Sehr geehrte Damen und Herren
Es geht um eine Klientin, die mit ihrem in Ausbildung stehenden Sohn (23-jährig) zusammenlebt und von der Sozialhilfe unterstützt werden muss. Sie wartet auf einen IV Entscheid und hat keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosentaggelder bzw. Arbeitslosenhilfe.
Das Sozialamt berechnet das Existenzminimum für einen 2-Personen Haushalt und geht u.a. davon aus, dass der Sohn die Hälfte der Miete bezahlt.
Der Sohn absolviert eine höhere Ausbildung für die er keine kantonalen Stipendien erhält (weil die Ausbildungsinstitution nicht anerkannt wird). Mittels laufenden Gesuchen bei Stiftungen hat die Mutter ihm bislang geholfen das Geld für seinen Lebensunterhalt aufzubringen. Meine Klientin sieht sich i.R. der elterlichen Unterstützungspflicht verpflichtet ihm zu helfen (auch finanziell).
Der Sohn hat ausser der Ausbildungszulage (erhält er über den getrennt lebenden Vater) keine anderen Einnahmen und möchte keine Sozialhilfe beantragen. Der Grund ist, dass er und seine Mutter Nachteile befürchten. Deshalb lebt die Klientin nun rund Fr. 545.-/Mt. unter dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum.
Es stellen sich uns folgende Fragen:
- Wenn sie es schafft für sich über eigene Stiftungsgesuche ergänzende Hilfe zur Sozialhilfe zu erhalten, muss sie diese beim Sozialamt als Einnahmen angeben ?
- Falls der Sohn nun doch noch Sozialhilfe beantragt, kann das Sozialamt die Sozialhilfe von der Aufgabe des Studium bzw. der Erwerbstätigkeit abhängig machen ?
Vielen Dank für Ihre Hilfe !
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrter Herr Kradolfer
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:
1. Zuwendungen von Stifungen
Meiner Ansicht nach darf die Sozialhilfe Leistungen von Stiftungen bzw. Stiftungsgelder, die Ihre Klientin erhältlich machen kann, als Einnahmen anrechnen.
Dies hat folgende rechtliche Gründe: Art. 4 des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und soziale Einrichtungen des Kantons Schaffhausen (SHEG) hält fest, dass in der Sozialhilfe das Prinzip der Subsidiarität gilt. Leistungen der öffentlichen Sozialhilfe werden demnach nur gewährt, wenn die um Hilfe nachsuchende Person sich nicht aus eigener Kraft aus ihrer Notlage heraushelfen kann und Leistungen Dritter nicht oder nicht rechtzeitig verfügbar sind. Sowohl in § 12 der Verordnung zum SHEG, der SHEV, wie auch in den Richtlinien für die Bemessung der Sozialhilfe des Kantons Schaffhausen (Lit. D.1) wird der Grundsatz der Subsidiarität verdeutlicht, wenn dort steht, dass zu den eigenen Mittel Einkünfte und Vermögen gehören. Im Handbuch zur Sozialhilfe des Kantons Schaffhaussen erfolgt eine weitere Präzisiserung. Dort wird in Ziffer 1.3 festgehalten, dass freiwillige Leistungen Dritter den Sozialhilfeleistungen vorgehen. Zu den freiwilligen Leistungen von Dritten würden Leistungen von privaten oder kirchlichen Diensten und Stifungen gehören. Diese Leistungen seien deshalb grundsätzlich anzurechnen, da im Umfang der tatsächlichen Hilfe die Notlage behoben sei.
Damit gibt es ausreichend rechtliche Grundlagen, um Stiftungsgelder als Einnahmen anzurechnen.
2. Unterstützung Sohn, Thema Studium
Ich gehe davon aus, dass Ihre Klientin und deren Sohn eine familienähnliche Wohngemeinschaft nach Ziff. 7.13 des Handbuchs zur Sozialhilfe des Kantons Schaffhausen bilden, indem sie den Haushalt gemeinsam führen und grundsätzlich gemeinsam essen, waschen, reingien usw.In diesem Fall sind die Kosten innerhalb der Gemeinschaft grundsätzlich pro Kopf zu tragen. So wird dies auch in Lit. B.3.2 der Richtlinien für die Bemessung der Sozialhilfe des Kantons Schaffhausen festgehalten: Bei familienähnlichen Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften ist der massgebliche Mietzins für die entsprechende Haushaltsgrösse festzulegen und auf die Personen aufzuteilen (dies gilt grundsätzlich auch für Zweckwohngemeinschaften. Dort ist allerdings der grössere Raumbedarf zu berücksichtigen).
