.
    Peter Mösch Payot

Sehr geehrter Herr Mösch
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Freundliche Grüsse
Luzia Schwegler