Zum Inhalt oder zum Footer

Neuer Art. 47a BVG - Auswirkungen auf RAV-Anspruch?

Veröffentlicht:
19.10.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Ich war erst kürzlich mit einer Arbeitslosenkasse in Kontakt um das weitere Vorgehen bei einer Mitarbeiterin zu klären, welcher Ü58 die Stelle gekündigt wurde. Meine Frage dabei war, ob sie - was ich vermutete - parallel zum RAV-Anspruch auch die PK-Rente beziehen könnte, sofern sie dies wünscht? Sie tritt ja nicht freiwillig aus dem Erwerbsleben aus. Alternative wäre vermutlich Anmelden RAV und Antrag Verbleib in PK stellen - und bei meiner Klientin würde es sich aus finanziellen Gründen um einen beitragsfreien Verbleib handeln. Zudem würde sie bei einem PK-Rentenbezug per Ende Jahr noch einer Revisions-Übergangsphase profitieren, was bei einem Verbleib dann nicht mehr der Fall wäre.

Man riet mir seitens ALK klar davon ab und meldete mir zurück, dass man seit Einführung des Art. 47a BVG noch viel genauer den Aspekt Freiwilligkeit/nicht Freiwilligkeit des Bezugs der PK-Rente prüfe. Die Option des Verbleibs in der PK führe zu einem 'freiwilligen' Entscheid, was das RAV dazu bewegen könnte den Anspruch ganz abzulehnen, da die Person in Pension gegangen sei.

Stimmt diese Aussage mit Ihren Erfahrungswerten überein? Ich verstehe die Logik nicht ganz, weil das RAV ja Geld sparen würde, wenn ein Teil des Anspruchs via PK-Rente gedeckt wäre?

Merci vielmals für Ihre Einschätzung und freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Rai

a) Wichtig ist zunächst zu unterscheiden, ob jemand eine PK vorbezieht, somit den Versicherungsfall eintreten lässt. Oder ob jemand im Sinne des neuen Art. 47a BVG (oder weitergehend nach Reglement) von der Option Gebrauch macht, bei einem Fall, wo das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber nach dem 58. Geburtstag aufgelöst wurde,  die Versicherung weiterzuführen (Risikoschutz und/oder Alterssparen) unter eigener vollen Leistung der Prämien.

b) Eine blosse Weiterführung des Versicherungsschutzes nach Art. 47a BVG ist sicherlich kein Indiz für eine "freiwillige" Beendigung der Erwerbstätigkeit im Sinne des AVIG (Art. 13 Abs. 3 AVIG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 und 2 AVIV).

c) Anders sieht es aus mit einem Vorbezug der Leistungen der PK: Hier besagt ja Art. 12 AVIV explizit, dass grundsätzlich nach Pensionierungen nur jene Beschäftigungen als Beitragszeit berücksichtigt werden, die nach der Pensionierung ausgeübt werden. Das ist immer der Fall, wenn die Pensionierung freiwillig erfolgt.

Dass auch die Beschäftigungszeit VOR der Pensionierung Berücksichtigung findet, und zum Erreichen der Mindestbeitragszeit beiträgt ist grundsätzlich nur der Fall, wenn jemand aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund von zwingenden Regelungen im Rahmen des BVG vorzeitig pensionierut wurde (Art. 12 Abs. 2 lit. a AVIV). Oder wenn der Anspruch auf Altersleistungen geringer ist als die Entschädigugn, die ihm aus der ALV zustünde. 

Und dies wird tatsächlich eher streng geprüft.

d) Siehe dazu f die Ausführunen in den entsprechenden  Verwaltungsweisungen zum AVIG (AVIG-Praxis ALE), Rz B 171 bis B 182; zu finden unter https://www.arbeit.swiss/secoalv/de/home/service/publikationen/kreisschreiben---avig-praxis.html

Besonders wichtig sind folgende Grundsätze:

"- B174 (...) Freiwilligkeit ist immer dann anzunehmen, wenn die versicherte Person ihr Arbeitsverhältnis selbst auflöst und eine Altersleistung der beruflichen Vorsorge bezieht. Einer versicherten Person, die unfreiwillig, d. h. aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund von zwingenden Regelungen vor Erreichen des ordentlichen Rentenalters der AHV im Rahmen der beruflichen Vorsorge vorzeitig pensioniert wurde, ist die vor der vorzeitigen Pensionierung ausgeübte beitragspflichtige Beschäftigung als Beitragszeit anzurechnen.

- B177 (...) Unfreiwilligkeit ist immer dann anzunehmen, wenn die versicherte Person an ihrer Arbeitsstelle bleiben möchte, dies aber nicht tun kann, weil sie aus wirtschaftlichen oder aus anderen unverschuldeten Gründen entlassen wurde und eine Altersleistung der beruflichen Vorsorge bezieht.

- B178 Löst der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wirtschaftlichen Gründen auf und macht die versicherte Person von der ihr im Vorsorgereglement eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, die Ausrichtung einer Altersleistung zu verlangen, ist dieser Sachverhalt als unfreiwillige vorzeitige Pensionierung zu qualifizieren.

Ebenfalls von einer unfreiwilligen vorzeitigen Pensionierung ist auszugehen, wenn die versicherte Person im Laufe der Rahmenfrist für den Leistungsbezug die Ausrichtung einer Altersleistung verlangt. Die Altersleistungen sind dann aber von der ALE abzuziehen (...)"

 

Fazit: Wichtig ist, die Tatsache der unfreiwilligen Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglichst gut und klar zu dokumentieren. So durch das Kündigungsschreiben, ev. eine entsprechende zusätzliche Begründung des Arbeitgeber etc. Z.B. dass wirtschaftliche Gründe bestehen, oder dass die Kündigung gegen den Willen des Versicherten erfolgte. 

Im Zweifel sind unter Verweis auf die genannten Ausführungen in Art. 12 AVIV und in der AVIG-Praxis eine Verfügung zu verlangen, bzw. ein Rechtsmittel zu ergreifen.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Peter Mösch Payot