Guten Tag
Ich habe ein Frage bzlg. der Wiederbeschäftigung nach einem Krankheitsfall. Meine Klientin wurde im Januar am Knie operiert. Daraufhin war sie bis Ende April zu 100% arbeitsunfähig. Ab Mai war sie 20% arbeitsfähig, bis aktuell wieder zu 100 %. Sie hat eine 70% Anstellung im Stundenlohn. Ihr Vorgesetzter hat sie aber bis heute nicht mehr als täglich zwei Stunden beschäftigt. Sie hat eine Kollektivkrankentaggeldversicherung, die natürlich aufgrund der erhöhten Arbeitsfähigkeit ab Mai immer kleinere Taggelder ausrichtete, der Lohn des Arbeitgeber glich dies jedoch nicht aus, weil der Umfang der Wiederbeschäftigung nicht der Arbeitsfähigkeit angepasst wurde. Es besteht kein schriftlicher Arbeitsvertrag.
Hinzu kommt dass ihr der Arbeitgeber nach abwarten der Sperrfrist von Art. 336c OR nun auf Ende September ordentlich gekündigt hat.
Wie kann gegen den Arbeitgeber vorgegangen werden?
Freundliche Grüsse
Erika Ineichen
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte Frau Inneichen
Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Ihre Klientin hat eine 70% Anstellung. Sie schreiben, es liege kein schriftlicher Arbeitsvertrag vor. Entscheidend ist nun, ob diese 70% Anstellung im Stundenlohn so verstanden warden darf, dass von einem 70% Pensum ausgegangen warden darf. Wenn z.B. vor der Operation während mehrerer Monate jeweils 70% gearbeitet wurde, ist dies ein Indiz dafür, dass der Vertrag mündlich bzw. konkludent über 70% Anstellung als vereinbart betrachtet warden darf. Die folgenden Ausführungen basieren auf der Annahme, es sei von einer 70% Anstellung auszugehen.
Wenn ihre Klientin nach der (teilweisen) Wiedererlangung ihrer Arbeitsfähigkeit vom Arbeitgeber nicht entsprechend beschäftigt wurde und wenn ihre Klientin gegenüber dem Arbeitgeber die Arbeitsleistung angeboten hat, so liegt ein Fall des sogenannten Arbeitgeberverzuges vor, d.h., die Arbeitnehmerin bietet die Arbeit an, der Arbeitgeber aber nimmt sie nicht an. Gemäss Art. 324 OR schuldet die Arbeitgeberin diesfalls den Lohn trotzdem. Konkret könnte dies bei ihrer Klientin bedeuten:
- z.B. war sie 50% arbeitsfähig und 20% arbeitsunfähig. Wenn sie nun lediglich 25% arbeiten durfte, dann schuldet der Arbeitgeber die 25% Differenz Lohn gestützt auf den erwähnten Art. 324 OR dennoch.
Ihre Klientin soll unbedingt gegenüber ihrem Arbeitgeber geltend machen, dass sie bereit und in der Lage ist, die vertraglich vereinbarten (siehe oben) 70% zu arbeiten.Falls sie dies vorher nicht gemacht hat, dürfte es schwierig(er) sein, für die Vergangheit noch Lohn nachzufordern (Der Arbeitgeber wird argumentieren, Ihre Klientin hätte ja gar nicht mehr arbeiten wollen). Ab dem Zeitpunkt aber, in dem IHre Klientin die Arbeitsleistung ausdrücklich angeboten hat, ist ein Lohnanspruch zu bejahen.
Sie erwähnen, dass Ihre Klientin nach Ablauf der Sperrfrist die Kündigung erhalten habe. Erfolgte die Kündigung im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit? Ich frage nach, weil je nach Umständen könnte eine solche Kündigung missbräuchlich sein. Die Arbeitgeberin hat eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Arbeitnehmenden, je nach konkreten Umständen ist eine Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer aufgrund einer gesundheitlichen Einschränkung missbräuchlich. Um gegen eine missbräuchliche Kündigung vorzugehen, müsste Ihre Klientin noch innerhalb der Kündigungsfrist schriftlich beim Arbeitgeber Einsprache gegen die Kündigung einreichen. Sie könnte argumentieren, dass sie jetzt wieder voll gesund sei und arbeiten wolle und die Kündigung deshalb nicht akeptiere.
Soweit meine Überlegungen zu Ihrer Frage. Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli
Vielen Dank für ihre Informationen.