Guten Tag
Meine Klientin hat im Januar im Verkauf eine unbefristete Stelle angetreten. Sie hat einen schriftlichen Arbeitsvertrag in dem eine dreimonatige Kündigungsfrist vereinbart wurde. Nun hatte sie Ende Januar einen Unfall, sie fiel für zwei Monate aus. Bei einem Gespräch mit ihrem Chef Ende Februar informierte man sie mündlich, dass die Probezeit nicht verlängert werde. Als sie sich Ende März wieder meldete und informierte, dass sie ab dem 1. April wieder zu 100% arbeitsfähig sei, verlängerte man die Probezeit mündlich um zwei Monate bis Ende Mai. Zusätzlich ist nun dass die Frau schwanger wurde und den Arbeitgeber darüber auch schon informierte. Geburtstermin ist im Oktober. Nun hat die Frau bedenken, dass man ihr noch in der Probezeit künden wird.
Weiter wurde am Einstellungsgespräch vereinbart, dass sie während der Probezeit im Stundenlohn angestellt sei und erst danach zu einem fixen Monatslohn, vereinbart ist mündlich zu 100%. Dies steht so nicht explizit im Arbeitsvertrag. Im April wurde sie kaum eingeplant, sie kann nur ein Bruchteil des ihr mündlich zugesicherten Pensums arbeiten.
Was kann sie tun, damit sie die Stelle nicht verliert?
Vielen Dank für ihre Ausführungen
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte Frau Ineichen
Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Vorab müsste ich wissen, was im Arbeitsvertrag genau bezüglich des Pensums schriftlich festgehalten wurde. Hinzuweisen ist, dass nach Art. 330b OR die Arbeitgeberin verpflichtet ist, spätestens einen Monat nach Arbeitsbeginn SCHRIFTLICH folgende Angaben zu machen:
- Namen der Vertragsparteien
- Datum und Beginn des Arbeitsverhältnisses
- Funktion des Arbeitnehmers
- Lohn und allfällige Lohnzuschläge
- Wöchentliche Arbeitszeit
Die Frage lautet nun: Welche dieser Angaben sind im schriftlichen Arbeitsvertrag enthalten? Wenn ich den Sachverhalt richtig verstehe, ist das Pensum und die Lohnzahlung (Monatslohn oder Stundenlohn) nicht schriftlich im Vertrag verankert. Das ist nicht zulässig, spätestens einen Monat nach Beginn müssen diese Informationen schriftlich vorliegen.
Zu beachten ist weiter Art. 330b Abs. 2 OR: Demnach müssen Veränderungen zu den in Abs. 1 aufgeführten Punkten dem Arbeitnehmer ebenfalls schriftlich mitgeteilt werden.
Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall die Arbeitgeberin die nötigen Informationen nicht schriftlich erteilt hat. Erforderlich wäre gewesen, dass die Arbeitszeit und der Lohn klar schriftlich festgehalten wurden.
Leider hat der Gesetzgeber es unterlassen, die Konsequenzen festzulegen, die eintreten, wenn der Arbeitgeber der Pflicht nach Art. 330b OR nicht nachkommt. Für die Verhandlungen mit der Arbeitgeberin ist ein Hinweis auf OR 330b dennoch hilfreich (siehe unten, Fazit und Empfehlungen).
Nun zum Problem der Probezeit:
Die Probezeit ist in Art. 335b OR geregelt. Bei krankheits- oder unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit verlängert sich die gesetzliche bzw. vertragliche Probezeit entsprechend. Im vorliegenden Fall wurde schriftlich eine Probezeit von drei Monaten vereinbart. Das ist rechtlich zulässig. Die Verlängerung der Probezeit durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit ist rechtlich wie erwähnt zulässig. Nun ist nach Sachverhalt eine mündliche Zusicherung erfolgt, dass das die Probezeit nicht verlängert wurde. Hier stellt sich die Frage, ob die Parteien damit vom schriftlich vereinbarten Vertrag abweichen wollten. Nach Lehre und Rechtsprechung ist bei einer mündlichen Vereinbarung einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen davon auszugehen, dass dies nicht zulässig ist bzw.. wie der ursprünglich vereinbarte Vertrag muss auch die Verschlechterung in Schriftform erfolgen, damit sie gültig ist.
