Die Klientin ist 23 Jahre alt und gilt somit als junge Erwachsene. Sie verfügt über keine Erstausbildung und die Arbeitsintegration ist noch nicht angegangen worden. Die Klientin zieht, gemeinsam mit ihrem Kind (geb. 2018), vom Kanton Bern in den Kanton Luzern. Im Kanton Luzern hat sie eine eigene Wohnung gemietet. Kann diese Miete von der Sozialhilfe übernommen werden, weil die Klientin alleinerziehend ist und mit ihrem Kind im Haushalt lebt? Oder kann ihr zugemutet werden, gemeinsam mit dem Kind bei ihren Eltern oder in einer WG zu wohnen?
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Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Ruckstuhl
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Für die Frage der Unterstützung junger Erwachsener gelten im Wesentlichen die SKOS-Richtlinien, welche gemäss § 31 Abs. 1 SHG Kanton Luzern (SHG LU) wegleitend sind, wobei die SHV Kanton Luzern (SHV LU) zu beachten ist und hier im Besonderen § 9 SHV. In Bezug auf Ihre Frage ist jedoch alleine Kapitel B.4 der SKOS-Richtlinien heranzuziehen. Danach wird von jungen Erwachsenen ohne abgeschlossene Erstausbildung erwartet, dass sie bei den Eltern wohnen, soweit keine unüberbrückbaren Konflikte bestehen. Auf der anderen Seite empfehlen die SKOS-Richtlinien einen eigenen Haushalt, wenn zwingende Gründe dies verlangen. Kommt weder das Wohnen bei den Eltern noch ein eigener Haushalt in Frage, dann wird das Wohnen in einer WG (zu besonderen Konditionen im Vergleich zu Kapitel B.3 SKOS-Richtlinien) empfohlen.
Das Luzerner Handbuch zur Sozialhilfe enthält keine Ausführungen zu dieser Thematik. Es verweist in Kapitel B.4 lediglich auf das erwähnte Kapitel der SKOS-Richtlinien. Zu Ihrer Frage habe ich bei einer Kurzdurchsicht auch keine Gerichtsurteile gefunden. Hingegen enthält die Praxishilfe der SKOS mit dem Titel «Ermöglicht die Sozialhilfe jungen Erwachsenen eigenes Wohnen?», Claudia Hänzi, ZeSo 4/17, Hinweise dazu. Dort wird erwähnt, dass wenn die Betroffenen eigene Kinder haben, ein Ausnahmegrund für das Führen eines eigenen Haushalts vorliegen würde. In die gleiche Richtung habe ich mich in meinem im Rahmen des Jusletters erschienen Aufsatzes zum Thema «Wohnen und Sozialhilfe – eine rechtliche Auslegeordnung» geäussert (Rz. 54).
Wenn eine junge Erwachsene ohne abgeschlossene Erstausbildung bereits Mutter eines Kindes ist, ist fraglich, ob die Erwartung, bei den Eltern zu wohnen, noch an sie gestellt werden kann, auch wenn keine hemmenden Konflikte bestehen. Aus meiner Sicht ist Zurückhaltung angezeigt und die selbständige Lebenshaltung der jungen Erwachsenen und Mutter ist primär zu respektieren. Dies umso mehr, da das Zurückkehren in den elterlichen Haushalt mit Kind auch an die Eltern bzw. Grosseltern einen hohen Anspruch stellt, zumal die Eltern weder gegenüber der Klientin noch dem Grosskind eine zivilrechtliche (Kindes-)Unterhaltspflicht trifft, ebensowenig eine Pflicht, sie im Haushalt aufzunehmen. Eine Rückkehr stünde wohl ausser Frage, wenn die Klientin mit dem Vater des Kindes zusammenleben würde - Sie erwähnen den Vater nicht, so dass ich annehme, dass die Klientin alleinerziehend ist. Lebte die Klientin bereits in Bern ausserhalb des elterlichen Haushaltes, spricht dies auch eher gegen eine Rückkehr zu den Eltern, dies vor allem, wenn sie ohne wirtschaftliche Hilfe auskam und nicht mit der Bedürftigkeit rechnen musste. Ich bin aber der Meinung, dass im Einzelfall durchaus auch anders entschieden werden kann. Letztlich ist der Begriff der «zwingenden Gründe» ein offener Rechtsbegriff, der im konkreten Einzelfall Ermessen einräumt. Eine Rückkehr wäre möglich, wenn ein gutes Einvernehmen mit den Eltern besteht, diese bereit sind und genug Wohnraum haben, Tochter mit Kind aufzunehmen, sich die Beteiligten das Zusammenleben vorstellen können, und dadurch die Kontakt- und Beziehungspflege zum Vater nicht erschwert werden. Aber nicht selten kann das nahe Zusammenleben mit den Eltern zu Schwierigkeiten auf persönlicher Ebene führen, welche dem Kindeswohl nicht zuträglich sein können. Insofern gilt es in der geschilderten Situation ein Zurückkehren in den elterlichen Haushalt sorgfältig abzuwägen und zusammen mit der Klientin und den Eltern zu klären. Eine Rückkehr hätte ein erneuter Umzug zur Folge. Bringt dies ein Ortswechsel mit sich, müsste auch unter diesem Gesichtspunkt die Zumutbarkeit untersucht werden, jedenfalls sollte dieser die Kontakt- und Beziehungspflege zum Vater nicht erschweren.
Fällt die Rückkehr in den elterlichen Haushalt ausser Betracht, erscheint mir die WG für die Situation der Einelternfamilie als nicht geeignete Wohnform. Für die WG-BewohnerInnen ist es eine ungewöhnliche Situation und verlangt doch eine grössere Toleranz, welche ein Kind im gleichen Haushalt automatisch einfordert. Eine WG dient aber in erster Linie der Minimierung der Wohnkosten, so dass es schwierig sein dürfte, mit Kind eine passende WG zu finden, wo die erforderliche Offenheit und Rücksichtnahme vorausgesetzt werden kann.
Ich hoffe, Ihnen damit eine Basis gegeben zu haben, um im konkreten Fall entscheiden zu können.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder