Grüezi Frau Schnyder
Mein Klient, wohnhaft Kanton Aargau, hat einen Arbeitsvertrag 100 % bis Ende Jahr, nachher ab Januar 2019 40 %. Er ist seit Januar 2017 krankgeschrieben, arbeitet seit kurzer Zeit 30 %, gemäss Arztberichten ist mit max. 40 % Arbeitsfähigkeit dauerhaft zu rechnen.
So ist der Klient aufgrund dauernder Erwerbsunfähigkeit weiter mind. 60 % krankgeschrieben. Die Leistungen der Krankentaggeldversicherung sind Ende 2018 ausgelaufen.
Die IV-Anmeldung wurde Ende 2017 gestellt, die Abklärung dort ist am Laufen, mit dem Entscheid kann nicht bis Januar 2019 gerechnet werden.
Das heisst, mein Klient hat ab Januar 2019 ein reales Einkommen, welches unter dem Existenzbedarf liegt.
Der Klient hat Familie, 2 Kinder 8/10 Jahre und eine Ehefrau, die bisher nur 20 % gearbeitet hat.
Er wird entsprechend ab Januar 2019 bis zum Entscheid Rente der IV zusätzlich zu seinem Einkommen von der Sozialhilfe unterstützt werden und sich dort im November anmelden müssen.
Das Ehepaar hat Vermögen als Reserve gespart von Fr. 30'000.00.
Mein Klient kann sich wie schon geschrieben erst im November 2018 beim Sozialamt anmelden. Fragen jetzt aber schon, um Orientierung zu erhalten:
- Bis zu welchem Grenzbetrag muss mein Klient sein Vermögen aufbrauchen, bevor er Sozialhilfe erhält? Da mittelfristig mit der IV-Rente gerechnet werden kann, wird das Vermögen überhaupt bei der Berechnung der Sozialhilfe angerechnet?
- Kann von der Ehefrau verlangt werden, dass sie selber schon ab Januar 2019 mehr arbeitet als die jetzigen 20 %? Wird bei ihr bei fehlender zusätzlicher Arbeitstätigkeit potentielles Einkommen in die Berechnung der Sozialhilfe eingerechnet? Realität: Die Ehefrau wird kaum per Januar 2019 eine zusätzliche Arbeit gefunden haben.
- Kanton Aargau: Kann mein Klient irgendwo auf dem Internet nachschauen, wie das Budget
Sozialhilfe berechnet wird (Höhe Grundbetrag vor allem, und werden laufende Musik / Turnstundenlektionen der Kinder auch eingerechnet, ebenfalls wie wird das 8jährige Auto bei der Sozialhilfe in Abzug gebracht (kein Kompetenzcharakter)?
Danke für Ihre Rückmeldung und e schöne Tag, Freundliche Grüsse, Barbara Dennler, SOBECO
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Dennler
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage, entlang der konkrete gestellten Fragen.
- Bis zu welchem Grenzbetrag muss mein Klient sein Vermögen aufbrauchen, bevor er Sozialhilfe erhält? Da mittelfristig mit der IV-Rente gerechnet werden kann, wird das Vermögen überhaupt bei der Berechnung der Sozialhilfe angerechnet?
