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Kündigung(sfrist) eines befristeten Arbeitsvertrags?

Veröffentlicht:
28.08.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Guten Tag Herr Pärli, Herr Petrik

Meine Klientin hat einen befristeten Arbeitsvertrag (wurde erneuert, der erste befristete lief vom 7.1.2019 - 30.6.2019) vom 1.7.2019 - 30.9.2019 auf dem Bau.

Nun fragt ich mich ob sie eine Kündigung erhält, oder ob per 30.9.2019 der Vertrag automatisch ausläuft. Und mit welcher Kündigungsfrist müsste gerechnet werden?

Vielen Dank für Ihre geschätzte Antwort.

C. Haubrich

Berufsbeiständin

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geeehrte Frau Haubrich

Grundsätzlich enden befristete Verträge ohne Kündigung (es sei denn, im Vertrag sei etwas anderes abgemacht). Nach Lehre und Rechtsprechung ist die wiederholte Aneinenerreihung befristeter Verträge unzulässig, weil so dem ARbeitnehmer zustehende Schutzbestimmungen unterlaufen würden. In diesen Fällen werden die befristeten Verträge wie unbefristete bewertet und folglich kommen die Kündigungsfrist und Kündigungsschutzbestimmungen zur Anwendung.

Eine bloss einmalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses fällt jedoch i.d.R. noch nicht unter dieses Konzept. M.a.W.; sofern Ihre Klientin nicht schon vor dem 7.1.2019 für die gleiche Firma befristet angestellt war (unmittelbar vorher oder nicht allzuweit zurückliegend) handelt es sich vorliegend um eine zulässige Befristung und der Vertrag läuft automatisch aus.

Genügen Ihnen diese Auskünfte?

mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Kurt Pärli

Guten Tag Herr Pärli,

vielen herzlichen Dank für Ihre kompetente Antwort.

In diesem Fall ist es so, dass meine Klientin bereit vom 1. Oktober 2018 bis 21. Dezember 2018 einen befristeten Vertrag bei der selben Firma erhalten hat.

Wenn ich Ihre Rückmeldung richtig verstehe, muss hier also der aktuelle Vertrag als wie eine unbefristete bewertet werden, und die Kündigungsfrist und Kündigungsschutzbestimmungen zur Anwendung kommen? In alle drei Verträge steht Folgendes: Kündigungsfrist: gemäss LMV

Wie sieht diese gemäss LMV der Baubranche (Betonkosmetikerin) konkret aus?

Nochmals vielen herzlichen Dank

C. Haubrich

Berufsbeiständin

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte Frau Haubrich

Gerne nehme ich erneut Stellung zu Ihrer Frage. Es könnte hier tatsächlich ein Kettenarbeitsverhältis vorliegen. Im Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2014, A-7102/2014, wird in Erwägung 2.3.2 die Rechtsprechung zu den Kettenarbeitsverträgen anschaulich dargelegt:

2.3.2 Rechtsprechung und Lehre bezeichnen die Aneinanderreihung mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse gleichen Inhalts als Kettenarbeitsverträge. Solche gelten als zulässig, sofern die Grenze des Rechtsmissbrauchs nicht überschritten wird. Von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten ist dann auszugehen, wenn für den Abschluss mehrerer aufeinanderfolgender Verträge kein sachlicher Grund besteht und die ungewöhnliche Vertragsgestaltung bezweckt, die Anwendung der Bestimmungen über den Kündigungsschutz zu umgehen oder das Entstehen von Rechtsansprüchen, die von einer Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses abhängen, zu verhindern (vgl. BGE 129 III 618 E. 6.2 mit Hinweisen). In einem solchen Fall sind befristete Anstellungsverhältnisse in unbefristete umzudeuten. Eine Umgehungsabsicht kann schon dann als nachgewiesen erachtet werden, wenn für die mehrfache Befristung kein vernünftiger Grund ersichtlich ist (Urteil des Bundesgerichts 2P.26/2007 vom 28. Juni 2007 E. 3.6; zum Ganzen: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6990/2014 vom 5. März 2015 E. 3.3 mit weiteren Hinweisen).

Sachliche Gründe für eine Aneinanderreihung mehrerer befristeter Arbeitsverträge bejahen Lehre und Rechtsprechung insbesondere bei der Anstellung von Künstlern (Schauspielern, Musikern, Sängern etc.), Gelegenheitsarbeitern, Berufssportlern und Lehrkräften mit Semester- oder Schuljahranstellungen. Als sachliche Motive anzuerkennen sind grundsätzlich Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses oder besondere betriebliche Umstände wie beim Bühnenengagement, beim Einsatz in einem Saisonbetrieb oder bei der Ausbildung des Nachwuchses sowie die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens. Sachlich begründet ist beispielsweise die wiederholte befristete Anstellung von Lehrbeauftragten an Mittel- und Berufsschulen sowie Universitäten insbesondere deshalb, weil deren Beschäftigung oft von der nicht längerfristig voraussehbaren Anzahl eingeschriebener Schüler/Studenten bzw. dem Fächer-/Vorlesungsangebot abhängt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2P.26/2007 vom 28. Juni 2007 E. 3.7 mit zahlreichen Hinweisen).

*** Siehe auch BGE vom 15.02.2017 (4A_428/2016, Erw. 1.1.2, S. 113)***

Nun, was bedeutet dies für Ihren Fall: Gibt es einen sachlichen Grund für die Befristung? Ein Blick auf die von der Rechtsprechung akzeptierten sachlichen Gründe lässt die Vermutung zu, dass dem nicht so ist. Ich kenne aber die genauen Gründe des Unternehmens für die Befristung nicht). Folglich erfolgt die Befristung vermutungsweise um zwingende Bestimmungen wie Kündigungsschutz usw. zu umgehen.

Falls vorliegend ein Kettenarbeitsvertrag zu bejahren ist, hätte dies gemäss LMV Bau die Anwendung einer einmonatigen Kündigungsfrist zur Folge. Es gelten insbesondere auch die Kündigungsschutzvorschriften bei einer allfälligen krankheits- oder unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit. Den GAV finden Sie hier: http://www.baumeister.ch/de/unternehmensfuehrung/gesamtarbeitsvertraege-gav/landesmantelvertrag-lmv

Soweit ersichtlich regelt der GAV die Frage der Aneinanderreihung befristeter ARbeitsverhältnisse nicht.

Ein weiterer Vorbehalt: Es ist auch möglich, dass in einem Fall wie dem vorliegenden nur die Kündigungsschutzvorschriften (aber nicht die Kündigungsfristen) zur Anwendung kommen, d.h. die dritte Befristung könnte auch so ausgelegt werden, dass zwar die Kündigungsschutzvorschriften sofern notwendig Anwendung gefunden hätten, dass aber der Endtermin des Arbeitsverhältnisses bereits feststeht, also ein abgeschlossenes ARbeitsverhältnis auch bereits wieder per 30.9. gekündigt wurde.

Genügen Ihnen diese ergänzenden (und mangels Kenntnis des ganzen Sachverhaltes) sehr vorsichtigen Ausführungen?

Mit Dank für die erneute Kenntnisnahme und besten Grüssen

Kurt Pärli