Daraus folgt, dass es grundsätzlich richtig ist, dass die Sozialhilfe einen Mietanteil des Sohnes berücksichtigt, solange er nicht unterstützt wird. Ob der die Hälfte des Mietzinses bzw. des Mietzinsgrenzwerts betragen darf, hängt für mich davon ab, ob Mutter und Sohn eine familienähnliche oder eine Zweckwohngemeinschaft bilden.
Meldet sich der Sohn zum Bezug von Unterstützungsleistungen an, hat er als junger Erwachsener Anspruch auf Unterstützung, wenn seine Einnahmen nicht ausreichen und die Eltern nicht für den Unterhalt aufkommen können. Dies ist dann der Fall, wenn die Eltern selbst bedüftig sind, den notwendigen Unterhalt nicht leisten können oder ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen (Lit. G.1 der Richtlinien für die Bemessung der Sozialhilfe des Kantons Schaffhausen). Seine Mutter ist bedürftig. Wie es um die finanziellen Verhältnisse des Vaters bestellt ist und ob er leistungsbereit ist, weiss ich allerdings nicht, weshalb ich nicht abschliessend beurteilen kann, ob der Sohn bedürftig wäre. Aufgrund des von Ihnen geschilderten Sachverhalts gehe ich jedoch davon aus, dass der Vater keine finanziellen Leistungen an den Unterhalt des Sohnes erbringt. Andernfalls müsste die Mutter nicht mit ihren Sozialhilfeleistungen den Sohn finanziell unterstützen.
Nimmt die Sozialhilfe die Unterstützung auf, gelten folgende Regeln: Die Minderung der Bedürftigkeit fliesst aus dem Subsidiaritätsgrundsatz. Die Sozialhilfe darf deshalb nach Art. 26 Abs. 3 SHEG Auflagen und Weisungen machen, die zur Vermeidung oder zur Verminderung der Bedürftigkeit erforderlich sind. Daraus darf die Sozialhilfe meiner Ansicht nach ableiten, den Sohn mittels Auflage zu verpflichten, eine Ausbildung zu machen, die stipendienberechtigt ist und damit seine Bedürftigkeit vermindern würde. Eine Auflage muss jedoch verhältnismässig sein. Hat der Sohn insbesondere schon einen grossen Teil der Ausbildung absolviert und dauert die Ausbildung nur noch kurz, dann erscheint es nicht verhältnismässig zu sein, den Abbruch der Ausbildung zu fordern, um eine stipendienberechtigte Ausbildung aufzunehmen. Es kommt deshalb sehr auf die konkrete Situation des Sohnes an, ob die Sozialhife mittels Auflage die Aufgabe der nicht stipendienberechtigten Ausbildung fordern darf.
Verlangt die Sozialhilfe nach Aufnahme der finanziellen Unterstützung mittels Auflage die Aufgabe der Ausbildung, kann sich der Sohn dagegen mittels Rechtsmittel wehren. Er kann auch im Zeitpunkt der Auflage oder spätestens nach Vorliegen des Rechtsmittelentscheids auf die Unterstützung verzichten. Dann hat er zumindest vorübergehend (bis zur Auflage oder bis zum Rechtsmittelentscheid) finanzielle Unterstützung erhalten. Er könnte sich bei der Sozialhilfe auch vorinformieren, ob sie von ihm die Aufgabe seiner Ausbildung verlangen würde. Das letztgenannte Vorgehen halte ich aber für wenig erfolgsversprechend, weil die Sozialhilfebehörden meist nicht bereit sind, einen konkreten Fall zu beurteilen, bevor die Unterstützung aufgenommen wurde.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können. Bei Fragen und Unklarheiten dürfen Sie sehr gerne bei mir nachfragen.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach