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Schuldneranweisung / Pfändung unter das Existenzminimum

Veröffentlicht:
07.04.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Schuldenberatung

Guten Tag
Unser Klient, Vater dreier Kinder, unverheiratet, lebt seit rund 2 Jahren getrennt von der Kindsmutter und den Kindern. Es besteht ein Unterhaltvertrag, laut welchem er verpflichtet ist, seiner Ex-Partnerin monatlich rund Fr. 1‘200.-- an Alimenten zuzüglich Kinderzulagen zu überweisen.
Die Ex-Partnerin lebt mit einem neuen Partner im Konkubinat und hat im vergangenen Jahr ein weiteres Kind geboren. Sie lebt von einer Invalidenrente, den Invalidenkinderrenten und den bevorschussten Alimenten. Ob auch EL bezogen werden, ist uns nicht bekannt.
Bislang wurde das Einkommen unseres Klienten wegen bestehender Schulden (hauptsächlich Alimente und Steuern) via Betreibungsamt gepfändet. Von seinem Einkommen verblieb ihm monatlich das betreibungsrechtliche Existenzminimum.
Im Juni 2016 hat das Zivilgericht auf Antrag der Alimenten bevorschussenden Stelle eine Schuldneranweisung verhängt. Da im Urteil nicht die korrekte auszahlende Stelle erfasst war, wurde diese nicht umgesetzt und es kam es gegen Ende 2016 zu einem weiteren Verfahren. Ein neues Urteil liegt unserem Klienten nicht vor. Unser Klient war im Verfahren anwaltschaftlich vertreten, das erste Urteil wurde nicht angefochten.
Im Februar 2017 stellte unser Klient nun fest, dass die zuständige Ausgleichskasse von seinem Einkommen (aktuell ein IV-Taggeld) einen Betrag von Fr. 1‘954.85 direkt an die Alimenten bevorschussende Stelle überwiesen hat. Das bedeutet, dass die Schuldneranweisung nun vollzogen wird - wenngleich unserem Klienten kein neues Urteil vorliegt. Der Betrag, der ihm nach Abzug der Alimente zuzügl. Kinderzulagen verbleibt, reicht nicht aus, das sozialhilferechtliche Existenzminimum zu decken. Unser Klient hat sich daher bei der Wohngemeinde für den Bezug von Sozialhilfe angemeldet. Die Gemeinde hat einen Anspruch bejaht.
Für uns stellen sich in diesem Zusammenhang diverse Fragen:
• Ist es rechtlich legitim, dass unser Klient aufgrund der Schuldneranweisung unter das Existenzminimum gepfändet wird?
Wenn ich die Angaben auf der Homepage der Berner Schuldenberatung richtig interpretiere, müsste die berechtigte Seite ebenfalls unter dem Existenzminimum leben und die Unterhaltsforderung dürfte nicht auf die öffentliche Hand übergegangen sein. Ist dies (nach wie vor) so anzuwenden?
• Ein weiteres Urteil mit der korrekten Zahlstelle sollte demnächst folgen. Ich gehe davon aus, dass er damit erneut eine Rechtsmittelfrist haben wird, um gegen das Urteil Beschwerde zu erheben. Wäre dieser Schritt aussichtsreich resp. unter welchen Voraussetzungen wäre er es?
• Gibt es andere Wege als einen gerichtlichen Weiterzug, wie unser Klient diese Pfändung unter das Existenzminimum rückgängig machen kann?
Für Ihren Rat bedanke ich mich herzlich.
Beste Grüsse
Anna Citkovic

Frage beantwortet am

Jürg Gschwend

Expert*in Schuldenberatung

Guten Tag Frau Citkovic
Die Angaben der Berner Schuldenberatung beziehen sich auf das Betreibungsrecht. Die Schuldneranweisung ist hingegen im ZGB (Art. 291) geregelt.
Schuldneranweisungen können tatsächlich dazu führen, dass eine Person unter das Existenzminimum fällt. Es war deshalb richtig, dass sich Ihr Klient an die Sozialhilfe wandte und diese den Anspruch auf Sozialhilfe bejahte. Zu dieser Thematik existiert übrigens ein spannender Beitrag der SKOS (siehe nachfolgender Link). https://www.skos.ch/uploads/media/2008Zeso02Praxisbeispiel_Schuldneranweisung.pdf
Bei Ihrem Klienten ist zu prüfen, ob ein Antrag auf eine Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags Aussicht auf Erfolg hat. Gestützt auf Art. 286 Abs. 2 ZGB setzt das Gericht den Unterhaltsbeitrag auf Antrag eines Elternteils neu fest, wenn sich die Verhältnisse erheblich verändert haben. Die Sozialhilfe oder Familienberatungsstelle kann Ihnen in dieser Angelegenheit eventuell beratend zur Seite stehen oder kennt Stellen, die Hilfe leisten.
Freundliche Grüsse
Jürg Gschwend, Stellenleitung Plusminus