Guten Tag
Wir haben eine Frage zu folgendem Sachverhalt:
Die minderjährige Tochter einer alleinerziehenden Mutter ist stationär fremdplatziert. Für die Tochter wird ein eigenes Dossier geführt. Für die Mutter, welche Sozialhilfe bezieht, besteht ebenfalls ein eigenes Sozialhilfedossier. Die Tochter befindet sich in der Lehre und erhält einen Lehrlingslohn und Stipendien. Vom Kindsvater werden Alimente und Kinderzulagen bezahlt. Der Vater lebt ausserhalb der Gemeinde und ist nicht bedürftig.
Die Alimente, Kinderzulagen und Stipendien sind an die Gemeinde abgetreten und werden auf das Sozialhilfekonto der Tochter überwiesen. Der Lehrlingslohn wurde der Tochter jeweils direkt ausbezahlt und wurde nicht weiter berücksichtigt. Über das Sozialhilfekonto der Tochter wurden mit den abgetretenen Alimente, Kinderzulagen und Stipendien die Elternbeiträge durch den Heimaufenthalt beglichen.
Nun liegt die Situation vor, dass allein mit den Alimenten die Elternbeiträge überschüssig gedeckt werden können. Durch die weiteren Abtretungen sammelt sich auf dem Sozialhilfekonto der Tochter ein Plussaldo an.
Gemäss Kantonalem Handbuch Aarau Kap. 15.3. wird folgendes festgehalten:
Kinderzulagen und andere für den Unterhalt des Kindes bestimmte Leistungen (Alimente, Waisenrenten, Zusatzrenten usw.) sind an die unterstützende Gemeinde zu überweisen. Daraus soll sich aber keine Unterstützungsbedürftigkeit der Eltern ergeben (SKOS-Richtlinien Kapitel F.3.3).
Fragestellung:
Unsere Frage besteht nun darin, wer Anspruch auf den generierten Überschuss durch Alimente, Kinderzulagen und Stipendien (nach Begleichung der Elternbeiträge) hat?
Wäre der überschüssige Betrag (nach Begleichung der Elternbeiträge) der sozialhilfebeziehenden Mutter anzurechnen, damit deren Unterstützungsbedürftigkeit gemildert werden kann oder handelt es sich um Kindsvermögen, welches der Tochter auszubezahlen wäre?
War es korrekt, dass der Lehrlingslohn der Tochter überlassen wurde und weder im Sozialhilfebudget der Mutter noch der Tochter berücksichtigt wurde? Falls nicht, wie hätte der Lehrlingslohn berücksichtigt werden müssen?
Handelt es sich bei Stipendien um Kindsvermögen oder um Leistungen, welche für den Unterhalt des Kindes bestimmt sind?
Besten Dank im Voraus für die Klärung der Situation.
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Gerne beantworte ich Ihre Frage. Entschuldigen Sie vielmals für die arbeits- und feiertagebedingt verspätete Antwort. Ich beantworte Ihre Anfrage entlang ihrer Fragen, welche Folgende sind:
1. Wem steht der Anspruch auf Überschuss aus Alimenten, Kinderzulagen und Stipendien zu?
Ich verweise zu dieser Frage gerne auf das Handbuch Soziales des Kantons Aargau. Im Kapitel 9.1.2 wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
- Leistungen für den Unterhalt des Kindes (Kinderzulagen, Alimente etc.) sind ausschliesslich als Einnahmen des Kindes zu verbuchen, dies
- nur bis zur Höhe seines Bedarfes und
- ein allfälliger Überschuss bildet Kindesvermögen.
Dies ergibt sich aus den im betreffenden Kapitel zitierten zivilrechtlichen Bestimmungen (Art. 319 ff. ZGB).
Bevor der Überschuss Kindesvermögen bildet, könnte geprüft werden, ob das Kind eine Haushaltsentschädigung entrichten kann, so jedenfalls das Handbuch. Dies ist nicht völlig abwegig. Aber dafür müssten die Voraussetzungen nach § 13 SPV/AG erfüllt sein. Ferner ist dabei zu beachten, dass das Kind aus zivilrechtlicher Sicht nicht zu viel zu Hause abgeben muss. Dieser Beitrag würde seinen Bedarf übersteigen und wäre ein Beitrag an die Hausarbeiten, wovon es profitiert (Wäsche waschen, Putzen usw.).
Dies scheint aber im vorliegenden Fall nicht wirklich Thema zu sein, da das Kind fremdplatziert ist.
2. War es korrekt, den Lehrlingslohn der Tochter nicht anzurechnen?
Das vorerwähnte Kapitel verweist auf Kap. E.1.3 der SKOS-Richtlinien Stand 2017 (vgl. § 10 SPV/AG). In diesem Kapitel wird klargestellt, dass der Arbeitserwerb dem Kind zusteht, jedoch es verpflichtet ist, davon ebenfalls an seinen Unterhalt beizutragen. Dasselbe ergibt sich aus der Praxishilfe H.11 zu Jungen Erwachsenen. Dem Kind soll jedoch eine Integrationszulage zugestanden, oder ein Freibetrag belassen werden (siehe dazu Kap. E.1.2 SKOS-Richtlinien). Insofern wäre korrekt gewesen, den Lehrlingslohn bis zu einem gewissen Mass anzurechnen, wobei die obigen Regeln (unter 1.) zu beachten gewesen wären.
3. Gelten Stipendien als Kindesvermögen oder Leistungen für den Kindesunterhalt?
Die Stipendien werden in § 4 Abs. 2 SPV/AG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 SPG/AG als vorrangige Mittel bezeichnet. Da die Stipendien stets für Ausbildungskosten als auch Lebensunterhalt (vgl. § 9 Stipendiengesetz/AG) gedacht sind, ist eine vollständige Anrechnung nur gerechtfertigt, wenn die Sozialhilfe auch für die Ausbildungskosten aufkommt. Tut sie das nicht, muss sie sicher in diesem Umfang die Stipendien dem berechtigten Kind belassen, welches diese für die Ausbildungskosten einsetzen muss. Unter den Praxishilfen der SKOS finden Sie ein Praxisbeispiel dazu (unter 2017). Gesamthaft gilt aber auch hier das unter 1. Gesagte.
Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Fragen beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder