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Rückwirkende Lohn-Kürzung wegen noch nicht ausgestelltem Diplom?

Veröffentlicht:
06.04.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Guten Tag

Aktuell haben wir eine Person in Beratung, die per Februar 2020 auf einem Sozialdienst ihre erste Stelle antrat.
Zu diesem Zeitpunkt verfügte die Person bereits über eine Exmatrikulationsbestätigung sowie die Bestätigung der FH, dass sie das Bachelorstudium erfolgreich abgeschlossen hat (inkl. Ausweis der ECTS-Punkte) und in Kürze das Diplom erhält.
Der Arbeitgeber (Sozialdienst) hat nun das Diplom (das so noch nicht ausgestellt ist und der Person erst in Kürze zugestellt wird > Absage Diplomfeier wegen Covid-19) angefordert und in Aussicht gestellt, zu prüfen, ob rückwirkend per Anstellungsdatum ein Lohn-Abzug in der Höhe von CHF 500.- gemacht werden muss, da dies eigentlich auf dem Dienst üblich sei, wenn Personen noch nicht über das Diplom verfügen.
Eine solche "Klausel" war der Person, die bei uns in Beratung ist, nicht bekannt, ist auch nicht im Arbeitsvertrag oder in dazu gehörenden Dokumenten erwähnt (war somit zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht Vertragsgegenstand). Tatsächlich wurde und wird einer anderen Person, die 2 Wochen früher auf dem Dienst angestellt wurde (> beide Personen erhalten das Diplom gleichzeitig von derselben FH), dieser Abzug von CHF 500.- / Monat gemacht.
Wie beurteilen Sie diese Situation und das Vorgehen des Arbeitgebers aus arbeitsrechtlicher Sicht?

Mit bestem Dank und wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen.

Freundliche Grüsse

Andrea Aldous
MOVIS AG

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

liebe Frau Aldous

Gerne beantworte ich ihre Frage.

Würde eine Person privatrechtlich nach OR angestellt, dann würde gelten: Grundsätzlich gilt der vertraglich vereinbarte Lohn, d.h. wenn im Vertrag kein Vorbehalt hinsichtlich der Auswirkungen des noch einzureichenden Diploms gemacht wird, kann die Arbeitgeberin nicht einen tieferen als den vereinbarten Lohn ausrichten.

Sie erwähnen eine Anstellung bei einem Sozialdienst. Ich gehe deshalb davon aus, dass es sich bei der Arbeitgeberin um eine öffentlich-rechtliche Institution (Gemeinde, Gemeindeverband o.ä.) handelt und folglich das öffentliche Personalrecht anwendbar ist. Hier wäre zu prüfen, ob der zugesicherte Lohn eine Grundlage in einem Gesetz oder eine Verordnung hat. Wenn nun dieser Erlass das Vorhandensein des Diploms zwingend voraussetzt, dass dürfte der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber nicht entgegen den gesetzlichen Bestimmungen den höheren Lohn schon vor der Diplomierung ausrichten. Das heisst, die Lohnreduktion für den ersten Monat wäre grundsätzlich korrekt. Allerdings fragt sich, ob sich die Arbeitnehmerin auf den sogenannten Vertrauensschutz berufen könnten. Demnach ist der Staat an eine Zusicherung gebunden, wenn die betroffene Person sich nach Treu und Glauben auf die Richtigkeit der Auskunft verlassen hat.

Gegenüber der zuständigen Behörde könnte also durchaus mit dem Rechtsinstitut des Vertrauensschutzes argumentiert werden, um gegen die angekündigte rückwirkende Lohnreduktion vorzugehen.

Zudem würde ich argumentieren, dass die Corona bedingte Absage der Diplomfeier ganz generell nicht zu Nachteilen für die betroffenen Diplomanden bei der Anstellung führen dürfte. Die Ausbildungsinstitution kann ja auch eine Bestätigung ausstellen, dass das Diplom an diesem Tag ausgestellt worden wäre.

 

Genügen Ihnen diese Auskünfte?

 

Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Kurt Pärli