Sehr gehrte Damen und Herren
Wir betreuen eine 23-jährige Frau im Rahmen einer Beistandschaft. Sie hat vor kurzem sehr erfolgreich ihre IV gestützte Ausbildung (EFZ) und BMS abgeschlossen. Es werden ihr sehr gute intellektuelle Fähigkeiten attestiert. Jedoch im psychischen Bereich benötigt sie intensive Unterstützung. Ihr langersehnter Lebenstraum ist es ein bestimmtes Studium zu absolvieren.
Es stellen sich uns folgende Fragen:
- ob das Studium wider Erwarten u.U. auch noch zur Erstausbildung hinzu gerechnet werden kann. Das Studium war von Beginn an ihr Ziel, gesundheitsbedingt hat sie sich für den Umweg der Lehre mit BMS entschieden.
- besteht alternativ eine Erfolgsaussicht auf eine 50% IV-Berentung, auch wenn die Klientin vom Lehr-Betrieb und der BMS eine gute Arbeitsfähigkeit resp. Lehrfähigkeit attestiert wurden (und eine Invalidität aufgrund des Leistungsauweises nicht ersichtlich ist). Diese Leistungen waren jedoch nur Dank einer sehr umfangreichen Unterstützung seitens der betreuten Wohnform, Job Coach und Psychiaterin möglich. Es hängt sehr viel an der Finanzierung der Erstausbildung, mitunter die Finanzierung der Wohnform, welch unabdingbar für ihre Situation ist.
Besten Dank für Ihre Kenntnisnahme und Bemühungen.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag
Als Rückfrage: Darf ich davon ausgehen, dass Sie meinen, ob eine Erstausbildung im Sinne des AHVG (Waisenrente, Familienzulagen, Kinderrente) besteht? Oder meinen Sie eine Erstausbildung im Sinne von Art. 277 Abs. 2 ZGB, an die eine entsprechende Unterhaltspflicht gebunden ist.
Merci für eine kurze Rückantwort.
Beste Grüsse
Peter Mösch Payot
Sehr geehrter Herr Mösch
Besten Dank für die Rückfrage. Entschuldigung, dass der Sachverhalt und die Frage zu unpräzis waren. Es geht darum, ob die SVA allenfalls auch noch für die Kosten des Studiums und der betreuten Wohnform aufkommen wird, daher ist wohl die Erstausbildung im Sinne der AHVG gemeint.
Beste Grüsse
Frage beantwortet am
Daniel Schilliger
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag
Die Frage wie weit die IV eine erstmalige Ausbildung unterstützt, ist in der Praxis zum Einen davon abhängig, ob die Ausbildungen zusammenhängend sind, sich also "nahtlos" anschliessen. Wenn keine längere Lücke dazwischen liegt und das Studium auch von Anfang an anvisisert wurde, gilt es als Teil der Erstausbildung und kann von der IV im Rahmen der erstmaligen beruflichen Ausbildung unterstützt werden. Andernfalls kann es als Weiterbildung zugesprochen werden, dann würden nur die behinderungsbedingten Mehrkosten (Coaching) übernommen, aber kein Taggeld.
Zum anderen ist die Unterstützung immer auch von der Verhältnismässigkeit (Art. 8 IVG) abhängig. Die Frage ist nicht primär, ob sie das Studium schaffen kann, sondern ob sie mit diesem Studium in der Lage sein wird, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Wenn es sich um ein Studium handelt, dass sich generell schwer verwerten lässt oder absehbar ist, dass sie aus behinderungsbedingten Gründen die mit dem Studium erworbenen theoretischen Fähigkeiten eher nicht praktisch verwerten können wird, wird die IV die Verhältnismässigkeit des Studiums in Frage stellen. Das Studium wird letztlich also dann im Rahmen der erstmaligen beruflichen Ausbildung unterstützt, wenn die Klientin damit realistischerweise einen höheren Lohn erzielen kann, als mit dem aktuellen Abschluss. Für die Unterstützung im Rahmen der Weiterbildung muss es zwar nicht ein höherer Lohn sein, aber doch auch eine gute Verwertbarkeit.
Falls aktuell eine Rente in Frage kommt, kann es manchmal auch sinnvoll sein, die Rente zu akzeptieren und zusammen mit den EL "auf eigene Faust" studieren zu gehen. Zwar zahlt man dann die Unterstützung selber, ist aber auch davon befreit, dass das Studium in nützlicher Frist erfolgreich abgeschlossen wird. Das Studium kann dann auch eine Form einer Beschäftigung oder Struktur sein. Dieser Weg hängt aber wesentlich davon ab, wie die Rente begründet wird.
In der Beratung steht die Klientin an einer Weggabelung:
Um ein Studium geltend zu machen, ist es gut die Ressourcen und Potentiale der Klientin hervorzuheben. Gute Schulzeugnisse und die oft wohlwollenden Schul- und Praktikumsberichte sind dabei wohl hilfreich. Wenn man hier aber allzu einseitig schreibt, wird einen das einholen, wenn es um einen Rentenentscheid geht.
Um eine Rente geltend zu machen, müssen hingegen die Grenzen der Leistungsfähgikeit verdeutlicht werden. Dafür müsste im Schul- und Prakitkumsbetrieb nach entsprechenden Rückmeldungen gefragt und Defizite klar benennt werden.
Es geht also darum realistisch einzuschätzen, was sich die Klientin vom Studium verspricht und ob die Kriterien der IV für die berufliche Unterstützung erfüllt sind oder ob allenfalls eine Rente beantragt wird.
freundlicher Gruss
Daniel Schilliger