Antwort: Gemäss § 11 der Aargauer Sozialhilfe- und Präventionsverordnung vom 28.8.02 (SPV, 851.211) beträgt der Vermögensfreibetrag pro Person Fr. 1'500, maximal aber Fr. 4'500.-- pro Unterstützungseinheit gemäss § 32 Abs. 3 SPV. Danach gelten Ehepaare sowie Familien im gleichen Haushalt als Unterstützungseinheit. Nicht zur Unterstützungseinheit gehören insbesondere volljährige Kinder mit eigenem Unterstützungsbudget, Personen in einer Wohn- und Lebensgemeinschaft sowie Einzelpersonen im Haushalt einer Unterstützungseinheit. Der so geregelte Vermögensfreibetrag ist eine Konkretisierung des Sozialhilfe- und Präventionsgesetz vom 6.3.01 (SPG, 851.200). Danach sind - getreu dem Subsidiaritätsprinzip - eigene Mittel vorrangig (§ 5 SPG), wozu auch das grundsätzlich zu verwertende Vermögen gehört (§ 11 Abs. 1 und 3 SPG; siehe zum Vermögen das Handbuch Soziales des Kantons Aargau https://www.ag.ch/de/dgs/gesellschaft/soziales/handbuchsoziales/8anrechnungvoneigenenmittelneinkommenundvermoegen/82__vermoegen/vermoegen.jsp ). Mit den in der SPV geregelten Freibeträgen wird festgehalten, welcher Betrag nicht dem Subsidiaritätsprinzip unterliegt. Nach Ihren Schilderungen handelt es sich um eine 4-köpfige Familie im gleichen Haushalt, d.h. das Vermögen, dass den Freibetrag von Fr. 4'500 übersteigt, ist grundsätzlich vorrangig zur Sozialhilfe zu verbrauchen bzw. verwerten.
Ausnahmen von der Verwertung sind in § 11 Abs. 5 SPG vorgesehen:
„Ist die Verwertung nicht möglich, nicht zumutbar oder im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht angezeigt, hat die Hilfe suchende Person eine Rückerstattungsverpflichtung zu unterzeichnen. Die Rückerstattungs-forderung wird im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs fällig. Bei Grundeigentum ist die Rückerstattung pfandrechtlich sicherzustellen.“
Diese Regelung räumt den Sozialhilfebehörden einen Ermessensspielraum ein. Wenn ich Sie richtig verstehe, handelt es sich um Ersparnisse in Form eines Bargeldguthabens. Im Regelfall fallen solche Ersparnisse nicht unter den Ausnahmetatbestand. Aus meiner Sicht ist auch eher unwahrscheinlich, dass potentielle Nachzahlungen der IV-Stelle die Verwertung als unzumutbar erscheinen lassen, zumal ein Rentenanspruch nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden kann. Die Sozialhilfe ist in diesem Sinne nicht mit der IV koordiniert. Sie leistet natürlich bevorschussend, aber nach ihren eigenen Regeln. Ausnahmen kann sie nur im Sinne des vorhin Gesagten machen oder bei kurzfristigen Unterstützung von 3 Monaten (vgl. A. 6 der SKOS-Richtlinien), was vorliegend nicht zum Zuge kommt.
Hingegen ist die Arbeitslosenversicherung mit der IV koordiniert. Diese kennt die Vorleistungspflicht für Personen, die bei der IV oder einer anderen Versicherung angemeldet sind, solange noch nicht über den Anspruch entschieden wurde (Art. 15 AVIV). Die Vorleistungspflicht führt dazu, dass ein viel milderer Massstab bei der Vermittlungsfähigkeit angelegt wird und stets das ganze Taggeld ausgerichtet wird (soweit natürlich die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind), selbst wenn nur eine Teilzeitstelle (mind. aber 20%) gesucht wird (vgl. B252 ff. AVIG-Praxis ALE). Allenfalls wäre dies eine Option für Ihren Klienten, die die Sozialhilfe unter dem Blickwinkel des Subsidiaritätsprinzips jedenfalls auch in Betracht ziehen wird. - Kann von der Ehefrau verlangt werden, dass sie selber schon ab Januar 2019 mehr arbeitet als die jetzigen 20 %?
Antwort: Zur beruflichen Integration von Eltern äussern sich die SKOS-Richtlinien indirekt unter den situationsbedingten Leistungen, Ziff. C.1.3 und generell unter Ziff. A.5.2. Daran orientiert sich auch der Kanton Aargau, welche dies SKOS-Richtlinien unter Vorbehalt von Abweichungen im SPG und dessen Ausführungserlassen als verbindlich erklärt. Zu dieser Frage bestehen keine Abweichungen (vgl. auch Ziff. 7.6 des Handbuch Soziales). So lässt sich aus den erwähnten Bestimmungen der SKOS-Richtlinien ableiten, dass die berufliche Integration spätestens 1 Jahr nach der Geburt an die Hand zu nehmen ist, wobei diese zumutbar sein muss und dem Kindeswohl nicht abträglich sein darf. Soweit nicht unzumutbar für Mutter und Kinder, ist in Ihrem Fall angesichts des Alters der Kinder mit einer Auflage zur Pensumserhöhung demnach zu rechnen. Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung besteht jedoch ein Ermessensspielraum.
