Ich habe eine Klientin, Jg. 1961, mit gesundheitlichen Problemen und einer maximalen Arbeitsfähigkeit von 60%. Die Klientin hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu 50% in einem Gastrobetrieb als Putzfrau und Zimmermädchen. Sie arbeitet in einem weiteren Arbeitsverhältnis als Putzfrau für eine Privatperson.
Der 13. Monatslohn vom Gastrobetrieb wurde Ende Dezember nicht vollständig ausbezahlt. Im Januar 2020 informierte die Arbeitgeberin, dass sie sich ihre Arbeitskraft nicht mehr leisten könne. Sie könnte sich vorstellen die Klientin weiterhin für 20% zu beschäftigen und im Sommer wenn viel los sei zusätzliche Stunden im Stundenlohn zu bezahlen.
Die Klientin wird von uns zusätzlich durch wirtschaftliche Sozialhilfe gem. Sozialhilfegesetz des Kt. Uri unterstützt, da der Lohn nicht zum Leben ausreicht. Ich habe ihr geraten einer Pensenänderung nicht freiwillig zuzustimmen und auf eine Änderungskündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist von 3 Monaten zu bestehen. Dies auch aufgrund der Einstelltage bei der ALV.
Heute rief mich die empörte Arbeitgeberin an, sie erklärte mir, dass sie den Betrieb schliessen müsse wenn die Klientin darauf bestehen müsse und dass ihr somit nichts anderes übrigbleibe als der Klientin ganz zu kündigen, ob wir nicht zusammen eine andere Lösung finden könnten, denn im Sommer habe sie sicher wieder genug Arbeit. Ebenfalls wisse sie (und das stimmt sicherlich) dass die Klientin aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme nicht so einfach eine neue Stelle finden würde. Aus meiner Sicht wird hier die Situation der Klientin von der Arbeitgeberin ausgenutzt und genau dafür sind die arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen vorgesehen. Mit der Drohung ganz zu kündigen, falls die Klientin nicht zustimmt, setzt sie sie aus meiner Sicht zusätzlich unter Druck. Ebenfalls bin ich (da ich den Betrieb kenne) nicht ganz so zuversichtlich, dass der Betrieb im Sommer wirklich wieder zum Laufen kommt.
Grundsätzlich müsste ich der Klientin sogar die WSH kürzen wenn sie freiwillig verzichtet, aber hier könnte ich sicherlich den mir bleiben Spielraum zugunsten der Klientin nutzen. Ausserdem müsste sie sich natürlich für die fehlenden Arbeitsprozente auf Stellensuche begeben.
Wie sieht die Situation rechtlich aus bzw. zu welchem Vorgehen raten Sie aufgrund der rechtlichen Situation? Wie muss vorgegangen werden falls die Arbeitgeberin tatsächlich nicht mehr bezahlen kann? Und welche Hürden könnten von der ALV kommen?
Besten Dank im Voraus.
Nachtrag: Heute 31.1. nachmittags rief mich die Klientin an. Die Arbeitgeberin setze sie unter Druck den Vertrag für 20% ab 1.2. (!!) zu unterzeichnen, ansonsten müsse sie ihr heute kündigen. Die Klientin ist sehr sensibel, hat Angst nichts anderes zu finden und wird nun unterschreiben um den Arbeisplatz zu erhalten. Hat sie trotzdem Möglichkeiten sich zu wehren?
Danke, dass Sie diesen Nachtrag in die Antwort einbeziehen.
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrte Frau Suter
Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt: "Verträge muss man halten", dieser wichtige rechtliche Grundsatz gilt auch im Arbeitsrecht. Eine Änderung eines Vertrages kann deshalb grundsätzlich nur auf dem Wege einer gegenseitigen Übereinkunft erfolgen oder aber der Vertrag muss gekündigt werden. Eine gegenseitige Übereinkunft liegt nur vor, wenn beide Parteien einer Änderung des Vertrages freiwillig zustimmen, davon kann vorliegend keine Rede sein.
Von einer Änderungskündigung spricht man, wenn (wie vorliegend) die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis nicht gänzlich auflösen will, aber Bedingungen wie Lohn oder Arbeitszeit anpassen will. Die Änderungskündigung wird in der Praxis in verchiedenen Formen ausgeübt:
- Die Arbeitgeberin kündigt das Arbeitsverhältnis und unterbreitet dem Arbeitnehmer gleichzeitig eine neue Vertragsofferte. Nimmt der Arbeitnehmer die Offerte an, gelten die Regeln des neuen Arbeitsvertrages. Lehnt er sie ab, ist die Kündigung rechtswirksam
- Die Arbeitgeberin spricht eine bedingte Kündigung aus: die Kündigung soll nur gelten, wenn der Arbeitnehmer der Vertragsänderung nicht zustimmt.
- Die Arbeitgeberin legt zunächst eine Offerte für eine Vertragsänderung vor. Erst wenn der Arbeitnehmer die Offerte ablehnt, spricht die Arbeitgeberin die Kündigung aus. Die Kündigungsandrohung liegt oft schon beim Vorlegen der neuen Offerte vor – der Arbeitnehmer weiss also meistens, was ein Ablehnen der Offerte für eine Folge hat.
In Ihrem Fall ist die letzte Variante einschlägig.
Die Änderungskündigung bewirkt Druch auf den Arbeitnehmer: entweder er akzeptiert die neuen Bedingungen, oder das Arbeitsverhältnis endet. Eine Änderungskündigung ist grundsätzlich zulässig, aber, überschreitet die Druckausübung allerdings ein gewisses Mass, liegt eine missbräuchliche Änderungskündigung vor. Die Konsequenz ist, dass der Arbeitnehmer eine Entschädigung von bis zu sechs Netto-Monatslöhnen verlangen kann.
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 123 III 246) gilt eine Änderungskündigung als missbräuchlich, wenn
- die Position des Arbeitnehmers durch die Änderung verschlechtert wird;
- die Verschlechterung unbillig ist; und
- keine betrieblichen oder marktbedingten Gründe die Vertragsänderung rechtfertigen.
Wichtig ist, dass auch bei einer Änderungskündigung die Kündigungsfristen eingehalten werden. Eine Änderung kann rechtmässig erst auf den nächstmöglichen Kündigungstermin in Kraft treten. Relevant ist dabei der Zeitpunkt des Ablaufs der Bedenkfrist für den Arbeitnehmer. Versucht die Arbeitgeberin die Änderung auf einen früheren Termin durchzusetzen, liegt eine unbillige Druckausübung vor, die missbräuchlich ist.
Das Vorgehen der Arbeitgeberin ist als unzulässig, die Ändeurng kann frühestens auf den Zeitpunkt nach Ablauf der Kündigungsfrist durchgesetzt werden. Falls die Arbeitgeberin jetzt zum Mittel der Kündigung des ganzen Vertrages greift, ist diese Kündigung klar missbräuchlich, jedoch, wie Sie sicher wissen, dennoch gültig, das heisst, Ihre Klientin wird die Stelle verlieren, kann aber gegen den Arbeitgeber eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen wegen missbräuchlicher Kündigung verlangen. Falls Ihre Klientin über dies aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig werden sollte, geniesst sie den Sperrfristenschutz nach Art. 336c OR.
Genügen Ihnen diese Auskünfte?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli