Sehr geehrtes Expertenteam
Eine nicht verheiratete Mutter, wohnhaft in Rapperswil-Jona hat bei der KESB einen Antrag um begleitetes Besuchsrecht für den Kindsvater, welcher in einer anderen St. Gallergemeinde wohnt, eingereicht. Nun hat die KESB dem Antrag stattgegeben und verfügt, dass das zuständige Sozialamt mit den Eltern die Kosten regelt. In einem Dokument von Christoph Häfeli (ZVW 2001 S.198) lese ich, dass die Kosten in Zusammenhang mit einer Besuchrechtsausübung zulasten des Besuchsberechtigten gehen. Sind sie aus besonderen Gründen höher als üblich, verteilt sich der Mehraufwand je nach Verantwortlichkeit der beteiligten Elternteile sowie nach deren wirtschaflticher Leistungsfähigkeit. Gemäss der Mutter konsumiert der Vater Drogen, hat einen Kampfhund und fährt mit dem 4-jährigen Kind ohne Kindersitz umher. Wer ist nun für die Kosten zuständig? Muss davon ausgegangen werden, dass die Verantwortlichkeit der Massnahme doch bei bei den Eltern liegt, obwohl die Mutter den Antrag gestellt hat und auch Gründe vorbringen kann? Der Kindsvater ist selbständig und behauptet nicht in der Lage zu sein, etwas zu bezahlen. Muss demzufolge das zuständige Sozialamt am zivilrechtlichen Wohnort des Kindsvater für die Hälfte der Kosten aufkommen? Gerne erwarte ich Ihre Rückmeldung. Freundliche Grüsse I. Stoob
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Stoob
Entschuldigen Sie die verspätete Antwort. Ich musste noch Abklärungen vornehmen. Nun beantworte ich gerne Ihre Frage, die die Auferlegung der Kosten eines begleiteten Besuchsrechts betrifft. Ich fasse kurz zusammen: Die Eltern wohnen beide im Kanton St. Gallen, jedoch nicht in der gleichen Gemeinde. Das Kind lebt bei der Mutter. Nicht erwähnt wird, ob einer der Elternteile (oder beide) wirtschaftliche Hilfe bezieht, der Vater ist – gemäss seinen Angaben – finanziell knapp dran.
In dem von Ihnen erwähnten Artikel führt Christoph Häfeli aus, dass die Kosten des begleiteten Besuchsrechts zu den Unterhaltskosten gegenüber dem Kind zu zählen sind und falls kein eindeutiger Urheber feststellbar ist, diese nach den allgemeinen Regeln des Unterhaltsrechts aufzuteilen sind, die sich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beider Elternteile richtet. Selbst aber, wenn diese Kosten klarerweise durch einen Elternteil zu vertreten sind, muss seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit die Grenze der Kostenüberwälzung bilden (ZVW 2001 S. 198 Rz. 7 ff.).
Das begleitete Besuchsrecht ist als Kindesschutzmassnahmen einzustufen und daher weniger als Teil der Besuchsrechtsausübung zu betrachten. Unter dem begleiteten Besuchsrecht wird eine Besuchsrechtsbeistandschaft verstanden (Margot Michel/Christine Schlatter, in: Kurzkommentar ZGB, Hrsg. Andrea Büchler, Dominique Jakob, Basel 2018, Rz. 21 zu Art. 273). Diese stellt eine Kindesschutzmassnahme nach den Art. 307 ff. ZGB dar (ebd.). Die Finanzierung von Kindesschutzmassnahmen ist Teil der Unterhaltspflicht der Eltern nach Art. 276 Abs. 2 ZGB. D.h. sie müssen vorrangig diese Kosten tragen. Die gleiche Auffassung wird in den KOS-RL (Praxishilfe KOS, Hrsg. St. Gallische Konferenz der Sozialhilfe [KOS], Stand Januar 2019) im Zusammenhang mit der sozialpädagogischen Familienbegleitung (SPM) vertreten (Kap. F.3.3.8, S. 123).
