Zum Inhalt oder zum Footer

UH-Berechnungen

Veröffentlicht:
29.11.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Liebes Expertenteam

Ich gelange mit zwei Unterhaltsfragen an Sie.

1.) Abänderung einer Unterhaltsvereinbarung (die Rahmen einer Scheidung erstellt wurde) auf Wunsch des unterhaltspflichtigen Kindsvaters (für zwei Kinder) infolge der Geburt eines weiteren Kindes in einer neuen Beziehung: Da in der Berechnungstabelle der zwei gemeinsamen Kinder das "neue" Kind nicht berücksichtigt wird, stellt sich mir die Frage, wie diese neu hinzugekommenen Kosten in die Berechnung einfliessen? Das "neue" Kind hat einen Geburtsfehler und ist infolgedessen auf sehr viel Pflege angewiesen. Dies generiert aber wenig direkte Kosten (ausser Fahrten in den Spital), sondern vorwiegend indirekte Kosten, da die neue Frau infolge des intensiven Betreuungsaufwandes ihre Stelle gekündigt hat.

Die Anwältin der Mutter/Exfrau des unterhaltspflichtigen Vaters argumentiert, dass ein Abänderungsgrund nicht gegeben sei, da der unterhaltspflichtige Vater in der Lage sei, für das "neue" Kind denselben UH-Betrag wie für die beiden anderen Kinder zu bezahlen, ohne dass sein betriebliches Existenzminimum angestastet wird.

Können Sie mir hier einen Tipp geben, wie diese Kosten in der Bähler Tabelle am besten berücksichtigt werden können?

 

2.) Eine Kindsmutter möchte erstmalig eine UH-Vereinbarung für Ihre 5-jährige Tochter abschliessen. Der KV bezieht immer Mal wieder  Sozialhilfe (dies ist auch aktuell der Fall). Eben wurde eine IV- Abklärung  abgeschlossen (kein Anspruch auf Leistungen). Der KV befindet sich aktuell wieder auf Stellensuche (ohne ALV-Taggeld berechtigt zu sein). Die KM möchte,  dass wir mit einem hypo-Einkommen des Vaters rechnen (dies auf Anraten der Frauenzentrale). Sprich es würde von Beginn weg in eine Bevorschussung des UH-Betrages durch die Gemeinde laufen. Die Kindsmutter und die gemeinsame Tochter leben mit einem sehr engen Budget.

Unter welchen Umständen kann ich mit einem hypothetischen Einkommen des KV rechnen?  Der KV wäre evtl. damit einverstanden, da er sowieso bereits sehr stark verschuldet ist.

Ich danke Ihnen vielmals!

Freundliche Grüsse

Susanne Thürig

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrte Frau Thürig

Zur ersten Frage:

Beim Unterhaltsschuldner liegen familiäre Veränderungen vor. Die neue Partnerin wusste von den Unterhaltsverpflichtungen und wenn das Paar verheiratet ist, was ich der Sachverhaltsschilderung nicht entnehmen kann, so hat die Ehefrau grundsätzlich einen Beitrag an die steigenden Unterhaltspflichten zu leisten, z.B. durch die Aufnahme oder Aufstockung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit (BSK ZGB I-Fountoulakis/Breitschmid, Art. 286 N 14; zur indirekten Unterstützungspflicht von Stiefeltern, vgl. dazu eingehend mit Fallbeispielen und Rechtsprechung, Hausheer/Spycher, Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. Auflage 2010, N 06.55). Nun musste die Mutter aufgrund der gesundheitlichen Situation des Neugeborenen ihre Erwerbstätigkeit aufgeben. In dieser besonderen Lage dürfte es ihr nicht zugemutet werden, zumindest vorübergehend, ihren Ehemann bei der Erfüllung seiner Unterhaltspflicht zu unterstützen.

Ob es nun zu einer Angleichung der Unterhaltsbeiträge kommt, ist anhand einer neuen Berechnung zu ermitteln. Zu den Bähler-Tabellen kann ich Ihnen leider keine Anwender-Tipps geben.

Zur zweiten Frage:

Eine Voraussetzung für die Bemessung des Unterhalts ist die Leistungsfähigkeit des zu Unterhalt verpflichteten Elternteils. Ein hypothetisches Einkommen darf angenommen werden, sofern ein (höherer) Verdienst des Pflichtigen tatsächlich möglich und zumutbar ist (BSK ZGB I-Fountoulakis, Art. 285 N 18; generell zur Leistungsfähigkeit Hausheer/Spycher, Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. Auflage 2010, N 01.24 ff.). Nicht zulässig ist es, bei einem leistungsunfähigen Schuldner, dem kein hypothetisches Einkommen angerechnet werden kann, einen fiktiven Unterhaltsbeitrag zu vereinbaren, nur um zu einem Bevorschussungstitel zu gelangen. Auch dann nicht, wenn es dem Unterhaltspflichtigen egal ist, ob er sich weiter verschulden würde.

Vorliegend ist abzuklären, ob es dem Vater tatsächlich möglich ist, einen Verdienst zu erzielen und das zumutbar ist.

Ich hoffe, die Ausführungen helfen Ihnen weiter.

Luzern, 4.12.2019

Karin Anderer