Vorliegend geht es aber nicht um eine Verschlechterung, sondern um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen (Nicht Verlängerung der Probezeit wegen unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit), also ist eine Vertragsanpassung auch mündlich gültig. Das Problem wird aber der Beweis sein: Kann die Arbeitnehmerin beweisen, dass die Arbeitgeberin eine Vertragsänderung gewollt hat? Falls ja, würde die mündliche getroffene Vereinbarung gelten und die spätere Verschlechterung müsste in Schriftform erfolgen (siehe Argument oben).
Schwangerschaft:
Nach Ablauf der Probezeit geniesst die Arbeitnehmerin Kündigungsschutz bis zur 16. Woche nach der Niederkunft. Es liegt auf der Hand, dass die Arbeitgeberin ein Interesse hat, die Probezeit zu verlängern; sie möchte nicht, dass absoluter Kündigungsschutz gilt.
Eine Kündigung wegen der Schwangerschaft während der Probezeit wäre aber möglicherweise missbräuchlich im Sinne von Art. 336 OR und sie würde zudem einen Verstoss gegen Art. 3 Abs. 2 des Gleichstellungsgesetzes (GlG) und hätte eine Entschädigung nach Art. 5 Abs. 2 und Abs. 4 GlG zur Folge. Die Kündigung wäre aber dennoch gültig, die Arbeitgeberin müsste aber eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen ausrichten.
Mit anderen Worten; Ihre Klientin ist also auch in der Probezeit nicht gänzlich schutzlos.
Fehlende Einsätze im Monat April:
Es ist sehr richtig und wichtig, dass Ihre Klientin gegenüber der Arbeitgeberin mit Nachdruck ihre Arbeitsbereitschaft anbietet und insbesondere auch erwähnt, dass Sie wie mündlich vereinbart (was eigentlich schriftlich hätte erfolgen sollen) 100% arbeiten möchte. Jedes Gespräch soll sie umgehend dokumentieren. Auch soll sie betonen, dass sie trotz Schwangerschaft 100% arbeiten möchte. Sollte ihr nicht 100% Arbeitseinsätze angeboten werden, soll sie darauf aufmerksam machen ,dass die Arbeitgeberin sie nicht wegen ihrer Schwangerschaft benachteiligen dürfe.
Warum ist letzteres wichtig: Art. 10 GlG hält fest, dass eine Kündigung, die erfolgte, nachdem die Arbeitnehmerin eine innerbetriebliche Beschwerde wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung geltend gemacht hat, ist ANFECHTBAR, d.h., es kann vor Gericht verlangt werden ,dass das Arbeitsverhältnis weiterbesteht (unabhängig davon, ob die Arbeitnehmerin noch in der Probezeit ist).
Fazit und Empfehlung:
Dass Ihre Klientin nicht mehr in der Probezeit ist, müsste durch die Klientin bewiesen werden, was schwer fallen dürfte. Auch nach der Probezeit besteht aber ein Schutz wegen schwangerschaftsbedingter Benachteiligung gestützt auf das Gleichstellungsgesetz. Die Klientin kann gegenüber der Arbeitgeberin auf diesen Schutz hinweisen und sie soll ihre Arbeitsbereitschaft (zu 100%) wiederholt bieten (mündlich, aber unbedingt schriftlich nachdoppeln). Alle Gespräche/Abmachungen sind zu dokumentieren. Auch ist die Arbeitgeberin darauf hinzuweisen, dass sie Arbeitszeit und Lohn schriftlich mitteilen muss.
Sollte die Arbeitgeberin das Arbeitshältnis künden, ist umgehend gegen die Kündigung Einsprache (schriftlich) bei der Arbeitgeberin einzureichen. Erfolgt keine Einigung mit der Arbeitgeberin über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, ist gerichtlich vorzugehen, wobei dann die Klage auf das GlG zu stützen ist (entweder anfechten der Kündigung nach Art. 10 GlG oder alternativ / flankierend Geltendmachung einer Entschädigung nach Art. 3 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 und 4 GlG und Art. 336b OR.
Genügen Ihnen diese Auskünfte?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Herzlichen Dank das reicht mir so.