Guten Tag,
ich habe eine Frage zum Thema Leistungen bei Arbeitssuche im Ausland / Leistungsexport Arbeitslosengeld.
Eine Klientin hat selbst ihr 9-jähriges, sehr gutes Arbeitsverhältnis gekündigt, um gemeinsam mit der Familie zurück in die Heimat (Deutschland) zukehren. Der Konkubinatspartner kann bei seiner Firma im Homeoffice arbeiten, der Vertrag bleibt in der Schweiz.
Gründe für die Rückkehr sind familäre Gründe, Pflege der schwerbehinderten Mutter, Übernahme einer Erbschaft (Denkmalgeschützer Bauernhof), Famliennachzug.
Gekündigt wurde zum 30.06.2018, Ausreise auf 01.07.2018 geplant, durch Bauverzögerungen / kein Wohnraum in Deutschland kann die Familie erst zum 31.07.2018 ausreisen. (Dokumentaion vorhanden)
Am 01.04.2018 wurde bereits das RAV informiert und ein Antrag auf Leistungsexport, incl. umfassender Stellungsnahme gestellt und monatlich die Stellensuche für Deutschland nachgewiesen. Am 02.07.2018 wurde der Antrag auf Arbeitslosengeld gestellen. Die Klientin hat zwei unterhaltspflichtige Kinder. Mit der Verfügung vom 12.07.2018 wurde die Vermittlungsfähigkeit abgesprochen, da die Klientin im Juli 2018 weder in der Schweiz noch in Deutschland eine Stelle annehmen kann. Man teilte ihr nun mit, dass sie keinen Anspruch im 07/18 hat, da keine Vermittlungsfähigkeit besteht. Auch im 08/18 hätte sie keinen Anspruch auf ALG da sie die Schweiz am 31.07.2018 verlässt, und keinen Wohnsitz in der Schweiz hat. Bereits im 04/18 komunizierte die Klientin, dass sie auch wichtigen Gründen als Rückkehrerin Leistungexport beantragen möchten und definintiv die Schweiz verlassen möchte. Durch die Schulpflichtigen konnte sie zwar schriftliche Bewerbungen schreiben und telefonische Gespräche führen, ein neues Arbeitverhältnis liegt jedoch nicht vor. Nun zur Frage.
- Hat die Klientin Anspruch auf ALG wegen der 1 Monat Bauverzug
- Wie kann sie dennoch ab 01.08.2018 Leistungsexport beantragen
- Mit welcher Argumentation soll sie gegen die Verfügung der Arbeitslosenkasse Einspruch einlegen.
- Ist / war ein Leistungsexport für die Klienten grundsätzlich möglich.
Besten Dank für eine zeitnahe Beantwortung der Fragen.
Bärbel Wächtler / SMZO Visp
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Wächtler
Um das konkrete Vorgehen in Bezug auf den Leistungsexport beantworten zu können, bedarf es vertieftere Dossierkenntnisse. Folgenden Angaben kann ich Ihnen machen.
Ich verstehe den Sachverhalt so, dass sich die Frau bereits während der Kündigungsfrist als Rückkehrerin für den Leistungsexport beim RAV gemeldet hat. Das RAV hat eine Informationspflicht und hätte die Frau ausreichend über ihre Rechte und Pflichten informieren und ihr das Info-Service «Leistungen bei Arbeitssuche im Ausland» abgeben müssen (Kreisschreiben über die Auswirkungen der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und 987/2009 auf die Arbeitslosenversicherung (KS ALE 883), 2. vollständig überarbeitete Auflage vom 1. Juni 2016, Stand 1. Juli 2018, G 18, ). Das Info „Ergänzungsinformation zum Info-Service «Arbeitslosigkeit» Ein Leitfaden für Versicherte, Leistungen bei Arbeitssuche im Ausland (EU- oder EFTA-Mitgliedstaat), Ausgabe 2016, finden Sie auf https://www.arbeit.swiss/secoalv/de/home/service/publikationen/broschueren.html.
Für die Anmeldung zum Leistungsexport ist das Formular «Antrag auf Leistungen bei Arbeitssuche im Ausland» auszufüllen (KS ALE 883 G 37). Diese Anmeldung wurde offenbar am 1.4.2018 gemacht. Insoweit ist entscheidend, ob die Klientin diesen Antrag auf Leistungen bei Arbeitssuche im Ausland wirklich gestellt hat.
Um den Leistungsexport zu erhalten, muss ein Anspruch auf ALE (Arbeitslosenentschädigung) vorliegen, was die Vermittlungsfähigkeit voraussetzt. Das RAV spricht der Frau für den Monat Juli 2018 die Vermittlungsfähigkeit ab. Solange aber mangels Vermittlungsfähigkeit keine Rahmenfrist eröffnet werden kann, kann die ALE nicht exportiert werden (vgl. KS ALE 883 G 38 ff.).
Es ist aus den Ausführungen nicht ganz klar, weswegen die Vermittlungsfähigkeit im Juli abgesprochen wurde. Insoweit sind bei einer Einsprache, soweit es sich aus dem Sachverhalt ergibt, Elemente zu nennen und allenfalls Beweismittel einzureichen, welche belegen, dass die Betroffene im Juli dem Arbeitsmarkt in der Schweiz zur Verfügung gestanden wäre und Arbeit gesucht hat.
Die Betroffene muss grundsätzlich vor ihrer Abreise während mindestens vier Wochen (28 Kalendertage) nach Beginn ihrer Arbeitslosigkeit als arbeitslos gemeldet gewesen sein und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden haben. Diese vierwöchige Wartefrist kann verkürzt werden, z.B. bei Rückkehrer/Innen (vgl. KS ALE 883 G 61 ff.) und wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der eine unverzügliche Rückkehr in die Heimat erforderlich machen (vgl. KS ALE 883 G 62).
Unklar ist vorliegend, ob das RAV die Zulässigkeit des Leistungsexports geprüft und wenn ja, den Leistungsexport bereits vor Ablauf der vierwöchigen Wartefrist genehmigt hat. Hier sind weitere Abklärungen nötig.
Das RAV verneint für den Monat August 2018 einen Anspruch auf ALE, da die Frau die Schweiz am 31.07.2018 verlässt und keinen Wohnsitz mehr in der Schweiz hat.
Daraus ist abzuleiten, dass entweder der am 1.4.2018 beantragte Leistungsexport abgelehnt wurde oder aber, dass der Antrag nicht gestellt wurde. Eine Ablehnung des Leistungsexports und der Zustimmung zum «Antrag auf Leistungen bei Arbeitssuche im Ausland» hätte das RAV per Verfügung zu eröffnen (vgl. KS ALE 883 G 42). Hier sind weitere Abklärungen nötig.
Hat die versicherte Person vor ihrer Abreise am 1.8.2018 NICHT einen Leistungsexport beantragt, so kann danach kein Anspruch auf Leistungsexport mehr entstehen. (vgl. KS ALE 883 G 53).
Um keine Frist zu verpassen, empfehle ich, vorsorglich die Einsprache fristgerecht einzureichen, Akteneinsicht zu verlangen und die Begründung gegebenenfalls nachzuliefern oder zu ergänzen. Die Einsprache kann dann immer noch zurückgezogen werden.
Ich hoffe, die Angaben sind nützlich und wir grüssen Sie freundlich.
Karin Anderer/Peter Mösch