Zudem wäre damit zu rechnen, dass die Sozialhilfe einen Anspruch auf Arbeitslosentaggeld überprüft haben möchte. Denn es ist durchaus möglich, dass die Ehefrau gestützt auf Art. 14 Abs. 2 AVIG beitragsbefreit sein könnte, da der Wegfall der Krankentaggelder und die (drohende) Invalidität sie zur Erwerbsaufnahme bzw. -erhöhung zwingt. Was ich bei der geschilderten Sachlage nicht abschätzen kann, ob eine verlängerte Rahmenfrist wegen Kindererziehung/Geburt noch zur Beitragszeiterfüllung beitragen könnte.
Wird bei ihr bei fehlender zusätzlicher Arbeitstätigkeit potentielles Einkommen in die Berechnung der Sozialhilfe eingerechnet? Realität: Die Ehefrau wird kaum per Januar 2019 eine zusätzliche Arbeit gefunden haben.
Antwort: Ein solches Vorgehen, indem ein hypothetisches Einkommen zu Beginn der Unterstützung angerechnet würde, würde zum Einen gegen das Finalprinzip und zum Anderen gegen das Tatsächlichkeitsprinzip verstossen. Prinzipien, die die SKOS-Richtlinien unter dem Grundprinzip der Bedarfsdeckung zusammenfasst (Ziff. A.8). Ebenfalls würde der im SPG festgehaltene Bedürftigkeitsgrundsatz verletzt:
«Anspruch auf Sozialhilfe besteht, sofern die eigenen Mittel nicht genügen und andere Hilfeleistungen nicht rechtzeitig erhältlich sind oder nicht ausreichen.“
Ein hypothetisches Einkommen wäre nicht rechtzeitig erhältlich, ein solches wird auch nicht zu den vorrangigen Eigenmitteln gezählt (Art. 11 SPV). Anderslautende gesetzliche Bestimmungen existieren nicht.
Hingegen ist zu beachten, dass während des Bezugs wirtschaftlicher Hilfe Kürzungen und die Einstellung der Hilfe möglich ist, wenn mittels Auflagen auferlegte Pflichten nicht befolgt werden (siehe § 13b SPG und § 15 SPV). Damit ist auch klargestellt, dass eine Kürzung der wirtschaftlichen Hilfe zu Beginn der Unterstützung nicht möglich ist, da die Pflicht zunächst mittels Auflage verfügt werden müsste. - Kanton Aargau: Kann mein Klient irgendwo auf dem Internet nachschauen, wie das Budget
Sozialhilfe berechnet wird (Höhe Grundbetrag vor allem, und werden laufende Musik / Turnstundenlektionen der Kinder auch eingerechnet, ebenfalls wie wird das 8jährige Auto bei der Sozialhilfe in Abzug gebracht (kein Kompetenzcharakter)?
Antwort: Ein guter Einblick gibt das bereits erwähnte Handbuch Soziales unter https://www.ag.ch/de/dgs/gesellschaft/soziales/handbuchsoziales/handbuchsoziales_1.jsp. Ob die dort erwähnte Kontaktstelle für Fragen zum Handbuch zur Verfügung steht, entzieht sich meinen Kenntnissen. Hinweis: Zum Auto siehe Ziff. 8.2, 10 sowie 10.4. Ausserdem ist Ihren Klienten zu empfehlen, sich beim Sozialdienst für weitere Informationen zu melden.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen Ihre Fragen beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder
Grüezi Frau Schnyder
Herzlichen Dank für die ausführlichen und kompetenten Antworten!
E gueti Ziit und Freundliche Grüsse, Barbara Dennler