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Pflegefamilien

Veröffentlicht:
04.06.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Gerne möchte ich eine Frage an die Fachexpertenrunde stellen:
Gibt es eine Möglichkeit für eine Gemeinde, Einfluss auf die Anzahl Platzierungen von Kindern und Jugendlichen von verschiedenen Familienplatzierungsorganisationen bei Pflegefamilien zu nehmen? Gibt es ein Möglichkeit über die Pflegekinderaufsicht der Gemeinde Einfluss auf die Pflegeplatzbewilligung zu nehmen, auch wenn die Kriterien erfüllt sind? Gibt es eine Möglichkeit, dass die Gemeinde die Anzahl Pflegefamilien und Pflegekinder steuern/beeinflussen kann?
Herzlichen Dank für Ihre Abklärungen und Ihre Rückmeldung.
Y. Lingg

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrte Frau Lingg
Mir ist nicht klar, was das Motiv der Frage ist, bzw. warum eine Begrenzung oder Einflussnahme auf Platzierungen zur Debatte steht. Ich versuche, Ihnen die Frage anhand der PAVO und den kantonalen Rechtsgrundlagen, soweit als möglich, zu beantworten.
Nach Art. 1 PAVO bedarf die Aufnahme von Minderjährigen ausserhalb des Elternhauses eine Bewilligung und untersteht einer Aufsicht. Zuständig für die Bewilligung und Beaufsichtigung der Familienpflege ist nach Art. 4 Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen zum Kindes- und Adoptionsrecht des Kantons Obwalden vom 06.12.1977 der Einwohnergemeinderat am Ort der Unterbringung des Unmündigen (heute: des Minderjährigen).
Das Kantonale Sozialamt ist die zuständige Behörde für die Bewilligung oder die Entgegennahme von Meldungen und die Aufsicht von Organisationen mit Dienstleistungsangeboten in der Familienpflege (mit Geschäftssitz im Kanton Obwalden). Ausserkantonale Familienplatzierungsorganisationen unterstehen der kantonalen Behörde an ihrem Geschäftssitz.
Für jede Familienplatzierung, sei es durch eine inner- oder ausserkantonale Familienplatzierungsorganisation, durch Private oder Behörden veranlasst, benötigt es eine Pflegeplatzbewilligung des Einwohnergemeinderats am Ort der Unterbringung des Pflegekindes. Ebenso hat der Einwohnergemeinderat die Pflegekinderaufsicht inne.
Der Einwohnergemeinderat hat sich beim Entscheid über die Erteilung oder den Entzug einer Bewilligung sowie bei der Ausübung der Aufsicht am Kindeswohl auszurichten (Art. 1a PAVO). In den Art. 4-11 PAVO sind diverse Regelungen enthalten, die für die Familienpflege zu beachten sind. In qualitativer Hinsicht übt der Einwohnergemeinderat somit Einfluss auf die Anzahl der Platzierungen aus.
Nach Art. 13 Abs. 1 lit. a PAVO benötigt ein Betrieb eine Heimbewilligung, wenn dort mehrere Minderjährige zur Erziehung, Betreuung, Ausbildung, Beobachtung oder Behandlung tags- und nachtsüber aufgenommen werden. Wie viele Kinder im Kanton Obwalden in einer Familie platziert und betreut werden dürfen bzw. ab wie vielen Kindern eine Heimbewilligung erforderlich ist, konnte ich nicht eruieren. Die Kantone haben das sehr unterschiedlich geregelt (vgl. dazu Karin Anderer, Die revidierte Pflegekinderverordnung – wird der präventive Kindesschutz verbessert?, in: FamPra.ch 2014 S. 616 ff.; Karin Anderer, Kinder hüten ist nicht Kinder hüten oder: Warum hätte die Revision der Pflegekinderverordnung gelingen müssen?, in: Zwischen Schutz und Selbstbestimmung, Festschrift für Professor Christoph Häfeli zum 70. Geburtstag, Bern 2013, 135 ff.).
Ab einer bestimmten Anzahl Kinder in einer Pflegefamilie ist auch im Kanton Obwalden eine Heimbewilligung erforderlich. An Heimbetriebe werden hohe Anforderungen gestellt, vgl. dazu Art. 13 ff. PAVO. Insofern kann auf die Anzahl der Platzierungen in einer Pflegefamilie Einfluss genommen werden, als nicht eine beliebige Anzahl Pflegekinder in der Familienpflege aufgenommen werden darf. Wo im Kanton Obwalden die Abgrenzung zwischen Familien- und Heimpflege liegt, dazu müssen Sie sich beim Kantonalen Sozialamt erkundigen.
Der Einwohnergemeinderat kann nach Art. 2 Abs. 2 PAVO die Aufnahme eines Pflegekindes untersagen, ebenso kann er die Anzahl Pflegekinder in der Familienpflege nach Art. 5 PAVO begrenzen. In jedem Einzelfall muss er die Bewilligungsvoraussetzungen prüfen und seinen Entscheid begründen.
Bei der Pflegeplatzbewilligung handelt es sich um eine sogenannte Polizeierlaubnis. Sind die Voraussetzungen für die Familienpflege nach Art. 5 PAVO erfüllt, so hat die darum ersuchende Person einen Rechtsanspruch auf die Erteilung der Bewilligung (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Auflage 2016, N 2661). Die Obergrenze bildet aber in jedem Fall die maximale Anzahl Pflegekinder, die in der Familienpflege erlaubt sind.
Nach Art. 3 Abs. 2 PAVO ist es den Kantonen vorbehalten, das Pflegekinderwesen zu fördern. Mit Fördermassnahmen, wie Ausbildung, Weiterbildung und Beratung von Pflegeeltern, kantonales Pflegekinderkonzept usw. kann der Kanton wie auch der Einwohnergemeinderat das Pflegekinderwesen qualitativ beeinflussen.
Ich hoffe, die Ausführungen sind Ihnen nützlich und ich grüsse Sie freundlich.
Karin Anderer
Luzern, 8.6.2018