Betrachtet man das begleitete Besuchsrecht als Unterhaltsleistung für das Kind im Sinne von Art. 276 ZGB, ist es letztlich konsequent, wenn die allgemeinen Regeln zur Festlegung des Kindesunterhalts (Art. 285 ZGB) zur Anwendung gelangen, welche sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern orientiert. Ob die Kosten dem Vater, weil dafür verantwortlich, auferlegt werden dürfen, muss die KESB beantworten. Falls dieser jedoch in der Tat nicht in der Lage ist, diese zu finanzieren, käme man nicht umhin, die Kostenverteilung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beider Elternteile festzulegen. Auch diesbezüglich empfehle ich Ihnen, mit der KESB Rücksprache zu nehmen. Solange das Sozialamt keine wirtschaftliche Hilfe im Sinne der Bevorschussung dieser Kosten erbringt, kommen die Regeln zur wirtschaftlichen Hilfe (noch) nicht zur Anwendung (vgl. Urteil Verwaltungsgericht Zürich VB.2015.00684 vom 17.3.2016 E.6.2).
Falls die Eltern die Kostenverteilung nicht anerkennen würden, müsste die Sozialhilfe am Unterstützungswohnsitz (Art. 3 Abs. 2 SHG SG i.V.m. Art. 7 Abs. 2 ZUG) des Kindes für die Kosten vorschussweise aufkommen, soweit seine Bedürftigkeit ausgewiesen ist – was zusammen mit der Mutter als Unterstützungseinheit festzustellen wäre. Diese örtliche Zuständigkeit ergibt sich meiner Meinung nach aus der Rechtsnatur der Kosten für das begleitete Besuchsrecht, welche wie oben erwähnt, dem Kindesunterhalt nach Art. 276 ZGB zuzuordnen sind. Es kommt also die gleiche Vorgehensweise zum Tragen, welche bei Ausbleiben des Unterhaltsbeitrages greift (oder im Grundsatz auch bei Fremdplatzierung des Kindes). In der Sozialhilfepraxis der Kantone wird nicht selten die abweichende Handhabung angetroffen, wonach diese Kosten für ein begleitetes Besuchsrecht dem verursachenden und bedürftigen Elternteil (hier also potentiell dem Vater) belastet und als situationsbedingte Leistungen vergütet werden (dies dann am Unterstützungswohnsitz des betreffenden Elternteils, welche sich nicht nach Zivilrecht, sondern ZUG bestimmt). Diese Lösung steht meiner Meinung jedoch nicht im Einklang mit der Rechtsnatur der Kosten. Ob der Kanton St. Gallen eine solche Handhabung pflegt, konnte ich nicht verifizieren. Im Kap. C.1.3 KOS-RL zur Familie werden nur die ordentlichen Kosten der Besuchsrechtsausübung erläutert. Immerhin lässt sich aus dem oben zur SPM Gesagte ableiten, dass das begleitete Besuchsrecht ebenfalls als Teil des Kindesunterhalts verstanden werden kann, womit, wie gesagt, bei fehlender elterlicher Vereinbarung für die Kostentragung jene Sozialhilfeorgane am Unterstützungswohnsitz des Kind einspringen müssen.
Kommt die Sozialhilfe für diese Kosten auf, tritt sie gestützt auf Art. 289 ZGB in den Anspruch ein, den sie sodann gerichtlich durchsetzen kann. Im Rahmen des zivilrechtlichen Verfahrens wird die Kostenübernahme anhand unterhaltsrechtlicher Grundsätze ermittelt (dazu Christoph Häfeli, a.a.O., Rz. 7).
Abschliessend noch ein Hinweis zur Uneinbringlichkeit der (bevorschussten) Kosten: Würden die Eltern die Kostenverteilung anerkennen oder der Vater, wenn er alleine dafür aufkommen müsste, könnten diese aber nicht oder nicht vollständig eingefordert werden, so wäre überlegenswert, ob für den uneinbringlichen Teil Alimentenbevorschussung beantragt werden könnte. Dasselbe würde gelten, wenn die vom Gericht angeordnete Kostenverteilung sich als uneinbringlich erweisen würde.
Ich hoffe, Ihre Frage beantwortet zu haben und Sie können mit diesen Ausführungen die weiteren Schritte in ihrem Fall einleiten.
Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder