Sehr geehrtes Sozialinfo-Team
Einen Titel für diese Frage zu finden war keine leichte Aufgabe, da die Fragestellung sich etwas kompliziert gestaltet.
Ich habe einen Kl. der nun 59. J. alt ist. Aufgrund einer chronischen Krankheit möchte er noch bis 61 J. (April 2020) arbeiten. Danach möchte er unbezahlten Urlaub nehmen bis Ende 2020 und sich dann per 1.1.2021 auf dem RAV anmelden. Dies fordert die Pensionkasse, damit man das Kapital auf Freizügigkeitskonten verlegen könnte. Der KL. möchte gerne seine BVG Gelder ab 2021 auf 2. Freizügigkeitskonten verlegenen, damit er diese bei Bedarf auflösen kann.
Meine Frage ist nun, ob dies überhaupt möglich ist? Kann er danach einfach Freizügigkeitskonten auflösen ohne im Prinzip wirklich in Pension zu sein, da er ja dann noch für mindestens zwei Jahre beim RAV angemeldet wäre?
Wie würde das RAV reagieren? Würden Sie die Vermittlungsfähigkeit nicht in frage stellen und ihn dann direkt abweisen?
Wäre eine Teilpensionierung möglich samt Anmeldung beim RAV?
Vielen Dank für Ihre Hilfe
Freundliche Grüsse
K.H.
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrter Herr Hefti
Voraussetzungen des Bezug von ALV_Taggeldern sind u.a. das Erreichen der Beitragszeit (12 Monate innerhalb der letzten 24 Monate ab Zeitpunkt der Arbeitslosigkeit) und die Vermittlungsfähigkeit.
Prima vista scheint die Beitragszeit kein Problem, ihr Klient "will" ab dem 1.1.2021 arbeitslos sein und hat folglich ausreichend Beitragszeiten (12 Monate Arbeit zwischen 1.1.2019 und 31.12.2020). Aber ... .(siehe unten).
Problematisch könnte auch die Vermittlungsfähigkeit sein. Das RAV wird selbstverständlich die Vermittlungsfähigkeit Ihres Klienten prüfen. Soweit er gesundheitlich in der Lage wäre, einer Arbeit nachzugehen, ist die Vermittlungsfähigkeit zu bejahen. Wenn Ihr Klient die STelle selber kündigt, wird er aufgrund selbstverstschuldeter Arbeitslosigkeit sanktioniert werden (Einstelltage, je Umständen bis zu 60 Taggeldern, was knapp drei Monaten entspricht). Das Argument, er habe aus gesundheitlichen Gründen mit der Arbeit aufgehört, würde ich nicht ins Feld führen, da dies die Vermittlungsfähigkeit berühren würde.
Grundsätzlich ist im BVG das Rücktrittsalter gleich wie in der AHV. Die Reglemente können indes vorsehen, dass die Altersleistungen (Kapital oder Rente) zu einem früheren Zeitpunkt ausgerichtet werden. Voraussetzung ist eine Beendigung der Erwerbstätigkeit.
Ob Freizügigkeitsgelder schon vor dem Vorsorgefall Alter herausgelöst werden können, hängt von den reglementarischischen Bestimmungen der konkreten Pensionskasse ab, das BVG belässt den Pensionskassen hier Spielraum. Angesichts Ihrer Schilderungen gehe ich davon aus, dass die fragliche Pensionskasse diese Möglichkeit kennt.
Soweit so gut, das von Ihrem Klienten beabsichtigte Vorhaben birgt ein weiteres und grosses Problem. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 3 AVIG und konkretisiert in Art. 12 AVIV eine Regel aufgestellt, wonach bei vorzeitig Pensionierten nur jene beitragspflichtigen Beschäftigungen angerechnet werden, die nach der Pensionierung geleistet werden. Das hiesst für ihren Klienten: Am 1.1.2021 schaut die ALV, wieviele Beitragszeiten Ihr Klient nach der vorzeitigen Pensionierung vorweisen kann (konkrete keine, die vorzeitige Pensionierung beginnt ja erst am 1.1.2021).
Diese strenge Regelung gilt nach Art. 12 Abs. 2 lit .a AVIV nicht, wenn jemand aus wirtschaftlichen Gründen gegen seinen Willen vorzeitig pensioniert wird. Das scheint vorliegend jedoch nicht der Fall zu sein. Eine vorzeitige Pensionierung aus gesundheitlichen Gründen fällt nicht unter den Ausnahmetatbestand von Art. 12 Abs. 2 lit. a AVIV. Anders wäre es wie erwähnt dann, wenn die vorzeitige Pensionierung aus wirtschaftlichen Gründen durch die Arbeitgeberin veranlasst würde.
Siehe zum Thema auch: Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht
vom 30. November 2017 (715 17 244 / 317), Sie finden den Fall mit diesen Angaben im Netz.
Eine zweite Ausnahme betrifft nach ARt. 12 Abs. 2 lit. b AVIV Personen, deren Altersleistung aus der PK geringer ist als die ALV-Leistungen. Ob diese Ausnahme greift, müsste geklärt werden.
Zusammendfassend: Das Vorhaben Ihres Klienten ist riskant und bedarf sorgfältiger weiterer Abkärungen.
Genügen Ihnen diese Auskünfte? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli