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Sperrfrist / Kündigung und Vertragsänderung

Veröffentlicht:
17.05.2022
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Guten Tag

Im Rahmen meiner Beratung im sozialpsychiatrischen Kontext habe ich einen Patienten gesehen. Er arbeitet seit September 2019 in einer handwerklichen Firma. Seit dem 17.02.2022 ist er bis auf Weiteres arbeitsunfähig. Er bekommt zurzeit Krankentaggelder. Im Dezember 2021 hatte er ein Mitarbeitergspräch gehabt. Es wurde besprochen, dass er mehr Lohn bekommen werden und man ihm deshalb im Januar 2022 einen neuen Vertrag aushändigen wird. Das ist aber nicht passiert. Die Lohnerhöhung habe er bekommen aber keinen neuen Vertrag. Am 27.04.2022  hat der Patient die Kündigung bekommen unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist per 31.05.2022. Die einmonatige Kündigungsfrist wurde damit begründet, dass der Patient seit dem 1. Januar 2022 ein vertragsloses Arbeitsverhältnis habe.

Für mich stellt sich die Frage, ob das so stimmen kann oder aber noch der bisherige Arbeitsvertrag vom 09.2019 gültig ist? Anschliessend stellt sich dann auch die Frage, ob die Sperrfrist eingehalten wurde.

Vielen Dank und freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Gerne beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Im vorliegenden Fall stellt sich vorab die Frage, ob die Aussage der Arbeitgeberin, X. sei seit 1.1.22 in einem vertragslosen Arbeitsverhältnis gestanden, zutrifft.

Vorliegend geht es um einen unbefristet abgeschlossenen Arbeitsvertrag. Ein unbefristetet abgeschlossener Arbeitsvertrag wird entweder durch Kündigung (ordentlich oder ausserordentlich) oder durch eine einvernehmliche Übereinkunft beendet. Eine Vertrag kann auch angepasst werden, dies führt aber nicht zur Beendigung des Vertrages (höchstens dann, wenn die andere Partei mit den Vertragsanpassungen nicht einverstanden ist und das Arbeitsverhältnis daraufhin von der Partei, die die Änderungen will, gekündigt wird, diesfalls spricht man von einer Änderungsändigung. Eine blosse Vertragsanpassung führt nicht zu einem neuen Vertrag, das ist relevant für die Kündigungsfrist und für die Dauer der Sperrfrist.

Zwischenergebnis:

Der ursprünglich abgeschlossene Vertrag ist massgebend für die Kündigungsfristen und Sperrfristen.

Sperrfrist: Ihr Klient ist im 3. Dienstjahr, er ist seit 17.2.22 krankheitsbedingt arbeitsunfähig, er geniessst somit bei weiterhin andauerender Arbeitsunfähigkeit eine Sperrfirst von 90 Tage (Art. 336c OR), vor dem 17. Mai 22 ist eine Kündigung nichtig und muss nachgeholt werden.

Ordentliche Kündigung: Nach Ablauf der Sperrfrist ist eine ordentliche Kündigung möglich. Ohne anderslaufende vertragliche Vereinbarung findet hier die zweimonate Kündigungsfrist (Art. 335c Abs. 1 OR) Anwendung. 

Die Kündigung vom 27.4. ist nichtig.

Das Arbeitsverhältnis darf somit nach Ablauf der Sperrfrist (17.Mai) mit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten, also auf Ende Juli 2022 gekündigt werden.

Sie erwähnen eine Taggeldversicherung. Prüfen Sie unbedingt, ob ihr Klient nach Austritt aus dem Unternehmen und weiterhin bestehender Arbeitsunfähigkeit in der Kollektivtaggeldverischerung bleiben kann (je nach Vertrag möglich). Ist dies der Fall, lohnt sich der Rechtstreit mit der Arbeitgeberin über die Kündigung gar nicht.

Genügen Ihnen diese Auskünfte?

mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Kurt Pärli